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Dem Mythos erlegen

28. Oktober 2004

Guerillakämpfer und Revolutionär Che Guevara ist bis heute als Pop-Ikone auf Postern und T-Shirts präsent. "Die Reise des jungen Che" zeigt seine Tour durch Lateinamerika als Student. Und viel Sozialromantik.

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"Die Reise des jungen Che"Bild: Constantin Film


Als Ernesto Guevara (Gael García Bernal) und sein Freund Alberto Granado (Rodrigo de la Serna) 1952 von Buenos Aires zu ihrer neunmonatigen Reise durch halb Südamerika aufbrechen, entfernen sie sich weit von ihrem sorglosen bürgerlichen Leben. Auf einem alten 500er Norton-Motorrad und später zu Fuß entdecken sie auf ihrer fast 10.000 Kilometer langen Reise die beeindruckende Landschaft des endlosen Kontinents, aber auch die bittere Armut, unter der besonders die Ureinwohner leiden. Aus den Abenteurern werden allmählich nachdenkliche junge Männer, die sich für die Probleme der Unterprivilegierten interessieren. Alberto führte Tagebuch. Seine Aufzeichnungen sind Grundlage für "Die Reise des jungen Che".

Reise zum Ich

Szenenbild Die Reise des jungen Che
Ernesto Guevara (Gael García Bernal) in der Siedlung der Leprakranken in San Paulo, Peru. © Constantin Film, MünchenBild: Constantin Film

Das Road Movie könnte die Initiationsreise eines X-beliebigen Studenten sein, der sich selbst sucht. Der brasilianische Regisseur Walter Salles ist ohne große Umwege zu den Ursprüngen des Revolutionärs Che Guevara (1928- 1967) zurückgekehrt, als dieser noch nicht "Che", sondern schlicht ein 23-jähriger Medizinstudent aus gutem Hause war. Das Elend der Minenarbeiter, der enteigneten Bauern und der Lepra-Kranken, aber auch die Solidarität der Armen und die Weite des Kontinents berühren den ebenso abenteuerlustigen wie aufmerksamen Ernesto Guevara. "Was wir bei den Drehbarbeiten an sozialem Elend sahen, das war nicht so weit von den Tagebuch-Eintragungen entfernt", berichtet Regisseur Salles. "Auch in unserem Team kannte zwar jeder sein Land, Lateinamerika aber nicht." Die spätere Karriere Che Gueveras in Kuba als Revolutionär an der Seite von Fidel Castro und im Guerillakampf in Bolivien, wo er 1966 erschossen wurde, spielt im Film keine Rolle.

Zu viel des Guten

Szenenbild Die Reise des jungen Che
Alberto Granado (Rodrigo de la Serna) flirtet mit Luz (Jackelyn Váquez) an Bord der "La Cenepa". © Constantin Film, MünchenBild: Constantin Film

Salles will die Figur Guevaras "weder verklären noch entzaubern", aber seinem Film gelingt diese Gratwanderung nicht. Leider erliegt der Regisseur der Versuchung, die gleiche unkritische Sozialromantik, die den Revoluzzer Che Guevara seit dessen Tod umweht, zu sehr auf seinen Filmhelden zu projizieren. Diese Episoden wirken wie ein riesiges Reisefotoalbum, mit welchem Salles unbedingt zwei Geschichten in einer erzählen will: seine Liebeserklärung an Südamerika in ruhigen poetischen Naturbildern mit Szenen aus dem Alltagsleben und die Genese eines Helden und Revoluzzers. An dieser Stelle wird es mit dem inszenierten Gutmenschen-Pathos manchmal etwas arg: Die messianisch anmutende Situation, in der Guevara, von Asthmaanfällen geschüttelt, in einer bolivianischen Leprakranken-Station den Fluss durchschwimmt, der die Gesunden von den Patienten trennt, dürfte selbst Guevara-Bewunderern zu triefend sein.

Ernesto Che Guevara, Kuba
Der echte Ernesto Che GuevaraBild: AP

Gedreht wurde der Film vor teilweise fabelhafter Landschaftskulisse. Produziert hat ihn Robert Redford. Schade, dass Regisseur Salles nicht den Mut findet, seiner historischen Hauptfigur auch nur einen Hauch von Negativem zu geben. Um die rücksichtslose und brutale Seite im späteren Denken und Handeln des Revoluzzers anzudeuten, reicht es nicht, wenn Bernals Gesicht sich zwischenzeitlich unter einem Bartansatz verfinstert. (arn)

"The Motorcycle Diaries - Die Reise des jungen Che" (USA/Deutschland/Argentinien/Großbritannien 2003), 126 Minuten, Regie: Walter Salles, Darsteller: Gael García Bernal, Rodrigo de la Serna, Mia Maestro u.a., ab 6 Jahre, Kinostart: 28. Oktober 2004