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Freier von minderjährigen Zwangs-Prostituierten? -

15. Oktober 2004

NGOs erheben Vorwürfe gegen deutsche Soldaten im Kosovo

https://p.dw.com/p/5iRK

Bonn, 15.10.2004, DW-Radio / Serbisch, Filip Slavkovic

Die Kritik an der Bundeswehr im Kosovo ebbt nicht ab: Vor sieben Monaten musste sie sich vorwerfen lassen, auf die Gewaltausbrüche nicht entsprechend reagiert und so die Eskalation der Gewalt nicht gestoppt zu haben. Nun werden auch wieder Anschuldigungen laut, deutsche Soldaten im Kosovo würden Kunden von Zwangsprostituierten sein. Filip Slavkovic mit Einzelheiten.

Vorwürfe, dass deutsche Soldaten im Kosovo zu zum Teil noch minderjährigen Zwangs-Prostituierten gehen, sind schon mehrfach laut geworden. Doch viel geändert habe sich nichts, kritisieren Nichtregierungsorganisationen wie "Medica mondiale" in Köln. Deren Chefin Monika Hauser sagt im Gespräch mit der Deutschen Welle:

"Das ist nichts ganz Neues, weil wir das eigentlich beobachten, seit 1999 die KFOR-Truppen im Kosovo stationiert worden sind. Parallel dazu wurden - von mafiösen Strukturen - Zwangsbordelle auf dem ganzen Balkan installiert. Und dort werden Frauen - man muss eigentlich schon sagen: Mädchen, weil immer jüngere Mädchen dort angeboten werden - zur Verfügung gestellt, sowohl Helfern von humanitären Organisationen als auch natürlich den internationalen Soldaten."

"Medica mondiale" unterstützt eine Einrichtung in Djakovica im Süden des Kosovo. Monika Hauser sagt, dass die Geschichten der Frauen, die zur dortigen gynäkologischen Praxis oder zur psychologischen Beratung kämen, ihre Vorwürfe bestätigten: dass nämlich junge Mädchen gekidnappt oder unter falschen Versprechungen in die Bordelle geschafft und unter sklavenhaften Bedingungen eingesperrt, vergewaltigt und misshandelt wurden:

"Wir sprechen von Bordellen, wo die Frauen Gitter vorm Fenster haben und ein Schloss vor der Tür. Sie haben überhaupt keine Chance raus zu gehen. Und das ist für die Freier erkennbar. Es kann keiner, der dahin geht, behaupten, er hätte nicht bemerkt, dass das wirklich sehr junge Mädchen sind, dass sie in einer desolaten persönlichen Situation sind und dass sie sich wie in einem Gefängnis befinden."

Die Behauptungen von "Medica mondiale" werden auch von der Nichtregierungsorganisation "Amnesty international" und der UN-Frauenorganisation UNIFEM bestätigt. In einem Bericht zu Frauenhandel im Kosovo stellte "Amnesty" Anfang Mai diesen Jahres fest, die NATO-geführte KFOR und die UN-Mission im Kosovo seien für den sexuellen Missbrauch von Frauen mitverantwortlich. Die deutsche "Amnesty"-Sektion beklagt unter Berufung auf einen UNIFEM-Bericht, dass auch die Bundeswehr-Soldaten zu Zwangs-Prostruierten gingen.

Auch Monika Hauser hat solche Geschichten vor Ort gehört:

"Ein UN-Polizist hat mir einmal in Pristina gesagt, dass sie vor allem auch deutsche Soldaten in Bordellen antreffen."

Auf Anfrage der Deutschen Welle wiegelt die UN-Verwaltung im Kosovo jedoch ab: In der schriftlichen Antwort heißt es, in nur wenigen Fällen seien internationale Mitarbeiter in den Bordellen angetroffen worden. Gegen sie habe man dann auch strenge disziplinarische Maßnahmen ausgesprochen. Zu Nationalitäten oder Funktionen macht die UNMIK allerdings keine Angaben.

Die KFOR in Prishtina verweist an das Bundesverteidigungsministerium in Berlin. Der

dortige Pressesprecher Udo Schnittger bestätigt, dass die Vorwürfe der Bundeswehr bekannt seien, weist aber darauf hin, dass der Ursprung dieser Vorwürfe mehrere Jahre zurückliege. Das Verteidigungsministerium habe umfangreiche Untersuchungen veranlasst, die jedoch ergeben hätten, dass die Vorwürfe falsch seien, so Schnittger:

"Uns liegen hier keine Erkenntnisse über den Besuch von den im Einsatz befindlichen deutschen Soldaten in Bordellen vor. Und für den Zeitraum, um den es hier geht, - und übrigens auch heute noch - ist es den Soldaten des deutschen Einsatzkontingentes schlicht untersagt, während der dienstfreien Zeit das militärische Lager zu verlassen. Und während des Dienstes - also außerhalb der Lager - sind die Soldaten aufgrund der Auftrags- und Sicherheitslage so eng eingebunden, dass ihnen gar keine Gelegenheit bliebe, diese Bordelle aufzusuchen."

Trotz der Aussagen Schnittgers bleibt die Chefin von "Medica mondiale" bei ihren Vorwürfen, dass deutsche Soldaten immer noch Kunden der Zwangsprostituierten auf dem Kosovo seien. Und Monika Hauser behauptet auch, dass es bei der deutschen KFOR-Truppe in Prizren Mitarbeiter gebe, die unter der Bedingung, anonym zu bleiben, dies auch bestätigten.

Die UN-Mission in Pristina betont hingegen, sowohl die internationale als auch die lokale Kosovo-Polizei seien schon vor drei Jahren angewiesen worden, stärker gegen Prostitution und Menschenhandel vorzugehen. So seien nur im letzten Jahr mehr als 2.000 Razzien in Bars und Nachtclubs durchgeführt und fast 70 Personen festgenommen worden. (fp)