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Bibliothek im Archiv der Erde

29. Dezember 2003

Eis, Forscher und Pinguine sind als Inventar der Antarktis durchaus geläufig, eine Bibliothek nicht. Der Künstler Lutz Fritsch will dies nun ändern.

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Station Neumeyer, Antarktis: <br>noch ohne BücherBild: AWI Archiv

Schnee und Eis, soweit das Auge reicht: Das ist der Ausblick von der deutschen Forschungsstation "Neumayer" im nördlichen Weddellmeer der Antarktis - wenn man denn was sieht. Mehrere Monate im Jahr herrscht nämlich absolute Dunkelheit.

In einer der unwirtlichsten Gegend des Planeten erforschen Menschen das Klima. Jahrtausende altes Eis verrät den Antarktis-Forschern alles über die Wetterverhältnisse längst vergangener Zeitalter. Klimaforschern und Geologen gilt die Antarktis daher als das Archiv der Erde. Funktionale Wissenschaft und die kühle Technik der tief im ewigen Eis vergrabenen Station bestimmen das Leben. Hier, zwischen Neonröhren und Messgeräten, scheint es für Kunst und Literatur keinen Platz zu geben.

Grass und Wolf auf der "Polarstern"

Genau dort will der Kölner Künstler Lutz Fritsch seine "Bibliothek im Eis" eröffnen und zu einer literarischen Expedition einladen. Fritsch sammelt hierzu 1000 Bücher von prominenten Wissenschaftlern und Künstlern. Gestiftet haben bereits Schriftsteller wie Günter Grass, Christa Wolf und der Filmregisseur Tom Tykwer. Der Eisbrecher "Polarstern" hat inzwischen einen Spezialcontainer für die Bibliothek in die Antarktis gebracht, die Bücher sollen im kommenden Jahr folgen.

Station Neumeyer
Karte der Antarktis mit Hervorhebung der deutschen Forschungsstation Station Neumeyer. Quelle: BGRBild: BGR

Bildhauer Fritsch will einen Gegenpol zur Nüchternheit der Forschungsstation setzen: "Alles, was hier zu viel ist, tritt erst dort, fernab der Zivilisation, ins Bewusstsein", sagt der Künstler. Er hat selbst schon zwei längere Aufenthalte in der Antarktis hinter sich und möchte mit der Bibliothek einen "Ort des Sinnierens im Eis über die schnelle, hektische Welt zu Hause" schaffen.

Kirschholzregal und Ledersofa

Seit Anfang Dezember 2003 steht der gegen die schneidende Kälte isolierte Spezialcontainer bei der "Neumayer"-Station. Mit seinen grünen Außenwänden und dem rosafarbenen Dach leuchtet er wie ein bunter Holzbauklotz und bildet einen starken Kontrast zur Eintönigkeit seiner Umgebung. Das Innere lädt Gäste zum Verweilen und Nachdenken ein: Kirschholzregale und das braune Ledersofa verströmen Wärme und Behaglichkeit. Ein kleines Fenster über dem Lesetisch gibt den Blick frei auf die endlose Eiswüste und den leeren Horizont.

Testmessungen in der Umgebung der Neumayer-Station
Die Stationen waren mit Mikrobarographen zur Messung kleinster Luftdruckänderungen ausgestattet. Zusätzlich wurden Windgeschwindigkeit und Windrichtung gemessen, um den Einfluss des Windes auf das Hintergrundrauschen zu untersuchen. Foto: BGR, 2003Bild: BGR

Die Bücherspender bat Fritsch, ein Werk auszusuchen, das nach ihrer Meinung besonders gut zur Ausnahmesituation der Stationsbewohner passt. Im langen, dunklen Polarwinter sind sie monatelang nur über Funk und Satelliten mit der Außenwelt verbunden. Günter Grass wählte seinen Roman "Hundejahre", Tom Tykwer den beziehungsreichen Roman von Peter Hoeg "Der Plan von der Abschaffung des Dunkels".

Unterstützt wird das Kunstprojekt im Eis vom Bremerhavener Alfred- Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI), das den Container stellt und für die Transporte sorgt. Die Einrichtung der Bibliothek will Fritsch über eine Sonderedition von Aluminium-Buchstützen finanzieren. Für 1000 Euro erhält der Käufer ein Exemplar mit der Gravur "Bibliothek im Eis", das Gegenstück mit dem Namen des Spenders wird seinen Platz im Lesecontainer finden. (sams)