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Die Deutsche Schule Kairo

Christiane Wolters18. Juni 2008

Verständnis und Respekt für das Fremde? Nicht nur frommer Wunsch an der Deutschen Evangelischen Oberschule Kairo (DEO), sondern Alltag und Notwendigkeit. Und der Beweis, dass Begegnung sich lohnt.

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Schulhof der Deo morgens vorm Schüleransturm (Foto: DW)
Die Ruhe vor dem SturmBild: DW

Wie sehen "Hoffnungsträger" aus? Vielleicht genau wie die Schüler der Jahrgangsstufe zwölf, die gerade zwischen schriftlichen und mündlichen Abiturprüfungen stecken und müde sind, so kurz vor Abschluss ihrer Schullaufbahn.Trotzdem sprechen sie hier im Religionsunterricht ernsthaft und konzentriert über ihren Glauben.

Religion ist Pflicht

"Es gibt viele Parallelen zwischen meiner Religion und dem Christentum", sagt Hassam, 18 Jahre alt und Muslim: "Wenn ich nichts über die Religion von jemandem weiß, kann ich auch nicht mit ihm diskutieren, weil ich immer wieder auf meine eigene Meinung zurückfalle. Das bringt einen ja nicht weiter." Und weiterkommen soll Hassam einmal – genau wie seine Mitschüler an der Deutschen Evangelischen Oberschule Kairo.

Kinder auf dem Pausenhof (Foto: DW)
Jeden Morgen sammeln sich die jüngeren Schüler zum Singen der NationalhymneBild: DW

"Kooperativer Religionsunterricht" heißt die Religionsstunde. Sie wird gemeinsam von einem muslimischen und einem christlichen Lehrer erteilt. Der Unterricht ist Pflicht für alle Schüler der Klassen elf und zwölf – egal, welcher Religion sie angehören; auch konfessionslose Schüler müssen teilnehmen.

Das kann nicht gut gehen

Eigentlich scheint es nur folgerichtig, dass das Konzept für solch einen Unterricht ausgerechnet in einer Stadt wie Kairo ersonnen wurde, wo der Islam schon allein durch den Gebetsruf der Muezzine allgegenwärtig ist, wo aber auch Judentum und Christentum über die Jahrhunderte ihre Spuren im Stadtbild verewigt haben. Dennoch stieß die Idee zunächst auf Skepsis. "Gerade die Schüler hatten große Bedenken", erinnert sich Religionslehrer Hermann-Josef Müller. In anderen Fächern habe es bei religiösen Themen oft harte Diskussionen gegeben. "Als die Schüler dann von den Plänen für den kooperativen Religionsunterricht hörten, haben viele gesagt: Das kann nicht gut gehen". Ging es aber doch.

Die Bedeutung von Jesus

Sandwichverkauf an der DEO (Foto. DW)
Schüler verkaufen geschmierte Brote für einen guten ZweckBild: DW

Natürlich - diskutiert wird immer noch, mitunter auch heftig, aber: "Wir passen immer auf, dass wir den anderen nicht verletzen." Das sagt Schülerin Riem, die Muslima ist und für die ihre Religion bei den "Prioritäten im Leben ganz vorne steht". Ihre beste Freundin ist Deutsche und Christin und Riem hört aufmerksam zu, wenn ihre christlichen Mitschüler erklären, welche Bedeutung Jesus in ihrer Religion hat. "Es geht nicht darum, jemanden zu überzeugen", sagt Hermann-Josef Müller. "Aber im Dialog zu sein ist sehr wichtig."

Der reichste Mann Ägytens

Der kooperative Religionsunterricht ist mittlerweile zu einem Aushängeschild der DEO geworden. Einem weiteren, muss man eigentlich sagen. Denn die 1873 gegründete Schule - die älteste deutschsprachige Einrichtung in Ägypten - ist fast so etwas wie ein Mythos. Der speist sich zum einen daraus, dass viele bekannte und einflussreiche Persönlichkeiten auf der DEO die Schulbank drückten wie etwa Samih Sawiris, einer der reichsten Männer Ägyptens. Zum anderen aber auch aus den Werten, die hier vermittelt werden und der Art des Unterrichts, der sich von dem ägyptischer Schulen grundlegend unterscheidet.

Legendär ist auch das Netzwerk der Ehemaligen, das sich über die ganze Welt spannt. "Egal, in welches Land man geht – meistens ist jemand von der DEO schon in der Nähe und man hat sofort einen Kontakt", sagt eine Ehemalige, die inzwischen in Deutschland lebt. Kein Wunder, dass die Plätze an der DEO heiß begehrt sind und die Kinder ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren durchlaufen müssen, um angenommen zu werden. In der Mehrheit sind es Angehörige der besseren Kreise, die ihre Kinder hierher schicken.

Lernen auf dem Pulverfass

Klassenzimmer in der Deutschen Schule Kairo (Foto: DW)
Religionen bunt gemischt im kooperativen UnterrichtBild: DW

"Vielfalt in ein harmonisches Ganzes zu bringen" – das sei die größte Herausforderung an der DEO, sagt Direktor Rupert Baab. Rund 1200 Schüler gibt es hier und 120 Lehrer. Ägypter und Deutsche, von denen manche lange im Land bleiben, andere nur eine Zwischenstation einlegen. Muslime und Christen – katholische, protestantische und koptische – und wieder andere, die an gar nichts glauben. Und das alles mitten in einer Stadt, die mit ihrer schieren Größe und ihren Gegensätzen jedes Maß zu sprengen scheint. Noch dazu in einer Region, für die Geostrategen gerne das Wort "Pulverfass" verwenden und seit Jahrzehnten das entschärfende Patentrezept suchen. "Eigentlich dreht sich doch das ganze Leben um das Verständnis von Religionen und anderen Leuten", sagt die 18-jährige Dorothee wie selbstverständlich. Hoffnungsträger? Warum eigentlich nicht.