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Kritik an Verlängerung des Ausnahmezustands in Frankreich

17. November 2005

Die französische Regierung stößt mit ihrer geplanten Verlängerung des Ausnahmezustandes auf wachsende Kritik. Immer deutlicher wird, dass brennende Autos in Frankreich nachts keine Ausnahme, sondern die Regel sind.

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Nachts brennen durchschnittlich 100 AutosBild: AP

Gegen den Widerstand der linken Opposition hat die französische Nationalversammlung am Dienstag (15.11.2005) der Verlängerung des Notstandsrechtes um drei Monate zugestimmt. Erstmals traten auch die Sozialisten wie Kommunisten (KPF) und Grüne gegen die Sonderbefugnisse für die Regierung an.

Klares Ergebnis

Die Entscheidung im Parlament war Dienstagabend angesichts der klaren Mehrheit der Regierungspartei UMP mit 346 gegen 148 Stimmen eindeutig. Nach der am Mittwochabend erwarteten Zustimmung des Senats kann die Regierung damit bis zum 21. Februar 2006 weiter Ausgehverbote für Jugendliche in Problemvierteln durchsetzen. Auch im Senat haben die Sozialisten am Mittwoch (16.11.) gegen die Vorlage gestimmt, konnten sie jedoch auch hier nicht verhindern.

Es gebe auch ohne das Notstandsrecht ein ausreichendes juristisches Arsenal, um gegen Unruhestifter vorzugehen, sagte der Fraktionschef der Sozialisten in der Nationalversammlung, Jean-Marc Ayrault. Er zeigte sich zudem skeptisch angesichts der Ankündigung von Staatspräsident Jacques Chirac, Jugendlichen aus Problemvierteln einen freiwilligen Bürgerdienst als Vorbereitung auf das Arbeitsleben anzubieten.

Zurück in der Öffentlichkeit

Der französische Staatspräsident Jacques Chirac äußert sich erstmals zu den Krawallen in Frankreich
Chiracs Pläne stoßen auf Kritik (Archivfoto)Bild: AP

Präsident Chirac hatte am Montagabend die Schaffung eines freiwilligen Zivildienstes, der auch "Bürgerdienst" genannt wird, ankündigt. Es war die erste TV-Ansprache Chiracs, der Anfang September einen leichten Schlaganfall erlitten hatte, seit Beginn der Unruhen.

Mit dem Programm soll nach Chiracs Worten 50.000 Jugendlichen aus Problemvierteln geholfen werden. Er bescheinigte den Jugendlichen eine Identitätskrise und soziale Probleme. Gleichzeitig verteidigte er aber die Verlängerung des Notstandsrechts um drei Monate, damit das Gesetz wieder geachtet werde. Das Programm sieht auch die Ausweitung der berufsvorbereitenden Ausbildung bei Militär und Polizei, mehr befristete Jobs unter Aufsicht der Arbeitsagentur ANPE und eine höhere Zahl bezahlter Nachbarschaftsvolontariate bei Sozialorganisationen vor.

Trauriger Alltag

Seit dem Beginn der Unruhen am 27. Oktober wurden der offiziellen Bilanz zufolge bislang mehr als 2800 Menschen vorübergehend festgenommen. Über 8800 Fahrzeuge von Bussen und Autos bis hin zu Motorrädern gingen in Flammen auf. Außerdem wurden Brandsätze auf Polizeistationen, Schulen und Kindergräten geschleudert.

Schon vor den Unruhen wurden in diesem Jahr allein 9000 Polizeifahrzeuge angegriffen; diese Zahl nannte der umstrittene Innenminister Nicolas Sarkozy der Tageszeitung "Le Monde" (Ausgabe vom 25. Oktober). "Jede Nacht gibt es zwischen 30 und 40 verbrannte Fahrzeuge." Der französische Geheimdienst schätzt die durchschnittliche Zahl der Fahrzeug-Brandstiftungen in normalen Zeiten auf 2800 pro Monat. Dies entspricht knapp 100 Autos jede Nacht - wobei die Behörden neben eher ruhigen Durchschnittsnächten stets auch traurige Höhepunkte verzeichnen wie an Wochenenden oder etwa in den Neujahrsnächten, bei denen allein in Straßburg und dem übrigen Elsass in vergangenen Jahren jeweils Dutzende Autos angezündet wurden. Die jüngste Gewaltwelle dürfte die Statistik deutlich beeinflussen: Bei den schwersten Ausschreitungen in der Nacht zum 7. November brannten 1408 Fahrzeuge. (mas)