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Frieden in Sicht?

Vanessa Fischer16. Juli 2003

Zum ersten Mal seit 27 Jahren scheint eine Lösung im Konflikt um die Westsahara zum Greifen nah. Überraschend hat die Befreiungsbewegung Polisario einem Kompromissvorschlag der UNO zugestimmt.

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Hoffen auf die UNO: Saharaui-Frauen im Flüchtlingslager Smara, 1998Bild: AP

Der "Dritte Weg" des UN-Sondervermittlers und ehemaligen US-Außenministers James Baker ist ein Weg der Mitte. Keine Unabhängigkeit aber auch kein endgültiger Anschluss der Westsahara an Marokko. Nach dem Vorschlag Bakers soll der Landstrich von der Größe der alten Bundesrepublik in einer Übergangsphase den Status einer weitgehend autonomen Provinz innerhalb Marokkos erhalten.

Spätestens in fünf Jahren soll die Bevölkerung in einer Volksabstimmung über ihre Zukunft entscheiden: Drei Möglichkeiten stehen dann zur Wahl: Die endgültige Zugehörigkeit zu Marokko, die völlige Unabhängigkeit oder die Fortsetzung der Autonomie.

Bisher hatte die für die Unabhängigkeit der Westsahara kämpfende Befreiungsbewegung, Frente Polisario, dieses Modell stets abgelehnt. Für sie kam nur eine Lösung in Frage: Die völlige Abkopplung von Marokko, das den Wüstenstreifen an der Atlantikküste seit 1975 besetzt hält. Kurz nach dem Rückzug der Spanier aus ihrer früheren Kolonie, waren hunderttausende marokkanische Soldaten in die damals noch "Spanische Sahara" einmarschiert.

Die marokkanischen Truppen gingen hart gegen die Bevölkerung, die Saharauis, vor. Mehr als die Hälfte von ihnen floh in das algerische Grenzgebiet, wo bis heute 200.000 Saharauis in den Zelten des Flüchtlingslagers Smara unter ärmlichsten Bedingungen leben.

UNO: 13 Jahre erfolglos

Ihr plötzliches Einlenken auf den Kompromisskurs der Vereinten Nationen begründet die Polisario jetzt offiziell mit dem "nachhaltigen Wunsch verschiedener Länder im Sicherheitsrat". Gemeint ist vor allem Spanien, zur Zeit temporäres Mitglied im Sicherheitsrat, das sich gegenüber den Saharauis in einer historischen Verantwortung sieht.

Zweifellos ist der Wunsch aber auch unter den anderen Mitgliedern des wichtigsten Gremiums der UNO groß, beim Thema Westsahara endlich Fortschritte zu erzielen. Denn seit 1991, als die UNO einen Waffenstillstand zwischen Marokko und der Frente Polisario aushandelte, bemüht sich die UN-Friedensmission Minurso erfolglos um eine Lösung des Konfliktes. Deshalb muss das Mandat für die UN-Blauhelme im Sicherheitsrat alle paar Monate verlängert werden. Bisher flossen über 600 Millionen Dollar in die Initiative.

Wer darf abstimmen?

Ein Kernpunkt des Waffenstillstandabkommens vor 13 Jahren war die Vorbereitung einer Volksabstimmung über die Zukunft der Westsahara. Fünf Termine für ein Referendum hat es bereits gegeben. Keiner davon ist zu Stande kommen, weil Marokko schon das Wahlverfahren an sich ablehnte. Die Frage ist nämlich, wer überhaupt abstimmen darf.

Die Saharauis wollen alleine entscheiden. Marokko ist dagegen. Die Regierung in Rabat hat 27 Jahren daran gearbeitet, in der Westsahara durch Umsiedlungen vollendete Tatsachen zu schaffen. Nach Aussagen des Vorsitzenden der Polisario, Mohamed Abdel-Aziz, leben inzwischen 400.000 Marokkaner in der Westsahara - mehr als die saharauische Bevölkerung insgesamt. An der künftigen Volksabstimmung, so Bakers Plan, sollen sich diejenigen beteiligen dürfen, deren Familien aus der Westsahara stammen sowie jene, die seit 1999 dauerhaft in der Region leben.

Richtungswechsel und Schachzug

Auch die Frente Polisario hat inzwischen erkannt, dass es ein Referendum unter den jetzigen Umständen nicht geben wird. Und so lange sich nichts ändert, hängen die Saharauis weiterhin am Tropf von Regierungsorganisationen und Solidaritätsgruppen.

Nun hat sich die Polisario zu einem Richtungswechsel entschieden, der gleichzeitig ein Schachzug ist. Mit ihrem Ja zur autonomen Provinz innerhalb Marokkos liegt der Ball jetzt im marokkanischen Feld. Rabat trifft diese 180-Grad-Wende ziemlich unvorbereitet. Die Regierung hat schon angedeutet, Bakers "Dritten Weg" abzulehnen. Doch der Druck der UNO ist inzwischen groß und auch für Frankreich, dass die harte Linie Rabats bisher immer unterstützte, dürfte es nunmehr schwierig werden, ein Nein Marokkos mit zu tragen.