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Wer ist Ahmed Chalabi?

Peter Philipp 12. April 2003

Als möglicher Chef einer irakischen Nachkriegsregierung wird derzeit Ahmed Chalabi gehandelt. Doch der Exil-Iraker ist auch in der US-Regierung umstritten. Zudem ist der Ex-Bankier wegen Betrugs verurteilt.

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Als Redner in NasirijaBild: AP

Es stellte im Irak noch nie ein Problem dar, jubelnde Volksmassen für die eine oder andere "Sache" zu organisieren: Für oder gegen Saddam, für oder gegen die Amerikaner. Und jetzt für Ahmed Chalabi, einen leicht ergrauten 58-Jährigen, der sich – immer mit frisch gebügeltem Hemd – anschickt, die Macht im Irak zu übernehmen. Wenn die Amerikaner ihn lassen – die ihn ja immerhin schon in den Südirak geflogen haben, wo der Vorsitzende des Irakischen Nationalkongresses (INC) seinen eigenen "Marsch auf Bagdad" begonnen hat.

Ein unbeschriebenes Blatt für viele Iraker

Ob die Unterstützer wissen, wen sie da bejubeln, bleibt dahingestellt. Der Heimkehrer entstammt einer einflussreichen schiitischen Familie, der Großvater war mehrere Male Minister, der Vater Senatspräsident und die Chalabis standen dem von den Briten eingesetzten haschemitischen Königshaus nahe. Als der junge König Faisal 1958 gestürzt und mit seiner gesamten Familie ermordet wurde, floh Chalabi – damals knapp 13 Jahre alt – ins Ausland. Für die meisten Iraker dürfte er deswegen ein unbeschriebenes Blatt sein. Obwohl er gerade dies eigentlich nicht ist - zumindest nicht, was seine Aktivitäten im Ausland angeht.

Ahmed Chalabi Irakischer Oppositionspolitiker
Ahmed ChalabiBild: AP

Wie so viele Flüchtlinge verschlug es auch Chalabi zunächst von einem Land ins nächste: Jordanien, Libanon, Großbritannien, USA. In den Vereinigten Staaten studierte er Mathematik, promovierte und übernahm später einen Lehrauftrag in Beirut. Von den jordanischen Haschemiten wurde er dann 1977 ins Land geholt, um die Petra Bank zu führen und zu einem der größten Geldinstitute des Landes zu machen.

70 Millionen verschwundene US-Dollar

Die Erfolgsgeschichte endete im Eklat: 1989 stellte man Veruntreuungen größeren Stils fest, der Staat musste die Bank durch heftige Finanzspritzen retten und Chalabi floh. In Abwesenheit wurde er später zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt. Diese Strafe hat er nie antreten müssen. Stattdessen ließ er es sich im Ausland gut gehen – mit ihm waren auch rund 70 Millionen US-Dollar verschwunden.

Chalabi fand rasch ein neues Betätigungsfeld: Mit Hilfe seiner neokonservativen Kontakte in den USA fand er schnell Unterstützung in den richtigen Kreisen. Unterstützung für den Plan, eine schlagkräftige irakische Exil-Organisation aufzubauen, die Saddam Hussein entmachten und ablösen sollte. 1992 gründete Chalabi mit Gleichgesinnten den INC und sicherte sich die finanzielle Unterstützung der USA. Zunächst beim inländischen US-Geheimdienst CIA (Central Intelligence Agency) - und als dieser misstrauisch einen Rückzieher machte – bei der amerikanischen Regierung.

Fehleinschätzungen

Saddam Hussein Denkmal gestürzt in Bagdad
Iraker mit einem gestürzten Saddam-Denkmal am 9.4.2003 in BagdadBild: AP

Chalabis Hauptziel war schon früh, die USA in einen militärischen Konflikt mit dem Irak hineinzuziehen. Er bot sich und seine Organisation als Verbündete vor Ort an – wobei er seine eigene Stärke maßlos überschätzte. Zudem verkannte er, dass Washington sich zu jener Zeit auf die Eindämmung von Saddams Macht und das unwirksam machen seiner Massenvernichtungswaffen beschränkte, nicht aber den Sturz des Machthabers vorantrieb.

Fünf Jahre nach dem Kuwait-Krieg von 1991 versuchte Chalabi dennoch sein Glück: Mit knapp 1000 Bewaffneten begann er einen Kleinkrieg im Nordirak, der aber sehr schnell im Fiasko endete, auch weil Washington ihm nicht zu Hilfe eilte. Seitdem entzog der CIA ihm seine finanzielle Rückendeckung. Doch da es Chalabi danach gelang, die bis dahin eher miteinander verfeindeten Exil-Gruppen an einen Tisch zu bringen, stieg sein Stern in Washington wieder. Erst recht, nachdem Chalabi sich klar und offen mit Scharfmachern der Bush-Regierung liierte und diesen versprach, dass die amerikanischen Öl-Multis unter seiner Regierung vorteilhafte Geschäfte im Irak tätigen könnten. Noch glaubt Chalabi, dass ihn das für Washington besonders attraktiv macht. Dies könnte sich jedoch als eine der ersten ernsthaften Fehleinschätzungen des Ex-Bankiers herausstellen.