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Ein Macher für Bagdad

Steffen Leidel16. April 2003

Der ehemalige US-General Jay Garner soll die zivile Übergangsregierung im Irak leiten. Er gilt als umgänglicher Macher-Typ. Ein Porträt.

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Wunschkandidat der USA: Ex-General Jay GarnerBild: AP

Der Anruf aus dem US-Verteidigungsministerium Pentagon kam, als Jay Garner auf dem Bootssteg seiner Millionenvilla in Windermere, Florida, saß. Es meldete sich sein Freund Donald Rumsfeld. Der bat Garner, das Amt für Wiederaufbau und humanitäre Hilfe (ORHA) zu leiten. Der 64-Jährige zögerte nicht lange. "Ich habe einen kleinen Job für Donald Rumsfeld zu erledigen", sagte er zu Freunden und machte sich auf nach Kuwait.

Die Anekdote hat Garner einer Lokalzeitung in Florida erzählt, sie soll sich im Januar zugetragen haben. Das, was dem pensionierten General bevorsteht, ist natürlich mehr als ein "kleiner Job". Im Pentagon spricht man eher vom "härtesten Job auf Erden". Garner soll ein physisch und psychisch zerstörtes Land mit 23 Millionen Einwohnern auf den Weg zur Demokratie bringen.

"Nennt mich Jay"

Der Ex-General ist der Wunschkandidat von Rumsfeld und US-Vizepräsident Dick Cheney. Er sei bestens geeignet aufgrund seiner Erfahrungen im Golfkrieg von 1991. Damals war er verantwortlich für die humanitäre Hilfe und die Errichtung einer Schutzzone für die Kurden im Nord-Irak. Wie einen Helden feierten diese den General, als er im Juni 1991 als letzter Amerikaner den Norden des Landes verließ.

Die Situation ist heute freilich anders. Damals stand Garners Mission unter einem UN-Mandat und die Amerikaner wurden wesentlich freundlicher empfangen, als in diesem Krieg. Die Vereinten Nationen äußern sich weniger überschwänglich über Garner, auch wenn sie in ihm einen "kompetenten Administrator und Logistiker" sehen. Unter Kollegen und Freunden gilt der Ex-General als "Macher", bodenständig aber umgänglich: "Nennt mich einfach Jay", sagt er gerne.

Verflechtung mit Rüstungsindustrie

Garners Ernennung ist jedoch umstritten. Mit Wiederaufbau hat der Drei-Sterne-General nicht viel Erfahrung. Sein Spezialgebiet sind Raketensysteme. Nach seinem Einsatz im Vietnam-Krieg war Garner im Pentagon für Raketentechnik und Terrorabwehr zuständig, und arbeitete auch am Raketenabwehrprogramm "Star Wars" von Ronald Reagan mit. Im Golfkrieg 1991 kümmerte er sich um die Stationierung von Patriot-Abwehrraketen in Israel.

Die Kritik an Garners Ernennung basiert vor allem auf seinen Verbindungen zur Rüstungsindustrie. Nach 38 Jahren in der Armee wurde Garner 1997 zunächst Vorstandsvorsitzender der Rüstungsfirma SY Technology – für die auch Rumsfeld arbeitete – und später Chef von SY Coleman. Im vergangenen Jahr wurde Coleman von L-3 Communications gekauft. Es birgt einen gewissen Zynismus, dass ausgerechnet L-3 Communications, Systeme für die Präzisionssteuerung von US-Raketen herstellt, die irakische Städte zerstört haben. Und die Garner nun wieder aufbauen lassen soll.

Umstrittene Äußerungen

Großes Misstrauen ruft Garner auch in der arabischen Welt hervor. Vor drei Jahren unterzeichnete er zusammen mit anderen US-Generälen eine Erklärung, in der die israelische Armee für ihre "bemerkenswerte Zurückhaltung" im Umgang mit dem Aufstand der Palästinenser gelobt werde. Hinter diesem Statement stand das rechtsgerichtete Jewish Institute for National Security (JINSA).

Trotz aller Kritik gibt sich Garner zuversichtlich. Zunächst wird er die Führung von 23 irakischen Ministerien übernehmen. Für wie lange ist unklar. "Wir werden uns in etwa 90 Tagen um unseren eigenen Job bringen", sagte Garner kurz vor Beginn seiner Arbeit – eine sehr optimistische Prognose.