1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gutes Zeichen

25. März 2003

- General Norac in Kroatien wegen Kriegsverbrechen verurteilt / Von Bettina Burkart

https://p.dw.com/p/3Qeb

Köln, 24.3.2003, DW-radio

Ein Gericht im kroatisches Rijeka hat am Montag (24.3.) Ex-General Mirko Norac wegen Kriegsverbrechen an serbischen Zivilisten zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Sein zeitweiliger Stellvertreter Tihomir Oreskovic, der damals jedoch keinen formellen Posten in der Armee innehatte, muss für 15 Jahre hinter Gitter; der Mitangeklagte Stjepan Grandic erhielt eine Strafe von zehn Jahren; der vierte Angehörige der so genannten "Gospic-Gruppe" wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Mit Norac wurde der bisher ranghöchste kroatische Offizier wegen Kriegsverbrechen verurteilt.

Und es geht doch. Nach dem Debakel des Prozesses um das Gefangenenlager "Lora", bei dem im November vergangenen Jahres sämtliche Angeklagten freigesprochen worden sind, ist das Urteil von Rijeka eine erfreuliche Nachricht für die kroatische Justiz. Der Lora-Prozess hatte ein Ausmaß von Verdunkelung, Einschüchterung von Zeugen, Verschwinden von Belastungsmaterial, Äußerungen des Richters zu Gunsten des Angeklagten umfasst, dass es ein ausgesprochen düsteres Bild auf die kroatische Gerichtsbarkeit geworfen hatte. Danach stand eindeutig die Frage im Raum, ob es das Haager Tribunal weiter gestatten könne, Kriegsverbrecherprozesse im Land selbst durchführen zu lassen.

Als sich General Norac im Februar 2001 der Polizei stellte, erlaubte das Haager Tribunal die Prozessführung in Kroatien. Damals gingen - wie in anderen Fällen auch - 100.000 Menschen auf die Straße, um für den Helden aus dem so genannten "großen vaterländischen Verteidigungskrieg" zu demonstrieren. Eine große Anzahl Kroaten - übrigens nicht nur aus dem rechten politischen Lager - sind nach wie vor felsenfest der Meinung, dass die Angehörigen der kroatischen Armee keine Kriegsverbrechen begangen haben können, da sie ja nur ihr Land verteidigt und wieder von den Besetzern befreit hätten.

Angesichts dieser Haltung vieler ihrer Landsleute und auch der versuchten Einflussnahme auf den Verlauf der Verhandlung ist es der Richterin Ika Saric hoch anzurechnen, dass sie so klare Worte gefunden hat. Sie sprach von einem "Regime des Terrors, das 1991 in der Stadt Gospic herrschte", und prangerte auch die "Konspiration des Schweigens" an, die die Verbrecher so lange geschützt hatte. Das erfordert auch heute in Kroatien noch Mut und sehr viel persönliche Integrität.

So gibt es jetzt ein neues Teilchen im Puzzle des kroatischen Umgehens mit der Kriegsvergangenheit. Auf der einen Seite: die in der Bevölkerung weit verbreitete Ansicht, dass jeder kroatische Kämpfer per se ein Held sei und nie ein Kriegsverbrecher gewesen sein könne. Auf der anderen Seite: eine Regierung, die sich immer wieder deutlich zu ihrer Verpflichtung der Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal bekennt, dabei aber eine äußerst hinhaltende Haltung zeigt. Angeblich weiß sie nicht, wo sich der seit Jahren untergetauchte General Ante Gotovina befindet, andererseits hat sie mit allen legalen Tricks eine Auslieferung des ebenfalls wegen Kriegsverbrechen angeklagten Generals Janko Bobetko abgewendet. Die Regierung war im Sommer 2001 wegen der Auslieferung von General Rahim Ademi - der sich übrigens freiwillig in Den Haag einfand - fast gestürzt worden. Und auch die Auseinandersetzung um General Bobetko im vergangenen Jahr führte wieder zu einer prekären Situation für die Regierung von Ivica Racan und zeigte, wie heiß dieses Thema noch lange sein wird.

Anderseits hat Zagreb sich um den Kandidaten-Status in der EU beworben und fährt seit Monaten eine Werbekampagne in ganz Europa für dieses Ziel. Sie muss wissen - und sie weiß es auch -, dass gerade ihr Verhalten in dieser Frage ein Parameter für die EU ist.

Die Proteste nach dem Urteil sind in Kroatien bisher verhalten: keine Großdemonstrationen, auch die Äußerungen aller politischen Couleurs hielten sich im Rahmen. Das ist ein gutes Zeichen.

Nun sollten sich auch mehr Politiker ihrer Verantwortung bewusst werden und sich ein Beispiel an der mutigen Richterin in Rijeka nehmen. Sie sollten das Thema, dass auch in Kroatien während des Krieges Kriegsverbrechen verübt worden sind, offensiver aufgreifen und so allmählich auch die Öffentlichkeit mehr an diesen Gedanken gewöhnen.

Nur so kann man im übrigen mit gutem Recht die mangelnde Zusammenarbeit anderer Staaten mit dem Haager Tribunal beklagen. So zum Beispiel in Sachen Vukovar. Mehr als elf Jahre nach den Kriegsverbrechen in der ostkroatischen Stadt ist immer noch kein Urteil gegen die Verantwortlichen auf serbischer Seite gesprochen worden. (fp)