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Christine Nöstlinger

17. November 2011

Sie zählt zu den einflussreichsten Kinderbuch-Autorinnen im deutschen Sprachraum. Ihre Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Nun erhielt Christine Nöstlinger die CORINE 2011 als Auszeichnung für ihr Lebenswerk.

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Christine Nöstlinger (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Von der Christine Nöstlinger hab ich das erste Mal was gelesen, als ich zwanzig war. Damit war ich ziemlich spät dran. Das hatte damit zu tun, dass die Christine Nöstlinger gerade mit dem Kinderbuchschreiben angefangen hat, als ich mit dem Kindsein aufgehört habe. Weshalb wir uns also verpasst haben und ich erst Auszubildende im Buchhandel werden musste. Oder Lehrling, wie das damals noch hieß. Damals, als ich auch noch das "Fräulein" war, so dass ein jeder gleich wusste, die ist noch unter keiner Haube. Was mich nicht gestört hat, sehr wohl aber einige ältere Kolleginnen-Fräuleins, die gerne eine Haube gehabt hätten.

Immer doller

Internationaler Buchpreis Corine 2011 (Foto: Corine)
Der PreisBild: Corine

Ansonsten aber war es prima in der Buchhandlung. Vor allem in der Kinder- und Jugendbuchabteilung. Die war ziemlich groß und wurde von zwei hinterhältig agierenden jungen Frauen (Fräuleins) bestückt. Zwischen Märchen- und Pferde- und Bastelbüchern haben sie nämlich lauter freche und kritische Bücher ausgelegt, die ihre jungen Leser und Leserinnen dreist mit der Realität konfrontierten. Der Zeitgeist der 68 war das, im Kinderbuch, mitten in dieser braven Buchhandlung. Und ich hab gelesen, was das Zeug hielt, von Drogenkarrieren und Kriegskindern, über Verwahrlosung, Vereinzelung und erste Lieben.

So hab ich die Christine Nöstlinger kennengelernt. Und ich hab sie immer doller gemocht. Weil sie so wissend verschmitzt von den kleinen Bildern auf den Schutzumschlägen geguckt hat. Weil sie, die Wienerin, mich weltläufig werden ließ, wusste ich doch alsbald, was Paradeiser, ein Stiegenhaus und Fleckerlteppiche sind. Weil sie mir die Vergangenheit näher gebracht und immer so schöne Sätze geschrieben hat, vom dem Lieserl und der Carmen-Anna und vom Heimhüpfen und Tränen, die durch den Abfluss gluckern und von Schleifspuren durch Tulpenbeete. Und, ja, weil sie mir all diese unendlich klugen und wissenden und hintersinnigen und dabei tränentreibend komischen Geschichten geschenkt hat.

Mit dem Luki-live hab ich ein ganzes Wochenende auf dem Sofa gelegen und nachträglich Pubertätsqualen durchstanden, mit Rosa Riedl, dem lieben guten Schutzgespenst, Nastis Ängste vertrieben, und der Berti Bartolotti und der Kitty nach Kräften geholfen, aus dem Konservendosenmusterkind Konrad einen einigermaßen vorzeigbaren Menschen mit Charakter und eigenem Willen zu machen.

Nöstlinger 2003 auf der Frankfurter Buchmesse (Foto: dpa)
Christine Nöstlinger 2003 auf der Frankfurter BuchmesseBild: picture-alliance/dpa

Die Christine Nöstliner hat immer gewollt, dass Erwachsene auch etwas von ihren Geschichten haben. Und das hat sie prima hingekriegt, weil die Mütter und Väter und Omas und Opas oder Fräuleins wie ich sich ja schließlich auch irgendetwas gedacht haben bei den verqueren autoritären stinknormalen Familienkonstellationen, die ihnen da vorgesetzt wurden, bei den kleinen Gemeinheiten und den ganz fies normalen Ungerechtigkeiten, bei Ehekrisen und Schul-, Gewichts- oder Identitätsproblemen. Bei Sorgen und Nöten eben, die das Leben so mit sich bringt. Und von denen so herrlich schräg und kicherkomisch erzählt wird. Weshalb die Nöstlinger-Bücher ja nie nur einsam irgendwo verschlungen, sondern geteilt, vorgelesen und weiter getragen werden. Ziemlich viel hat man damit zu tun, denn die Christine Nöstlinger ist eine ganz ganz Fleißige, der immerzu was Neues eingefallen ist.

Mindestens 150 Bücher...

...hat sie schon geschrieben, die genaue Zahl kennt sie selber wahrscheinlich nicht. Und dabei schöpft sie immer aus ihrer eigenen Kindheit, was man aber gar nicht merkt, weil die Geschichten so modern und zeitlos daher kommen. Deshalb gilt sie zu Recht als die erfolgreichste deutschsprachige Kinderbuchautorin der letzten 30 Jahre und wurde nun, kurz nach ihrem 75. Geburtstag, mit der CORINE 2011 für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Das ist unbedingt einen Tusch aller kleinen und großen Fans wert. Herzlichen Glückwunsch, liebe Christine Nöstlinger! Und weiterhin alles alles Gute.

Autorin: Silke Bartlick
Redaktion: Gudrun Stegen