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Staudammpläne am Mekong bedrohen die Flussfischerei

17. November 2011

Noch versorgt der Mekong Millionen Menschen in Südostasien mit Wasser und Nahrung. Umstrittene Staudammprojekte könnten aber das Ökosystem des Stroms zerstören - und die Proteinversorgung vor allem der Ärmsten gefährden.

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Fischerboote bei Sonnenuntergang auf dem Mekong (Foto: dpa)
Das Leben auf der "Mutter aller Flüsse" könnte sich bald grundlegend verändernBild: picture-alliance/dpa

Die "Mutter aller Flüsse" fließt rund viereinhalbtausend Kilometer vom tibetischen Hochland an Birma vorbei nach Laos, Thailand, Kambodscha und mündet schließlich in Vietnam ins Südchinesische Meer. Rund 60 Millionen Menschen versorgt der Mekong mit Nahrung, Trinkwasser und Arbeit. Weit über tausend Fischarten leben im Mekong, darunter die zehn größten Süßwasserfische der Welt. Seine Artenvielfalt werde nur vom Amazonas-Gebiet überflügelt, erläutert Aviva Imhoff vom International River Network: "Es ist einer der letzten großen Flüsse der Welt, die immer noch weitgehend naturbelassen sind. Die Artenvielfalt und das gesamte Ökosystem sind noch intakt, weil es bisher wenige Baumaßnahmen am Fluss gab."

Artenvielfalt dank Ursprünglichkeit

Zu dieser Ursprünglichkeit gehört auch der endlose Kreislauf von Hoch- und Niedrigwasser, der den Menschen ihren Fisch liefert und ihre Felder düngt. Die Menschen seien daran gewöhnt, dass der Wasserpegel in der Regenzeit um bis zu fünfzehn Meter anschwillt, meint Eric Baran vom Worldfish Center. "Es ist keine Flut, die als Katastrophe empfunden wird, so wie wir es in Europa erleben, wenn die Flüsse über das Ufer treten. Hier passiert es jedes Jahr und die Menschen sind darauf eingestellt. Sie erwarten sogar die Flut, denn dadurch wird die Landwirtschaft wiederbelebt, die Fruchtbarkeit der Felder verbessert, die Fische wachsen und es gibt genügend Wasser."

Mann mit Fahrrad durchquert eine überflutete Straße (Foto: dpa)
Die Menschen am Mekong sind Hochwasser gewohnt, auch wenn die Lage 2011 besonders dramatisch istBild: picture alliance/dpa

Nach den Weltmeeren ist der Mekong der weltgrößte Fischgrund. Der Fluss liefert etwa zwei Prozent des weltweiten Fischfangs! Schätzungsweise 1,5 Millionen Tonnen Fisch werden jedes Jahr in dem Strom gefangen. Ein lukratives Geschäft, mit einem Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar. Der Fischfang versorgt die Menschen mit Arbeit und Nahrung - und er deckt weitgehend den Eiweißbedarf der Anwohner.

Gefahren durch Überfischung und Staudammbau

Der enorme Bedarf hat allerdings auch beim Mekong zu einer starken Überfischung geführt. Die Flussfischerei werde immer mühsamer und bringe immer weniger, beobachtet Martin Geiger, Süßwasserexperte der Umweltschutzorganisation WWF. "Die Größe der gefangenen Fische nimmt ab und der Aufwand, sie zu fangen, hat sich erhöht. Das ist ein wichtiger Indikator, dass die Fischbestände abnehmen."

Den Umweltschützern bereitet aber nicht nur die dramatische Überfischung am Mekong große Sorgen. Bis zum Jahre 2025 werden schätzungsweise 90 Millionen Menschen am oder auf dem Mekong leben - und mit dem rasanten Bevölkerungszuwachs erhöht sich auch der Energiebedarf. Die einfachste Lösung sind Staudämme. Am unteren Mekong sind insgesamt elf Wasserkraftwerke mit Staudämmen geplant, sieben davon allein in Laos. Vier Kraftwerke stehen bereits am chinesischen Teil des Flusses.

Thailändischer Protest gegen den von Laos geplanten Xayaburi-Damm (Foto: dpa)
Thailändischer Protest gegen den von Laos geplanten Xayaburi-DammBild: picture-alliance/dpa

Diese Staudämme stellen für die Fische unüberwindbare Hindernisse dar. Dabei legten zwei Drittel der Fischarten im Mekong zum Laichen weite Strecken zurück, warnt WWF-Experte Martin Geiger: "Durch die Staudämme würde die Migration der Fische unterbrochen. Fischtreppen oder sonstige Umleitungen würden nicht funktionieren, dafür sind das einfach zu viele Fische. Damit würde ein großer Teil der wertvollen Artenvielfalt, aber vor allem auch der Proteinversorgung zusammenbrechen."

Das Eiweiß für die Ärmsten könnte knapp werden

Dies würde vor allem die Ärmsten treffen. Zwar können die am Mekong weitverbreiteten Aquakulturen die Verluste teilweise ausgleichen und einigen wenigen ein gesichertes Einkommen sichern. Doch die Ärmsten können sich diese Fische oftmals nicht leisten. Außerdem stellen die Aquakulturen ebenfalls einen erheblichen Eingriff in die Natur dar: Feuchtgebiete verschwinden und die Produktionsbedingungen in Aquakulturen lassen oftmals sehr zu wünschen übrig. Aber wirkliche Alternativen zur Eiweißversorgung sieht der WWF-Experte Martin Geiger nicht. "Vorschläge der Forschung, die Menschen sollten sich dann auf Hasenzucht oder auf alternative Einkommensmöglichkeiten, aber auch Proteinversorgung konzentrieren, sind problematisch. Denn dazu braucht es Land, Investitionen und natürlich auch Know how."

Junge mit leerem Fischernetz am Mekong (Foto: AP)
Immer öfter sind die Netze der ärmeren Bevölkerung leerBild: AP

Die Probleme sind auch der Mekong River Commission (MRC) bekannt, die Laos, Thailand, Kambodscha und Vietnam gegründet haben, um die Mekong-Ressourcen zu schützen und sich nicht gegenseitig das Wasser abzugraben. Sorgen bereitet der Kommission auch, dass die Sedimente für die Düngung fehlen würden, weil sie dann im Stausee landen. Noch trägt der Mekong die Mineral- und Nährstoffe bis in sein Mündungs-Delta, in die "Reisschüssel Vietnams". Dort werden jährlich mehr als 16 Millionen Tonnen Reis produziert. Möglich wird diese gewaltige Produktivität aber vor allem durch das natürliche Fließverhalten des Flusses und durch die mitgeführten Sedimente.

Entwicklung versus Nachhaltigkeit

Die laotische Regierung sieht dies freilich anders: Wasserkraft sei grüne Technologie und schone die Umwelt, im Gegensatz zu anderen Formen der Energieerzeugung. Entsprechend will Laos will zehn Dämme am Mekong bauen und "die Batterie" Südostasiens werden. Dabei braucht Laos den Strom gar nicht selbst. 95 Prozent würden nach Thailand verkauft, die Verträge sind längst unterzeichnet.

Vietnamesische Reisbauern bei der Ernte (Foto: dpa)
Vietnams Reisfelder brauchen den natürlichen Flusslauf und die mitgeführten SedimenteBild: pa/dpa

Immerhin: Nach scharfer Kritik aus Kambodscha, Thailand und Vietnam will die laotische Regierung zunächst die möglichen Umweltfolgen neu prüfen lassen. Allerdings ist allen Beteiligten klar, dass die aufstrebenden Volkswirtschaften nicht grundsätzlich in ihrer Entwicklung behindert werden dürfen. Vielmehr soll Zeit gewonnen werden, um die Auswirkungen der Staudämme abschätzen und gegebenenfalls alternative Standorte vorzuschlagen zu können. WWF-Experte Geiger bekräftigt: "Uns geht es nicht darum, generell dort Staudämme zur Gewinnung der Wasserkraft zu verhindern. Wir fordern aber in Zusammenarbeit mit der "Mekong Fluss Kommission", dass die Staudämme am Hauptarm des Mekong für die nächsten zehn Jahre ausgesetzt werden, solange man nicht die konkreten Folgen gerade für die Proteinversorgung und die Ernährungssicherung der Bevölkerung kennt."

Peking hat eigene Pläne

Unter Umweltschutzgesichtspunkten soll also zwischen "guten" und "schlechten" Staudämmen unterschieden werden. Allerdings wird die Suche nach Lösungen dadurch erschwert, dass China bei der "Mekong Fluss Kommission" nicht wirklich mit am Tisch sitzt. Peking will sich nicht durch eine MRC-Mitgliedschaft Beschränkungen für den Bau von Staudämmen auferlegen lassen. Denn Peking will die Region massiv entwickeln.

Reges Treiben von Fischerbooten auf dem Mekong (Foto: DW)
Viele Staaten, viele Menschen, viele unterschiedliche Interessen

Entsprechend hat Peking mit Birma und Laos ein Programm initiiert, um Stromschnellen und Untiefen zu beseitigen. Der Fluss soll für die kommerzielle Schifffahrt leichter befahrbar gemacht werden. Außerdem will China neben den vier bereits existierenden Staudämmen die Stromerzeugung weiter ausbauen. Auf bis zu 23.000 Megawatt wird das Potenzial für Stromerzeugung aus Wasserkraft in der chinesischen Provinz Yunnan geschätzt. Da Yunnan aber vergleichsweise abgeschieden von den hochentwickelten chinesischen Provinzen liegt, könnte auch diese Energie ins benachbarte Thailand exportiert werden.

Historisches Konfliktpotential

Als transnationale Institution ist hier also die "Mekong Fluss Kommission" gefragt. Sie muss die Interessen ihrer Mitgliedsländer ausgleichen und dabei auch noch die richtige Balance zwischen industriellen Nutzung des Flusses und dem Schutz des Ökosystems finden. Andernfalls sind angesichts der rasanten Bevölkerungsentwicklung Konflikte vorprogrammiert, befürchtet Joern Kristensen von der MRC: "Diese Region hat in der Vergangenheit viele Konflikte erlebt und es schwelen noch sehr viele heikle Fragen direkt unter der Oberfläche. Wenn wir diese Situation nicht in den Griff bekommen, könnte sich dies zu einem ernsthaften Problem entwickeln."

Autor: Alexander Freund
Redaktion: Matthias von Hein