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Milliarden für die europäische Infrastruktur

19. Oktober 2011

Mitten in der Euro-Krise will die EU-Kommission nach Kräften gegensteuern. Das Infrastrukturprojekt "Europa verbinden" soll Fördergelder in die Wirtschaft pumpen und damit Wachstum und Beschäftigung erzeugen.

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Stromtrasse vor einem Wolkenhimmel (Foto: Far´s)
Leistungsfähige Energienetze sind unerlässlich für Wachstum und UmweltschutzBild: Fars

Gesamteuropäische Verkehrs-, Energie- und Fernmeldenetze sind ohnehin Langzeitprojekte der EU. Diese Mammutaufgaben hat die Kommission jetzt in einen Zusammenhang mit der Euro-Krise gestellt. Dort, wo in den Mitgliedsstaaten durch den Spardruck Investitionen ausbleiben, könnte das Projekt "Europa verbinden" ein Stück weit helfen, sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei der Vorstellung am Mittwoch (19.10.2011) in Brüssel. "Wir brauchen Wachstum in Europa. Zwar sind Haushaltsdisziplin und Haushaltskonsolidierung für Länder unvermeidlich, die viele Jahre lang über ihre Verhältnisse gelebt haben. Aber gleichzeitig sollten wir die Möglichkeit nutzen, auf europäischer Ebene zu investieren."

Vom Flickenteppich zum Netz

Gleise der Deutschen Bahn (Foto: Fotolia 2010)
Die 27 EU-Länder leisten sich sieben verschiedene SpurweitenBild: Fotolia/Antje Lindert-Rottke

Es geht um gesamteuropäische Projekte, die sich aus nationaler Sicht nicht lohnen, aus europäischer Sicht dagegen sehr wohl. Insgesamt werden dafür 50 Milliarden Euro bereitgestellt. Für die Finanzierung schlägt die Kommission sogenannte Projektanleihen vor, die sie eigentlich erst mit dem neuen EU-Haushaltsrahmen ab 2014 einführen wollte. Unter dem Druck der Krise sollen die Anleihen aber vorgezogen werden. Damit können Privatunternehmen Anleihen zur Finanzierung solcher Infrastrukturprojekte ausgeben. Die Kommission würde gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank einen Teil des Risikos übernehmen. Mit den vieldiskutierten Euro-Anleihen haben die Projektanleihen nichts zu tun.

Wie schlecht es um die paneuropäische Infrastruktur noch immer bestellt ist, erläuterte Verkehrskommissar Siim Kallas für sein Ressort: "Europas Bahnen haben zur Zeit sieben verschiedene Spurweiten. Nur 20 unserer großen Flughäfen sind direkt an das europäische Bahnnetz angebunden, nur 35 unserer großen Häfen gut angebunden." Es gelte, Lücken zu schließen, die Probleme schlechter Ost-West-Verbindungen, einer zersplitterten Infrastruktur und schlechter gegenseitiger Nutzbarkeit zu lösen. "Kurz, wir müssen von einem Flickenteppich zu einem Netz kommen." Bei den digitalen Breitbandnetzen hinkt die EU nach Kommissionsangaben zum Beispiel Japan und Südkorea hoffnungslos hinterher. Hier will die Kommission ebenfalls privaten Investitionen mit Zuschüssen auf die Sprünge helfen.

Keine Stromleitung zwischen Spanien und Frankreich

Auch im Energiebereich sieht es trotz des europäischen Binnenmarkts immer noch schlecht aus. Energiekommissar Günther Oettinger nannte ein extremes, aber keineswegs ungewöhnliches Beispiel. "Zwischen Spanien und Frankreich haben wir bisher noch keine funktionierende Stromleitung. Das heißt, es gibt keinen Austausch von Strommengen. Es gibt keinen Wettbewerb im Strommarkt. Und es gibt auch für interessante Projekte im Solarbereich in Spanien, später Marokko keine Integration in den zentraleuropäischen Markt." Nach sage und schreibe 30 Jahren Planung werde bald die erste Stromleitung zwischen beiden Ländern eingeweiht, sagte Oettinger.

Containerschiffe im nächtlichen Hafen von Hamburg (Foto: dpa)
Nur 35 europäische Häfen haben einen Zugang zum SchienennetzBild: picture alliance / dpa

Oettinger schlägt vor, dass in Zukunft nur noch drei Jahre Planung für solche gesamteuropäischen Trassen reichen müssen. Dabei solle die Umweltfreundlichkeit keineswegs zu kurz kommen und auch die betroffenen Bürger müssten wesentlich früher einbezogen werden. Offenbar hat Oettinger aus den Auseinandersetzungen in seiner Heimatstadt Stuttgart um die Tieferlegung des Hauptbahnhofs gelernt.

"Es kann funktionieren"

Wenige Tage vor dem EU-Gipfel, der endlich die Probleme in der Eurozone lösen soll, nutzte Barroso die Vorstellung des Projekts auch für einen Appell an die Staats- und Regierungschefs: Sie sollten eine "starke Antwort" auf die Krise geben. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte noch vor zu hohen Erwartungen gewarnt, doch Barroso versuchte angesichts der Proteste in Griechenland gegen die Sparmaßnahmen Mut zu machen: "Ich weiß um die Skepsis in und außerhalb Griechenlands, ob man mit diesem Programm Erfolg haben kann. Meine Botschaft ist: Es kann funktionieren. Wir haben andere Fälle, bei denen es funktioniert hat." In Lettland und Irland gehe es nach einer harten Durststrecke wieder aufwärts. Doch Barroso steht mit dieser Einschätzung zu Griechenland inzwischen auf ziemlich verlorenem Posten. Die meisten Experten glauben nicht mehr, dass es Griechenland ohne teilweisen Schuldenerlass schaffen kann.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Rolf Breuch / Martin Schrader