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Das Buch der Zukunft

15. Oktober 2011

Selten war der Hype um das elektronische Buch auf der Frankfurter Buchmesse größer als in diesem Jahr. Überall geht es um die Zukunft des Mediums und des Marktes. Doch Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander.

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Bild links: Ein Mann hält Bücher des Nobelpreisträgers Gao Xingjian in der Hand (Foto: dpa) / Bild rechts: Amazon CEO Jeff Bezos hält einen Kindle in der Hand ( Foto: AP) - Montage: DW
Bild: DW/picture-alliance/dpa/AP

Das Buch der Zukunft ist eine App. Zumindest ist das eine mögliche Form. Pünktlich zur Buchmesse hat der Kiepenheuer & Witsch Verlag einen neuen Typ des E-Books vorgestellt, das sogenannte "epedio". Technisch gesehen ist es eine App ausschließlich für den Tablet-PC, auf der der beliebte Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar die Rätsel des Alltags auf unterhaltsame Weise vermittelt.

Neu an "Rangas Welt" sei, so Verlagssprecherin Gaby Callenberg, dass sie dem Leser dreierlei Zugang zu den Themen ermöglicht: Will ich zum Beispiel wissen, "Warum fällt der Toast immer auf die Marmeladenseite?" kann ich mich entscheiden, ob ich dazu Text, Film oder Experiment sehen will. Spielerisch und grafisch ansprechend aufgemacht ist das alles - und interaktiv: Es gibt die Möglichkeit, sich mit Ranga Yogeshwar oder anderen Lesern auszutauschen.

Die Zukunft kommt langsamer als gedacht

epedio-Cover Ranga Yogeshwar: Rangas Welt (KiWi-e-Book)
Rangas App

Seit Jahren beschwört die Buchmesse wortgewaltig den Siegeszug der elektronischen Inhalte. Und schon geht es eben nicht mehr nur um das herkömmliche E-Book, sprich die elektronische Text-Variante des Papierbuchs. In diesem Jahr sieht Buchmessendirektor Jürgen Boos die Markt-Chancen eindeutig bei multimedialen Inhalten: Enriched oder enhanced E-Books genannt. Von multidimensionalen Verwertungsräumen ist da die Rede, Creative Work Experts und transmedialem story telling. Die Zukunft, so scheint, ist schon da - zumindest in der Sprache. Allein die Realität hinkt hinterher, jedenfalls in Deutschland.

Hier liegt der Anteil des E-Books am Gesamtumsatz noch unter einem Prozent. Zum Vergleich: laut der Branchenzeitschrift "Börsenblatt des deutschen Buchhandels" lag der Marktanteil des E-Books in den USA im Jahr 2010 bei 5,8 Prozent - eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von knapp 39 Prozent. Buchmarktexperte und E-Book-Autor Holger Ehling mahnt daher zu mehr Besonnenheit hierzulande. Der Leser müsse noch nicht denken, er habe den Anschluss verpasst, "denn alles, was da mit großer Geste und beeindruckendem Business-Denglish verkauft wird, ist eigentlich nur sehr laues Wasser."

Apokalypse digital

Der durchschnittliche E-Book-Leser in den USA, so meint Ehling, lese bevorzugt Krimis und Unterhaltung. Tatsächlich sieht er im Unterhaltungsbereich auch für Deutschland eine Zukunft. Wobei die Weiterentwicklung der Endgeräte eine wichtige Rolle spiele. Der Tablet-PC weise über das reine Lesegerät hinaus. "Es ist ja nicht einsehbar, dass ich irgendwann mit einem ganzen Fuhrpark an Elektrogeräten unterwegs sein soll, ob es nun das Handy ist oder das E-Book-Lesegerät und dann noch der Laptop, um daran zu arbeiten."

E-Book von Bastei Lübbe auf dem iPad (Foto: Olivier Favre)
"Digital first": Die Webnovel "Apokalypsis" gibt es in allen Formaten - nur nicht gedrucktBild: Olivier Favre

Für alle Endgeräte und hat der Bastei-Lübbe Verlag eine "Webnovel" entwickelt und auf der Buchmesse öffentlich präsentiert. "Apokalypsis" ist ein zwölfteiliger Vatikanthriller und der weltweit erste digitale Serienroman, wie Verlagsmitarbeiterin Tina Pfeifer betont. Man kann die Geschichte lesen, hören, darin spielen oder Filme ansehen. Es gibt sie in allen Formaten – als App, enhanced E-Book, ePub und mp3 – nur nicht als gedrucktes Buch. "Digital first", so Tina Pfeifer, "Apokalypsis" sei ein rein digitales Produkt und nur der Auftakt zu weiteren Serienromanen, die sich anschließen sollen.

ebookcards im Buchhandel (Foto: EPIDU Verlag)
Das E-Book materialisiert sich in der VerpackungBild: EPIDU

Ein bisschen hat die Zukunft also doch schon begonnen. Und die meisten Verlage verfahren zurzeit zweigleisig. Sie verlegen weiter das klassische "P-Book", das Buch aus Papier, und experimentieren mit neuen Formen des E-Books. So wie Kiepenheuer & Witsch-Verleger Helge Malchow, der bei elektronischen Produkten gerne mit zu den Pionieren gehört. Neben dem "epedio" hat er eine neue Reihe ausschließlich digitaler Texte mit zur Messe gebracht. Technisch ausgereifte Produkte - aber, was die potenziellen Leser angeht, ein Versuch. "Wir sind alle im Augenblick dabei, ein bisschen im Nebel zu stochern. Wir haben auf der einen Seite eine neue Technologie, aber noch keine neuen Märkte."

Leser gesucht

Die entscheidende Frage werde vielmehr sein, so Malchow, ob es den Verlagen auf der ganzen Welt gelingt, ihre Position als entscheidende Drehpunkte zwischen dem Autor auf der einen Seite und dem Leser auf der anderen Seite zu verteidigen. Oder ob Online-Händler wie Amazon das Geschäft der Buchverlage an sich ziehen.

Autorin: Gabriela Schaaf

Redaktion: Gudrun Stegen