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Ab in den Dialekt-Unterricht!

12. Oktober 2011

Dialekte in Deutschland sterben aus. Die Akademie "För uns kölsche Sproch" tut etwas dagegen. Seit 1983 bietet die Kölner Institution Kurse für Kölsch an. Zur Zeit lernen hunderte Studenten für das "Kölsche Abitur".

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Kölschlehrer Bernd Hambüchen und Studenten Foto: DW/André Leslie
Kölschlehrer Bernd HambüchenBild: DW

Das Publikum in Bernd Hambüchens Unterricht im Berufskolleg in der Kölner Südstadt ist recht gemischt. Es sind alte Damen, ernste Geschäftsmänner und pfiffige Studenten. Ihre vielleicht einzige Gemeinsamkeit: die Lust auf Kölsch – und damit ist nicht das Bier gemeint. Kölsch heißt bekanntermaßen auch der Kölner Dialekt. Die Schüler kommen aus der ganzen Region.

Das "Kölsche Abitur"

Georg Hambüchen unterrichtet seit zwei Jahren an der Akademie, hat viel auf Kölsch geschrieben und jahrelang in Köln gearbeitet. Er sagt, Dialekte kann man lernen. "Sie müssen ein gutes "L" sprechen, ein gutes "ääääi", und am besten mit dem "sch" und dem "ch" nicht so wirklich Bescheid wissen." Hambüchen sagt, die meisten Leute fangen die Kurse an, um sich in Köln besser unterhalten zu können.

Professor Hans-Georg Bögner, Leiter der Akademie för uns kölsche Sproch Foto: DW / André Leslie
Hans-Georg Bögner, Leiter der Akademie "För uns kölsche Sproch"Bild: DW

Der Leiter der Akademie "För uns kölsche Sproch", Professor Hans-Georg Bögner, hat eine andere These: in Zeiten der Globalisierung suchen immer mehr Leute eine Verbindung zu ihrer Heimat und zu ihren Wurzeln, meint er. Jedes Jahr bildet die Akademie 300 Interessenten aus, geteilt in zwei Semester. Wenn man das "Kölsche Abitur" bekommen hat, kann man sich für weitere Kurse einschreiben, z.B. für die Geschichte der Stadt oder für Stadtführungen. Anschließend kann man sogar eine Diplomarbeit in Kölsch schreiben. In der Bibliothek der Akademie gibt es über 16000 Titel rund um das Thema Köln und den kölschen Dialekt.

Warum Kölsch lernen?

Die Kursteilnehmer selbst haben meist eher pragmatische Gründe, wenn sie sich für den Kurs einschreiben. Petra Becker will die Kölsche Grammatik endlich richtig lernen. Die 58-Jährige ist Ur-Kölnerin. Als sie Kind war, hat ihr Vater mit ihr zu Hause Kölsch gesprochen. Trotzdem, so sagt sie, könne sie den Dialekt nicht fehlerfrei schreiben, und deswegen sei sie hier.

Linda Gralla hat ganz andere Prioritäten. Die 23 Jahre alte Studentin ist eine von den Jüngsten an diesem Abend. Sie sagt, dass sie Kölsch lernt, weil sie sich besser mit ihrem Opa unterhalten will, der nur Dialekt spricht. Aber sie gibt auch zu, dass das nicht der einzige Grund ist. "Wenn ich unterwegs in Deutschland bin, möchte ich schon, dass die Leute wissen, dass ich aus dem Rheinland komme."

Dialekt ist identitätsstiftend, das war schon immer so. Georg Cornelissen vom Sprachforschungsinstitut im Rheinischen Landschaftsverband hat die Dialekte der Rhein-Region lange studiert. Die Entwicklungen hier seien typisch für ganz Deutschland meint er. Der Dialekt habe immer die Funktion, dass man sich darin unterhalten könne. Gleichzeitig aber auch, dass man, mit Hilfe des Dialektes, sich von anderen abgrenzen kann.

Eine unsichere Zukunft

Dr. Georg Cornelissen, Leiter Abteilung Sprachforschung, LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, Bonn Foto: DW/ André Leslie
Georg CornelissenBild: DW

Die Wissenschaft sagt, Dialekte sind in Deutschland im Rückgang. Besonders in Norddeutschland sind viele Dialekte fast ausgestorben. Im Süden, vor allem in Bayern oder Baden-Württemberg, wird viel eher Dialekt gesprochen. Auch wenn es immer noch viele Dialekte in Deutschland gibt, sagt Cornelissen, sei der Trend bundesweit ziemlich klar: weg vom Dialekt, zurück zur Hochsprache.

Cornelissen leitet zur Zeit ein Projekt, das die Unterschiede zwischen Kölsch und Bönnsch – dem Bonner Dialekt – analysiert. Obwohl zwischen Köln und Bonn nur 30 Kilometer liegen, gibt es deutliche Unterschiede im Dialekt. Cornelissen glaubt, dass diese Unterschiede immer mehr verwischen werden. Kinder lernen heutzutage fast nie mehr einen Dialekt zu Hause. Schuld daran sind die Eltern, sagt Cornelissen. "Wenn die Kinder den Dialekt nicht im Kindesalter lernen, dann wird er nie mehr zur Heimatsprache."

Die Akademie "För uns kölsche Sproch" organisiert seit 2007 "Kölsch-AGs" in Kölner Schulen. Hier haben die Kinder die Möglichkeit, Kölsch auf eher spielerische Art zu lernen. Der Unterricht ist nicht nur Ersatz für die vergessene Familientraditionen, sondern auch wichtig, um eine gemeinsame Identität bei den Kindern zu entwickeln, sagt Akademieleiter Bögner. "Wir wollen mit solchen Programmen Kölsch lebendig halten. Ansonsten fällt unserer Dialekt auseinander."

Autor: André Leslie

Redaktion: Gudrun Stegen