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Schengen auf dem Prüfstand

22. September 2011

Einige EU-Regierungen werfen sich gegenseitig vor, den Schutz der Außengrenzen schleifen zu lassen. Da wollen manche Länder die Dinge am liebsten gleich selbst in die Hand nehmen.

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Autos stauen sich an der polnisch-ukrainischen Grenze (Foto: dpa)
EU-Außengrenze zwischen Polen und der UkraineBild: picture-alliance/dpa

Die Mitgliedsstaaten hatten sich das offenbar anders vorgestellt. Angesichts der Flüchtlinge aus Nordafrika wollten einige Regierungen die Reisefreiheit im Schengen-Gebiet einschränken. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström machte daraufhin Änderungsvorschläge. Damit will sie den Einzelstaaten die Entscheidung, vorübergehend Grenzkontrollen wiedereinzuführen, aber weitgehend nehmen und sie auf die europäische Ebene bringen. Doch damit stieß sie bei der EU-Innenministerkonferenz am Donnerstag (22.09.2011) in Brüssel auf erbitterten Widerstand. Der Vorschlag sei für ihn "nicht akzeptabel", meinte der deutsche Innen-Staatssekretär Ole Schröder, "weil er den Mitgliedsstaaten einseitig die Möglichkeit nimmt, gegen Kriminalität vorzugehen". Ähnlich äußerten sich mehrere andere Minister, die das Entscheidungsrecht auf eigene Grenzkontrollen behalten wollen.

Was ist, wenn einer jeden 'reinlässt?

Innenkommissarin Malmström im Gespräch mit niederländischem Minister Leers (Foto: dpa)
Innenkommissarin Malmström und niederländischer Minister Leers: Dinge europäisch oder national regeln?Bild: picture-alliance/Wiktor Dabkow

Schengen sorgt aber auch anderweitig für Aufregung. Rumänien und Bulgarien drängen schon seit ihrem EU-Beitritt 2007 in den Schengen-Raum. Das wurde ihnen damals auch zugebilligt, vorausgesetzt, sie erfüllen die Bedingungen, die mit der Sicherung der EU-Außengrenzen verbunden sind. Das sei längst der Fall, meinen Bukarest und Sofia. Doch einige Alt-Mitglieder sperren sich gegen die Ausweitung des Schengen-Raums. Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner etwa gibt zwar zu, die "technischen Kriterien" seien erfüllt. Aber "auch das Sicherheitsgefühl unserer Bevölkerung" müsse berücksichtigt werden. Etwa bei der Korruptionsbekämpfung in Rumänien und Bulgarien bestehe noch Nachholbedarf. Der niederländische Einwanderungsminister Gerd Leers drückte die Bedenken seines Landes mit einem Bild aus: "Angenommen, man hat eine Tür mit den acht besten Schlössern der Welt, aber jemand steht vor der Tür und lässt jeden herein, dann hat man ein Problem." Leers befürchtet einen Vertrauensverlust der Bürger in die europäischen Institutionen, wenn Schengen nicht einwandfrei funktioniert. Vor allem die Niederlande und Finnland verhinderten schließlich eine Einigung.

"Traurige Schlussfolgerungen"

Von mangelndem Vertrauen sprach auch der polnische Innenminister und Ratspräsident Jerzy Miller. Er meinte aber ein ganz anderes Vertrauen und sieht Rumänien und Bulgarien verraten: Das Brüsseler Treffen führe ihn "zu ziemlich traurigen Schlussfolgerungen über das Vertrauen unter den Mitgliedsstaaten. Heute ist das Versprechen im Beitrittsvertrag Rumäniens und Bulgariens gebrochen worden", klagte Miller. Europa fehle im Moment die Zuversicht, gemeinsam statt getrennt zu handeln.

Boot mit afrikanischen Flüchtlingen (Foto: AP/dapd)
Flüchtlinge aus Nordafrika mit dem Ziel Italien brachten neuen Zündstoff in die Schengen-DebatteBild: picture alliance / dpa

Als möglicher Kompromiss steht nun ein Stufenplan im Raum, den auch Deutschland unterstützt. Danach würden zunächst die Kontrollen im See- und Luftverkehr der beiden Länder wegfallen und erst später die Kontrollen an den Landgrenzen. Diese gelten als entscheidender Schwachpunkt. Der Innenministerrat hat hier jedenfalls keine Einigung erzielt und das Thema auf die Tagesordnung des nächsten EU-Gipfels Mitte Oktober gesetzt.

Autor: Christoph Hasselbach, Brüssel
Redaktion: Martin Schrader