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Autos raus!

19. September 2011

Das Auto ist der Deutschen liebstes Spielzeug. Doch der mobile Luxus hat seinen Preis. Viele Städte leiden unter Staus, Lärm und zugeparkten Straßen. In Leipzig haben Bürger am "Park(ing) Day" dagegen protestiert.

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Auto-Kolonnen (Foto: AP)
Bild: AP

Volle Konzentration, ein gezielter Wurf, schon fallen die ersten Kegel. Von nichts lässt sich der achtjährige Vincent jetzt ablenken, schon gar nicht von den paar Autos, die wenige Meter neben ihm auf der Straße vorbeirollen. Vincent kegelt in einer kleinen Parklücke auf einer stark befahrenen Hauptstraße in Leipzig. Schnell führt er mit 14:11, schreibt das Ergebnis freudestrahlend mit Kreide auf den Bordstein.

'Park(ing) Day' in Leipzig: Kegelbahn am Straßenrand (Foto: DW/Ronny Arnold)
Kegeln am StraßenrandBild: DW/Ronny Arnold

Kegeln in der Parklücke – das ist normalerweise verboten. Doch am vergangenen Wochenende kümmerten sich in Leipzig wenig Bürger darum. Im Gegenteil. Am sogenannten "Park(ing) Day" protestierten sie mit verschiedenen Aktionen gegen die Überfüllung der Innenstädte durch parkende Autos. Sie spielten und faulenzten in den Parklücken, die zum Teil mit Rollrasen ausgelegt, mit Blumenkübeln geschmückt und Sofas bestückt wurden. "Das ist unser mobiler Garten", erklärte Dominik Renner vom Verein "kunZstoffe" gut gelaunt.

Mehr Rücksicht auf Fußgänger

Die Aktivisten vom Leipziger "Ökolöwen", einem regionalen Verein für Umweltschutz, trotzten dem Verkehrslärm mit Gitarrenmusik und Vogelstimmen vom Tonband. "Unsere Städte werden von Autos dominiert, Radfahrer und Fußgänger haben sich dem bedingungslos unterzuordnen", sagte Tino Supplies. Deshalb brauche es Aktionen wie diese, meinte der verkehrspolitische Sprecher des "Ökolöwen" weiter und forderte mehr Rücksicht. "Das Verhältnis ist angespannt, hier der böse Radfahrer und dort der rücksichtslose Autofahrer." In anderen Ländern sei das alles viel entspannter, nur leider eben nicht in Deutschland.

Autos stauen sich auf einer Autobahn (Foto: dpa)
Immer Stau auf deutschen StraßenBild: picture alliance/dpa/O. Berg

Auto an Auto, dicht an dicht, so sieht es aus auf Deutschlands Straßen und in fast jeder noch so kleinen Parklücke. Dazwischen jede Menge LKWs, die die Straßen verstopfen. Im Schnitt kommen in Deutschland auf 1000 Einwohner etwa 500 Autos. Doch immer mehr Bewohner freuen sich nicht nur über diesen mobilen Luxus, sie sind genervt vom vielen Verkehr, dem damit verbundenen Lärm und dem Problem, dass die Autos ihre Städte immer mehr zuparken. Deshalb gibt es seit ein paar Jahren den "Park(ing) Day", der 2005 das erste Mal in San Francisco stattfand und mittlerweile auch in Deutschland begangen wird.

Autos verstopfen Freiräume

Die Dominanz des Autos wenigstens für einen Tag in Frage zu stellen, das klappte mit dem "Park(ing) Day" ganz gut, nur lösen kann er die Problematik natürlich nicht. Denn über 70 Prozent des öffentlichen Raumes in deutschen Städten werden den Fahrzeugen eingeräumt. Dabei fährt der durchschnittliche PKW nur etwa eine Stunde am Tag. Die restlichen 23 Stunden steht er in der Gegend herum und verstopft Freiräume, die man auch anders nutzen könnte.

'Park(ing) Day' in Leipzig: Gemütliches Beisammensein an der Hauptstraße (Foto: DW/Ronny Arnold)
Gemütliches Beisammensein an der HauptstraßeBild: DW/Ronny Arnold

Tino Supplies ärgert das. "Seinen PKW kann man überall hinstellen, aber wenn ich wie heute in so einer Parklücke mal einen Tisch und zwei Stühle hinstellen will, müssen wir zum Ordnungsamt gehen und eine Sondernutzung beantragen. Und wenn wir zu spät sind, müssen wir sogar eine Versammlung anmelden, eine politische Kundgebung." Ein riesiger Aufwand sei das, nur weil man mal da sitzen wolle und einen Kaffee trinken, empört sich der Aktivist.

Alternative Verkehrskonzepte gefordert

Der Deutsche und sein Auto, es ist eine besondere Beziehung. Kein Wunder, dass die Aktivisten am "Park(ing) Day" viel Aufmerksamkeit bekamen. Vorbeifahrende Polizeiwagen hielten immer wieder an. Die Polizisten kontrollierten minutenlang die Genehmigung der jungen Leute für ihre Aktion. Alles okay, die Papiere vom Ordnungsamt waren korrekt, die Gesetzeshüter fuhren weiter. Passanten blickten irritiert, aber wohlwollend. "Ich weiß nicht, ob so ein Park(ing) Day etwas erreicht, ob die Leute deswegen weniger Auto fahren", meinte Fahrradfahrer Jonathan Rohr. Nett fand er die Aktion aber auf jeden Fall.

'Park(ing) Day' in Leipzig: Picknick auf einem Rollrasen in der Parklücke (Foto: DW/Ronny Arnold)
Picknick in der ParklückeBild: DW/Ronny Arnold

Zumindest zeigte der "Park(ing) Day" die Probleme auf, lud zum Umdenken ein, stellte die deutsche Mobilitätskultur rund um das alles dominierende Auto in Frage. Für Tino Supplies ein wichtiger Schritt, endlich über alternative Konzepte nachzudenken, über bessere und günstigere öffentliche Verkehrsmittel, mehr Fahrradwege, eine menschenfreundlichere Verkehrspolitik. Denn schließlich seien wir hier ja auch Vorbild für andere Regionen der Erde.

"Wir müssen zwingender Weise Alternativen zu dieser Autokultur finden", forderte er. "Wenn die ganze Welt so fahren würde wie der Deutsche und so viele Autos besäße, würde unsere Erde das gar nicht aushalten."

Autor: Ronny Arnold

Redaktion: Sabine Damaschke