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27. Juli 2011

Sind Wörterbücher out? Jahrzehnte lang haben Schüler mit ihnen gearbeitet und Urlaubsreisende sie im Gepäck gehabt. Jetzt drängen Online-Wörterbücher auf den Markt und sorgen für einen harten Konkurrenzkampf.

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Karl-Heinz Rummenigge praesentiert am 7. Mai 2008 in Muenchen das UEFA Praxiswoerterbuch Fussball. Nicht weniger als 5.200 Fachbegriffe enthaelt das dreisprachige "Praxiswoerterbuch Fussball", das der Langenscheidt-Verlag jetzt in Kooperation mit der UEFA herausgebracht hat - passend zur EM, dem voelkerverbindenden Fussball-Ereignis des Sommers. (AP Photo/Uwe Lein)
Das UEFA Praxiswörterbuch FussballBild: AP

Wörterbücher waren lange Zeit unverzichtbar für das Verstehen und Lernen einer Fremdsprache oder für das Nachschlagen von Fremdwörtern und Fachbegriffen. Im Internet-Zeitalter werden sie zunehmend durch Online-Wörterbücher ersetzt, die Buchverlage müssen sich umstellen. Bereits im vergangenen Jahr berichteten Zeitungen, dass die Umsätze einbrechen und der Branchenführer unter den Wörterbuchverlagen Langenscheidt herbe Verluste verzeichnet. Vom "Ende einer Legende" war die Rede. Wir haben mit dem Geschäftsführer des Langenscheidt-Verlages, Jan Henne de Dijn, darüber gesprochen, was die Internet-Konkurrenz für den Wörterbuchmarkt bedeutet.

Deutsche Welle: Herr Henne de Dijn, ist die Lage wirklich so dramatisch? Wird es bald keine Wörterbücher mehr geben, sondern nur noch Abfragen über PC und Handy?

Henne de Dijn: Die Lage ist mitnichten dramatisch, ganz im Gegenteil. Wörterbücher sind immer noch unser erfolgreichstes Stammgeschäft, sie verkaufen sich immer noch in enorm großen Stückzahlen. Man kann nicht behaupten, dass das Wörterbuch seinem Ende zugeht! Sicherlich ist es so, dass im digitalen Bereich, besonders wenn es um alltägliche Begriffe geht, die Nutzung einfacher und schneller ist. Dementsprechend hat sich dieser Marktanteil vergrößert. Aber ich glaube, dass selbst die größten digitalen Anbieter froh wären, wenn sie die Umsatzzahlen, die wir im Printbereich machen, im digitalen Bereich hätten.

Deutsche Welle: Die Zahlen sagen etwas anderes. 2006 hatte Langenscheidt, der Marktführer unter den Wörterbuch-Verlagen, einen Umsatz von 263 Millionen Euro. 2009 waren es nur noch 137, fast eine Halbierung!

Henne de Dijn: Man darf nicht vergessen, dass der Langenscheidt-Verlag und die Langenscheidt-Gruppe nicht nur aus Wörterbüchern bestehen, sondern wir haben eine Vielzahl von Produkten auf dem Markt. Ein wesentlicher Teil der Reduktion der Zahlen, die Sie vorliegen haben, hat etwas damit zu tun, dass wir die Unternehmensteile Brockhaus und Duden verkauft haben.

Deutsche Welle: Bedeutet das, Langenscheidt geht es nicht schlecht, sondern Sie haben nur ihre Unternehmensstruktur umgewandelt?

Henne de Dijn: Richtig. Natürlich ist es so, dass wir als Verlag auch auf die inhaltlichen Herausforderungen der digitalen Welt reagieren müssen. Das heißt, die Form, wie wir unser Geschäft betrieben haben und betreiben, verändert sich. Das hat viel damit zu tun, dass der Kunde heute eben über die digitalen Medien einen ganz anderen Zugang zum Produkt findet. Bestell- und Kommunikationsprozesse sind anders, aber auch das, was der Kunde vom Produkt fordert, verändert sich und darauf stellen wir uns ein.

Deutsche Welle: Kann man denn beziffern, wie viel vom Wörterbuch-Markt weggefallen ist zugunsten von PC und Handy-Applikationen?

Henne de Dijn: Wir haben natürlich eine Reduktion im Wörterbuch-Bereich, der nur durch das Digitale kompensiert werden kann, das ist klar. Das hat aber nicht nur mit dem Wörterbuch zu tun, sondern das hat auch etwas damit zu tun, dass wir im Bereich des Buchhandels insgesamt sinkende Zahlen haben, vor allem für den Sprachbereich.

Deutsche Welle: Kann man das beziffern?

Henne de Djin: Ich würde sagen, das ist ein kleiner, einstelliger Prozentbereich, den wir pro Jahr an Umsatzrückgang zu verzeichnen haben. Und daran arbeiten wir gerade. Wir versuchen, Verluste im Wörterbuchbereich durch andersartige Angebote im Digitalen zu kompensieren und mit zunehmender Reife der Marktmodelle gelingt uns das auch. Wir haben mittlerweile eine ganze Reihe von sehr erfolgreichen Apps entwickelt und die verkaufen wir auch sehr gut, gerade auch die hochpreisigen Apps, weil unser wesentliches Merkmal, die Qualität, stimmt!

Deutsche Welle: Können Sie der Konkurrenz von kostenlosen Übersetzungsprogrammen im Internet Paroli bieten?

Henne de Djin: Paroli bieten ist gar nicht das Thema. Das Thema ist: Was bediene ich? Die Leo-GmbH bietet ein hervorragendes Online-Wörterbuch, das kann man neidlos anerkennen. Leo bewegt sich im Kostenlos-Segment, ist werbefinanziert und schnell und einfach zu bedienen. Unsere Produkte, die ja eher im hochpreisigen Segment angesiedelt sind, sind anders geartet und haben sehr viel damit zu tun, dass zum Beispiel unsere Fachwörterbücher Qualität garantieren.

Deutsche Welle: Sie haben einige Applikationen entwickelt, die man sich auf das Handy laden kann. Haben Sie auch Programme für das Internet, die genutzt und gekauft werden?

Henne de Dijn: Apps werden genauso gekauft wie Fach-Wörterbücher. Das ist ein anderes Geschäftsmodell in der Verständigung von Fachkunden, die fachspezifische Daten kaufen für spezielle Bereiche ihrer Unternehmenskommunikation. Und hier ist eine Qualitätskontrolle von großer Bedeutung.

Deutsche Welle: Ein Branchenkenner hat vor kurzem behauptet, "Nachschlagewerke werden sterben. Die Wörterbuch-Verlage müssen sich umstellen". Sehen sie das auch so?

Henne de Dijn: Definitiv nicht. Ich glaube, das Nachschlagen, das Sortieren hat auch eine kulturelle Funktion. Es ist nicht so, dass ein Nachschlagewerk nur etwas ist, was ein Konsument hat, sondern es ordnet, es weist Sprache einer anderen Sprache zu. Ich glaube, wenn man gerade an den IT-Bereich denkt, dann wird die semantische Qualität eines Begriffes immer wichtiger werden. Oder wenn ich an einen integrierten, weltweiten Konzern denke. Ich könnte mir vorstellen, dass zum Beispiel VW oder Mercedes enorme Reibungsverluste dadurch haben, dass sie ihre Sprachdatenbanken nicht vernünftig sortieren und Inhalte zuordnen können. Wenn sie das dann tun, kann man bestimmt eine Menge an Missverständnissen beheben und Prozesse effizienter machen!

Deutsche Welle: Man könnte also zusammenfassen, dass im Zeitalter der Globalisierung Nachschlagewerke eigentlich wichtiger werden müssten.

Henne de Dijn: Genauso hätte ich es sagen sollen.

Das Gespräch führte Günther Birkenstock

Redaktion: Gudrun Stegen