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Doppelleben einer Ärztin: "Brownian Movement"

1. Juli 2011

Schon bei Festivals verstörte der deutsche Spielfilm "Brownian Movement" die Besucher. Regisseurin Nanouk Leopold macht es ihren Zuschauern nicht leicht. Das liegt an der strengen Form, vor allem aber an der Geschichte.

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Szene aus dem Film Brownian Movement mit Sandra Hüller (Foto: IFF Dortmund Köln, Coin Film GMbH)
Sandra Hüller in "Brownian Movement"Bild: IFFF Dortmund|Köln

Sie ist Mitte 30, erfolgreiche Ärztin, mit einem attraktiven Mann verheiratet. Die beiden haben ein gemeinsames Kind. Charlotte ist also eine scheinbar ganz normale Frau mit einem geregelten Leben. Doch Charlotte hat ein Geheimnis. Sie fühlt sich zu anderen Männern hingezogen, die alle einen körperlichen Makel oder zumindest eine Besonderheit an sich haben. In einer angemieteten Wohnung geht Charlotte mit diesen Männern ins Bett: es sind Dicke oder ganz alte Männer, Männer mit einer starken Behaarung, hässliche Männer.

Was kann eine Beziehung ins Wanken bringen?

Was die 1968 in Rotterdam geborene Regisseurin Nanouk Leopold an dieser ungewöhnlichen Seitensprung-Geschichte fasziniert, hat sie im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärt: "Am Anfang standen zwei Figuren, die sich sehr nahe stehen, die ein gemeinsames Leben und ein Kind haben", sagt Leopold. "Eigentlich sind sie glücklich. Dann stellte ich mir die Frage: Was passiert, wenn einer der beiden herausfindet, dass es da noch ein Geheimnis gibt. Ein Geheimnis, das alles ins Wanken bringt?" Man wisse doch letztendlich nie, was sich im Inneren des Partners abspielt. Davon ist Nanouk Leopold überzeugt: "Du weißt nicht alles über den, den Du liebst und mit dem du das Leben teilst."

Regisseurin Nanouk Leopold in Ludwigshafen (Foto: Jochen Kürten)
Regisseurin Nanouk Leopold im DW-GesprächBild: DW

Nanouk Leopold hat ihre eigentlich ganz und gar nachvollziehbare Frage mit einer sehr expliziten Geschichte aufgeladen, die am Ende mehr Fragen als Antworten offenläßt. Das ist auch das Verstörende an "Brownian Movement". Schließlich hat es schon unzählige Filme in der Geschichte des Kinos gegeben, die Paarbeziehungen vorgeführt haben, bei denen irgendetwas nicht stimmt. Liebhaber waren da im Spiel, doppelte Existenzen, Betrug und Eifersucht - all das sind beliebte Filmthemen.

Kinothema Sexualität

Die Sexualität spielt in vielen Filmen, in Melodramen und psychologischen Kammerspielen, im Film Noir und in Liebesschnulzen eine herausragende Rolle. Mal mehr voyeuristisch und spekulativ, oft bigott und verschämt, manchmal auch ernsthaft und stilbewußt. Auch Nanouk Leopold greift das Thema Sexualität bewusst auf. "Ich habe ein Thema gesucht, das diese Veränderung zwischen den Beiden am besten symbolisiert: Das war die Sexualität." Zunächst habe sie sich ganz allgemein die Frage gestellt, was ein Paar so tief berühren kann, dass die Existenz der Beziehung in Frage gestellt wird. "Am Ende habe ich mich für die Sexualität entschieden, weil das doch das ist, was ein Paar auch in seinem Inneren ausmacht", sagt Nanouk Leopold.

Sandra Hüller in einer Szene des films Brownian Movement (Foto: dpa/Coin Film)
Spielformen der Sexualität - Charlotte bevorzugt auch DickeBild: picture alliance/dpa

Doch das Verstörende des Films bleibt. Zu ungewöhnlich ist die sexuelle Neigung von Charlotte, zu außergewöhnlich sind ihre Vorlieben. Nanouk Leopold hat das Drehbuch zu ihrem Film selbst geschrieben und die Antwort auf die Frage, was den ganz am Anfang des Projekts stand, führt dann doch zu einer Erklärung für ihren ungewöhnlichen Film: "Bisher habe ich alle meine Drehbücher selbst geschrieben. Wie das jeweils beginnt, mit welcher Idee, das weiß ich eigentlich nicht genau. Aber was ich weiß: mein Film besteht aus drei Teilen, und das war sehr wichtig für mich. Also die Struktur des Films, die Form, war mir eigentlich wichtiger!". Sie habe eine Geschichte erzählen wollen, der man an drei entscheidenden Wegmarken begegnet: "Man sieht das Problem heraufziehen - man versucht es zu lösen - und dann schließlich sieht man, wie es eigentlich nicht zu lösen ist, die Protagonisten aber versuchen mit ihm zu leben."

Stil und Form

Man merkt dem Film dieses strenge Formbewußtsein an. Wie Kapitel in einem Buch teilt er sich auf. Lange Einstellungen führen jeweils in die drei Abschnitte ein. Die Bilder verharren an den Schauplätzen und in den Räumen. Auch die Figuren werden oft mit bewegungsloser Kamera eingefangen. Der Zuschauer wird so hineingezogen in den Film, in die ungewöhnliche Handlung. Auch die Szenen, in denen Charlotte die Männer in der angemieteten Wohnung empfängt, sind behutsam und stilbewußt inszeniert. Der Film ist nichts für Voyeure.

Szene aus dem Film Brownian Movement (Foto: Coin Film GmbH)
Haarige Liebe: Brownian MovementBild: Coin Film GmbH

Das alles zeugt von einem enormen Stilbewußtsein, von einer klar durchdachten Struktur, von großem filmischem Verständnis. Doch am Ende bleibt ein Fragezeichen. Warum hat Nanouk Leopold - bei aller Bewunderung für die filmische Umsetzung - ihre Protagonistin mit einer solch seltsamen Neigung ausgestattet?

Autor: Jochen Kürten

Redaktion: Sabine Damaschke