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Mädelsache!

9. Juni 2011

Die rechtsextreme Partei NPD setzt verstärkt auf ein bürgerliches Image. Deshalb bekleiden immer mehr Frauen Ämter, sie ziehen die Fäden im Hintergrund und verschaffen den Rechten ein "harmloses" Aussehen.

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Drei Skinheads bei einem Neonazi-Aufmarsch (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Frauen wollen mitbestimmen. Die Führung der NPD, der nicht verbotenen "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands", hat das als Chance erkannt und setzt sie als Köder ein, schreiben die beiden Journalisten Andrea Röpke und Andreas Speit in ihrer Untersuchung "Mädelsache!". Frauen werden als Sympathieträgerinnen benutzt, um für mehr Akzeptanz in der rechtsextremen Bewegung zu werben. Eine Mutter mehrerer Kinder gewinne eben eher die Herzen der Menschen als ein junger tätowierter Mann, der "Ausländer-raus"-Parolen skandiert, so Andreas Speit: "Viele denken, wenn Frauen dabei sind, ist es vielleicht gar nicht so schlimm." Wie erfolgreich diese Strategie sei, zeige das Ergebnis der Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt 2011. Dort haben die Frauen der NPD in ihren Wahlkreisen sehr gute Ergebnisse eingefahren.

Wölfinnen im Schafspelz

Buchcover 'Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene' von Andrea Röpke und Andreas Speit: (Foto: Christoph Links Verlag)

Andreas Speit und Andrea Röpke beleuchten in ihrem Buch "Mädelsache!" verschiedene rechtsradikale Gruppierungen. Denn die Szene ist sehr heterogen. Es gibt nicht nur eine rechte Frauenorganisation, sondern etliche Gruppierungen: den "Ring Nationaler Frauen" zum Beispiel, der zur NPD gehört, die "Freien Kameradschaften", die "Autonomen Nationalisten" und verschiedene sogenannte "völkische", das heißt volkstümelnde Zusammenschlüsse. Manche von ihnen sind auf den ersten Blick nicht als Rechtsradikale zu erkennen.

Im Gegenteil, man könnte sie fast für "Ökos" halten: Die Frauen tragen selbst hergestellte weite Gewänder oder dirndlartige Kleider, und die Familien wohnen in ländlichen Siedlungen zusammen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass sie ihre Kinder zum Beispiel mit preußischer Strenge erziehen, auf Härte und Disziplin Wert legen und eine deutschtümelnde Traditionspflege betreiben. So lehnen sie auch fremdsprachige Worte ab und sagen "T-Hemd" statt "T-Shirt", "Weltnetz" statt "Internet" und "Gemüsetorte" statt "Pizza".

Gefahr der Verharmlosung

Ein Demonstrant der Rechtsextremisten in Kiel (Foto: dpa)
Glatzen kommen nicht gut anBild: PA/dpa

Das klingt lächerlich gestrig. Aber verharmlosen sollte man diese Gruppierungen nicht, warnen die Autoren. Ihr Buch solle dazu beitragen, so Andreas Speit, "den Blick der Öffentlichkeit zu schärfen". Ihrer Beobachtung nach üben die Frauen eine stabilisierende Wirkung innerhalb der Szene aus. Sie seien oft besonders linientreu und hätten großen Einfluss auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen. Nicht nur innerhalb der rechtsradikalen Bewegung, auch außerhalb. Rechtsextreme Frauen arbeiten gern im Sozialbereich und engagieren sich in Kindertagesstätten. Damit helfen sie, Jugendliche für ihre Organisationen zu rekrutieren. In der rechten Szene herrsche kein Nachwuchsmangel, betont Andreas Speit.

Die Untersuchung "Mädelsache!" zeigt, dass rechtsextreme Frauen oft unterschätzt werden. Gerade in der Mitte der Gesellschaft finden sie eher Zuspruch als die Männer. Doch so moderat sie sich geben, sie gehören Organisationen an, die antidemokratische, rassistische Positionen vertreten.

Autorin: Heide Soltau

Redaktion: Gabriela Schaaf

Andrea Röpke/Andreas Speit: Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene. Christoph Links Verlag GmbH, Berlin 2011. 237 Seiten, 16.90 Euro. ISBN 978 3 86153 615 4