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„Bilder zeigen uns die Welt, wie sie wirklich ist”

Susanne Nickel

Roberto Romano, Menschenrechtler, Filmemacher, Fotograf und Referent auf dem Global Media Forum 2011 im Interview mit der Deutschen Welle

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Bild: GMF

Roberto Romano: “The Dark Side of Chocolate”

Er gehört zu den investigativen, kreativen Fotografen und Filmemachern unserer Tage, wenn es darum geht, Missstände durch das Bild zu dokumentieren, für die uns die Worte fehlen, sie zu beschreiben. Aber U. Roberto Romano ist noch viel mehr als das. Er ist ein engagierter und kenntnisreicher Anwalt für die Menschenrechte, insbesondere mit Blick auf Arbeits- und Produktionsbedingungen in vielen Ländern dieser Erde. Seine Expertise wird weltweit geschätzt. In beeindruckenden und nachhaltig recherchierten Dokumentationen befasst er sich insbesondere mit den Themen der Kinderarbeit und des modernen Sklavenhandels.

Mit Kinder- und Sklavenarbeit sowie Menschenhandel im Zusammenhang mit der Kakaoernte an der Elfenbeinküste setzt sich Romano auch in seiner Filmdokumentation „The Dark Side of Chocolate“ auseinander, die er gemeinsam mit der dänischen Journalistin Miki Mistrati produzierte. Romano hat den Blick, der nicht auf der Oberfläche hängen bleibt – mit seinen Bildern erzählt er Geschichten, die niemanden kalt lassen:

DW: Schon seit 1995 sind Sie zum Thema Kinderarbeit in Pakistan aktiv. Seitdem dokumentieren Sie Kinderarbeit und Kindersklaverei. Haben Ihnen die neuen Medien geholfen, eine Veränderung zum Positiven zu bewirken?

RR: Martin Luther King sagte: „Der Bogen des moralischen Universums ist lang, aber er neigt sich in Richtung Gerechtigkeit.“ Vielen von uns, die sich für Gerechtigkeit engagieren, erscheint dieser Bogen zu lang und die Entwicklung zum Guten zu langsam und mit einem zu hohen Preis an Menschenleben, nicht ausgeschöpften Potenzialen und nicht verwirklichten Träumen verbunden.

Es scheint, als könnten sich die Medien nur mit wenigen wichtigen Themen gleichzeitig befassen. Als ich aufwuchs ging es um Bürgerechte und die Rechte von Frauen. Heute kämpfen wir immer noch weltweit für die Rechte von Frauen, von Kindern und versklavten Menschen. Aber dies sind nur die aktuellen Erscheinungsformen der beiden bösen Geister Armut und Machtlosigkeit, die uns im Verlauf unserer Geschichte heimsuchen. Und obwohl neue Medien für eine Reihe von Themen ein Bewusstsein schaffen, fehlt es ihnen doch an Einfluss, den einen entscheidenden Wandel herbeizuführen. Es liegt deshalb in unserer Verantwortung, die Welt so abzubilden wie sie ist und uns auf wichtige Themen zu konzentrieren – immer.

Die Medien erreichen Veränderung, indem sie das Bewusstsein schärfen und dieses Bewusstsein in stabile und gut organisierte Bewegungen umsetzen – aber diese Kombination ist schwer erreichbar.

DW: Welche Maßnahmen sollten getroffen werden, um dem Problem zu begegnen? In der südasiatischen Teppichindustrie beispielsweise, werden derzeit tausende von Kinderarbeitern ausgebeutet. Kann ein neues Label wie GoodWeave dazu beitragen, Bewusstsein für diesen Missstand zu schaffen, nicht nur in der breiten Öffentlichkeit, sondern auch in der betroffenen Industrie?

RR: GoodWeave war Teil einer weiteren Kampagne gegen Kinder- und Sklavenarbeit, die die Anzahl der Kinder in den Webstühlen um Hunderttausende verringert hat. Das ist es, was ich meine, wenn ich von Bewusstsein, das in stabile und gut organisierte Bewegungen umgesetzt wird, spreche. Es ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich ein Label entwickelt, um die Bedürfnisse der Arbeiter, der Hersteller, der Gesellschaft und der Konsumenten dadurch zu erfüllen, dass es die Konsumenten mit Teppichen auf eine Art und Weise in Verbindung bringt, wie es sie zuvor nicht gab. Im Idealfall bewirken Label Wandel und schaffen Bewusstsein und GoodWeave ist eines der besten Beispiele dafür, wie dies funktionieren kann.

DW: Sie sind als Filmemacher und Fotograf ein Mann visueller Eindrücke. Kann die Macht von Bildern, die Aufmerksamkeit von politischen Entscheidungsträgern und Wirtschaftsmanagern erregen? Was war deren Reaktion auf ihren Dokumentarfilm “The Dark Side of Chocolate“?

RR: Bilder zeigen uns die Welt, wie sie wirklich ist, insbesondere wenn das, was du zeigen möchtest unvorstellbar ist. Wir kennen die Begriffe Kinder, Sklave und Kakao, aber die Macht eines Bildes verwandelt sie in eine kraftvolle Momentaufnahme, die weder geleugnet noch übersehen werden kann, Der verlassene Junge, der von Mali in den Norden der Elfenbeinküste verschifft wurde, der dort alleine weinend sitzt; das junge Mädchen Mariam, deren offene Wunden den völligen Mangel an Fürsorge belegen, während sie menschliche Schmuggelware war; der leere Blick des Jungen mit einer Machete in der einen und einer Kakaoschale in der anderen Hand, das Leben in seinen Augen wie ausgelöscht – sie vermitteln, was Worte und Studien, Regeln und Gesetze nicht ausdrücken können: das vollkommene Elend, das täglich in weiten Teilen der Welt herrscht. Wie kann jemand nicht darauf reagieren, wenn er mit dieser Realität konfrontiert wird?

DW: Würden Sie sagen, dass Ziel ihrer Dokumentarfilme ist es, Entscheidungsträger mit der Realität zu konfrontieren? Was sind die Hauptaufgaben, die ihre Filme erfüllen sollen?

RR: Alle Filme, an denen ich beteiligt war, hatten eine Wirkung. So wichtig es auch ist, bei der Regierung anzukommen, im Bewusstsein der Bevölkerung anzukommen, ist ebenso wichtig. Deshalb habe ich stets Teile der Filme, an denen ich beteiligt war, der internationalen Presse zugänglich gemacht. Seit der Veröffentlichung von „The Dark Side Of Chocolate“ hat die Nachfrage nach Fair-Trade-zertifizierten Produkten enorm zugenommen. Ich glaube, dass der Film daran einen Anteil hat.

Unter dem Strich gilt: Auf welches Modell wir uns auch einlassen, gleichgültig ob es sich von oben nach unten oder von unten nach oben orientiert – es muss sowohl diejenigen ansprechen, die die Regeln machen als auch jene, die diesen Regeln folgen müssen.

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