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Frauen in Indien

8. März 2011

Die Zerrissenheit der indischen Gesellschaft spiegelt sich in der Lage der Frauen: In den Städten leben die gut ausgebildeten unter ihnen ein selbständiges Leben. Doch auf dem Land sind viele noch immer ohne Rechte.

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Indiens Frauen - viele von ihnen sind entrechtetBild: AP

Brinda Karat gehört zur kleinen, weiblichen Elite Indiens. Die Politikerin der marxistisch-kommunistischen Partei Indiens sitzt im Parlament, im dem nur rund zehn Prozent der Abgeordneten Frauen sind: "Natürlich profitieren auch die Frauen vom demokratischen System. Aber die Diskriminierung ist geblieben. Die Ungleichheit hat in einigen Bereichen sogar zugenommen", so die Politikerin.

In den Städten leben viele Frauen unabhängig

Brinda Karat
Eine Frau in einer Männerdomäne - die Politikerin Brinda KaratBild: UNI

In den großen Städten in Indien wächst die Zahl der gebildeten, unabhängigen Frauen. Sie sind beruflich erfolgreich und haben kein Problem damit, abends auch mal alleine auszugehen. Viele durchbrächen die hohen Mauern, die Kultur und Tradition errichtet haben, berichtet Brinda Karat. "Aber das ganze Potenzial der Frauen kann sich in der patriarchalischen Gesellschaft Indiens nicht entfalten." Auch die urbane Elite kann sich etwa nicht der Tatsache entziehen, dass es in der indischen Gesellschaft eine tief sitzende Vorliebe für Söhne gibt. Keine andere Nation hat einen größeren Männerüberschuss, beklagt Brinda Karat. In keinem anderen Land sterben mehr Frauen während der Schwangerschaft und bei der Geburt: "Wenn ein Mädchen gezeugt wird, dann muss es darum kämpfen, geboren zu werden. Die Realität in Indien sieht so aus, dass die moderne Technologie dazu genutzt wird, um die weiblichen Föten zu töten anstatt den Frauen zu helfen", klagt Brinda Karat: "Es sind nicht die Armen, die ihre Mädchen töten. Es sind die, die ihren Reichtum zu vererben haben."

Frauen mit Wasserkrug bei Agra, Indien
Vor allem auf dem Land werden vielen Frauen ihre Rechte verwehrtBild: UNI

Traditionell gilt der Sohn als Versorger seiner Eltern. Er soll sich um die religiösen Rituale und um den Familienbesitz und kümmern. "Wenn wir das Eigentumsrecht ändern würden, dann würde das Gesetz für ein gleiches Erbrecht sorgen. Das wäre ein riesiger Schritt nach vorne. Denn eigentlich stimmt es auch gar nicht mehr, dass sich der Sohn immer um den Besitz und um die Angehörigen kümmert."

Auf dem Land ist eine Frau ohne Mann nichts Wert

Es gibt einen weiteren Grund, warum Söhne beliebter sind als Töchter: Für sie muss keine teure Mitgift gezahlt werden. Offiziell ist die Mitgiftpraxis zwar seit Jahrzehnten verboten, zum alltäglichen Leben gehört sie aber weiter dazu und kann Familien in den Ruin treiben - vor allem auf dem Land, wo über 70 Prozent des Milliardenvolkes leben. Auf dem Land ist eine Frau ohne Mann nichts wert. Erst bestimmt der Vater ihr Leben, dann der Ehemann. Ehen werden arrangiert, je früher, desto besser. Das macht Frauen zur Ware und zum Eigentum. Die Köchin Renuka drückt es so aus: "Wenn ich ein Mann wäre, dann könnte ich mich frei bewegen – für Frauen gibt es Grenzen." Renuka ist nie zur Schule gegangen. Weniger als die Hälfte der Inderinnen kann lesen und schreiben.

Frauen schultern Arbeit und Familie

Rani zum Beispiel zieht mit ihrer Familie von Baustelle zu Baustelle und schuftet für rund zwei Euro am Tag. "Ich habe als Frau nie frei, weil ich mich um alles kümmern muss: ich muss kochen, Wasser und Holz holen, abwaschen, mich um die Wäsche kümmern." Für Politikerin Brinda Karat lautet deswegen das Fazit nach 64 Jahren indischer Unabhängigkeit: "Die indische Demokratie muss die Gleichheit für Frauen noch liefern. Es ist demoralisierend, benachteiligt zu werden, nur weil du eine Frau bist."

Autorin: Sandra Petersmann

Redaktion: Silke Ballweg