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500 Jahre Till Eulenspiegel

24. März 2011

Er ist der größte Schelm aller Zeiten. Bis heute weiß man aber nicht ob es ihn tatsächlich gegeben hat. Oder wer seine Geschichten aufgeschrieben hat. Tatsache ist: Eulenspiegel war ein literarischer Global Player.

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Ein aus Holz geschnitzter Till Eulenspiegel in einer Werkstatt in Oberammergau (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Es gibt viele Ungewissheiten rund um den hinterlistig-lustigen Till Eulenspiegel. Klar ist eigentlich nur, dass das Werk über den geistreichen Schelm eine umfangreiche Wahrnehmung erlebt hat, nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern dieser Welt. Till Eulenspiegel hat in großen Teilen der Erde literarische Karriere gemacht, massenhaft ist er übersetzt worden. Außer in Italien - die Italiener hatten selber schon eine ähnliche Figur mit fast denselben Geschichten, wie sie von Till Eulenspiegel erzählt wurden. Sie konnten also gut auf ihn verzichten.

Ein fröhlicher Rebell

Eulenspiegel-Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert (Foto: akg-images)
Till betrügt eine BäuerinBild: picture-alliance / akg-images

Der Eulenspiegel ist ein früher literarischer Global Player, und er ist es bis heute geblieben. Sein Erfolgsrezept war etwas, das schon als Grundprinzip für das Theater der Antike galt: belehren und unterhalten. Im "Eulenspiegel" wird das Leben um 1500 plastisch beschrieben, von der Handwerksstube und Schankwirtschaft bis zum Ritterhof bildete er die Gesellschaft ab. Mit Wortwitz und Hintersinn hielt er die Menschen zum Narren und spielte ihnen oft derbe Streiche. Einen Pastor ließ er verdorbene Wurst essen, ins Badehaus in Hannover setzte er einen stinkenden Haufen, weil man sich ja schließlich auch innerlich reinigen müsse.

Eulenspiegel ist ein Rebell, aber kein tragischer. Bernd-Ulrich Hucker ist Historiker und wie viele seiner Kollegen sagen, der Eulenspiegel-Spezialist in Deutschland. Seiner Meinung nach haben die Eulenspiegel-Erzählungen einen so geografisch weitreichenden und überzeitlichen Erfolg, weil hier Dinge beschrieben werden, die man auch heute noch versteht, Gesellschaftskritisches mit Humor gemischt wird. Eulenspiegel bricht mit seinen teils unappetitlichen Streichen Tabus und benutzt viele Sprichwörter. Ein Buch, das zugleich volkstümlich, hochgelehrt und lustig ist.

Autor: nach wie vor unbekannt

Die Erfolgsgeschichte beginnt in Straßburg. Hier wurden 1510 oder 1511 oder auch ein paar Jahre später zum ersten Mal Till Eulenspiegels Abenteuer und Streiche gedruckt - anonym - 96 Szenen, die berichteten, "was eines Bauern Sohn getrieben und getan hat." Zum Autor gibt es bis heute nur Vermutungen. Es könnte der Franziskaner Thomas Murner gewesen sein oder – wie heute oft zu lesen ist - der Zollschreiber und Amtsvogt Hermann Bote.

Der Verlagsort erklärt sich durch Straßburgs damalige Bedeutung, so Bernd-Ulrich Hucker: "Die Stadt war sozusagen der Vorort des deutschen Humanismus in diesen Jahren nach 1500". Von Straßburg sprang der literarische Funke über nach Antwerpen. Das lag damals in den spanischen Niederlanden und war der Hauptbörsenort der westlichen Welt. Außerdem befand sich hier eine Hanse-Niederlassung, es gab Kontakte mit Portugal und Spanien. Dadurch war Antwerpen die Schaltstelle des Handels, aber auch der geistigen Kultur.

Das Werk Vieler

Vignette mit Till Eulenspiegel (Foto: akg-images)
Vignette mit Till EulenspiegelBild: picture-alliance/akg-images

Die Humanisten formten die Geschichte Till Eulenspiegels und machten ihn über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Ein 'Autorenkollektiv', das den originellen Rohstoff zur hochwertigen Literatur gestaltete. Derart aufgewertet wurde der Eulenspiegel bereits im 16. Jahrhundert in fast alle europäischen Sprachen übertragen und dabei vielfach abgewandelt. Dass das Buch auch in den Volkssprachen zu haben war, ist für die Verbreitung von großer Bedeutung. So wurden die Erzählungen über den kleinen Kreis der Gelehrten hinaus bekannt. Für die Vermittlung des Stoffes spielte auch das Jiddische eine besondere Rolle. Es öffnete die Türen nach Mittel- und Osteuropa.

Literarische Vereinnahmung

In Flandern wird Eulenspiegel zum Freiheitskämpfer. Die stärksten Änderungen am Werk erfolgten im 19. Jahrhundert. 1867 verfasste der Belgier Charles de Coster einen Eulenspiegel, der eng verknüpft ist mit den literarischen Traditionen der Niederlande. Er macht aus den Schelmenstreichen ein Epos des Freiheitskampfes der Flamen gegen die Spanier auf dem Höhepunkt des 80jährigen Krieges. "Der Eulenspiegel wird sozusagen eingebürgert in die Niederlande", sagt Bernd-Ulrich Hucker. Eine literarische Vereinnahmung gab es auch in Polen. Nicht nur die Geschichte wurde modifiziert, auch die Biografie wurde angeglichen. Kneitlingen – der Geburtsort im deutschen Buch – wird in Polen zu Knittowicz, in den Niederlanden wird es Knesselaar.

Buchillustration zu Till Eulenspiegel (Foto: Ullstein)
Buchillustration um 1300-1350Bild: ullstein bild - ullstein bild

In fast 300 Sprachen wird der hochdeutsche Text des Eulenspiegels übertragen. Ähnlich viele, wenn nicht noch mehr Übersetzungen, erreicht die Fassung des Flamen de Coster. Der Kolonialismus hat mitgeholfen, den Eulenspiegel zu verbreiten. Englische Übersetzungen gibt es reichlich. Im 19. Jahrhundert fanden die Geschichten ihren Weg nach Amerika, im 20. Jahrhundert in den Rest der Welt. Die wichtigste Übersetzung für Bernd-Ulrich Hucker ist die japanische. Ihre Detailgenauigkeit zeugt von großer Sorgfalt – übrigens ebenso bei der Übersetzung von de Costers Eulenspiegel. Kaum ein anderes deutsches Buch ist in der Welt so populär geworden wie der Eulenspiegel. Schelmenwitz und böse Streiche kommen eben überall gut an.

Autor: Günther Birkenstock

Redaktion: Gabriela Schaaf/Marlis Schaum