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Israel zensiert Presse aus "Sicherheitsgründen"

1. Februar 2011

Als einziger demokratischer Staat praktiziert Israel eine Vorzensur. Wenn geplante Veröffentlichungen die Sicherheitsinteressen des Landes berühren, dann wird die Geschichte entschärft - oder sie erscheint nie.

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Der Schatten einer Hand ist auf einem Fotografier-Verbotsschild zu sehen (Foto: dpa)
Die Presse ist nicht wirklich frei in IsraelBild: picture-alliance / dpa

Ob der israelische Enthüllungsjournalist Ronen Bergman auf der richtigen Spur ist, merkt er zuverlässig an einem untrüglichen Zeichen: an dem Umfang der Zensur. Je mehr die Zensurbehörde aus seinen Texten herausstreicht, desto sicherer ist er sich, dass er "die geheimen und besonders empfindlichen Punkte berührt", sagt er. Denn als Korrespondent für Militär und Geheimdienste müssen praktisch alle seine Texte vor ihrer Veröffentlichung der Zensurbehörde vorgelegt werden.

Das Feilschen mit dem Zensor

Ein organgenes Fadenkreuz ist auf einem Schild mit der Aufschrift "Press" abgebildet(Grafik: DW)
Die Presse im Fokus der Zensur
Bergman arbeitet für das Massenblatt "Yedioth Ahronoth" und für ausländische Medien. Seine Themen: Außen- und Sicherheitspolitik und der Geheimdienst Mossad. Diese Themen unterliegen in Israel der Vorzensur. Wer darüber publizieren will, muss seine Texte vorab vorlegen. Die Zensurbehörde prüft dann, ob sie die Sicherheit des Landes bedrohen könnten. Wenn Bergmans Texte vom Zensor zurück kommen, beginnt das große Feilen und Feilschen."Manchmal akzeptieren wir alles, was sie sagen, und manchmal verhandeln wir", sagt Bergman. Er versuche dann zu verstehen, an welcher Formulierung genau die Zensurbehörde sich störe. "Manchmal ist es die Struktur eines Satzes oder Absatzes. Manchmal sind es Teile des Materials. Und in vielen Fällen versuchen wir, eine andere Formulierung zu finden oder einen Vergleich", sagt er.

"Wie ausländische Quellen berichten..."

Als bestes Mittel, um Zensur zu umgehen, kennen israelische Journalisten eine Formulierung: "Wie ausländische Quellen berichten". Wer diese Worte einfügt, könne praktisch ungehindert auch über Militärgeheimnisse berichten, sagt Aluf Benn. Er ist Außen- und Sicherheitspolitik-Experte der Zeitung "Ha´aretz". Und für israelische Journalisten sei es einfach, Geheimnisse zu recherchieren – auch weil jeder die Armee als Wehrpflichtiger von innen kenne.

Zudem sprächen die Quellen innerhalb des Militärs gern mit Journalisten, berichtet Benn. Informanten könnten sich sicher sein, dass am Ende der Zensor über einen Text geht und jedes Sicherheitsproblem beseitigt. "Also machen sie den Reportern gerne eine Freude und sind sehr offen und freimütig in allen möglichen geheimen Angelegenheiten. Und dann kommt der böse Bube – oder in diesem Fall die böse Dame, denn der Chef-Zensor ist eine Frau namens Sima Gil – und sie ist den Reportern gegenüber diejenige, die gemein ist und sagt: Nein, das können Sie nicht veröffentlichen", erklärt Benn.

Die Zensur und der Oberste Gerichtshof

Ronen Bergman aber ist bereits mehrmals des Hochverrats angeklagt worden – nicht weil er Informationen veröffentlichen wollte, sondern allein weil er sie besaß. Die Geheimdienste versuchten auf diese Weise, ihn an seiner Arbeit zu hindern, ist er überzeugt. Denn gegen die Zensur selbst steht der Rechtsweg bis vor den Obersten Gerichtshof offen – meist mit dem schlechteren Ende für die Medien, sagt Bergman.

Ein Richter sei eben kein Geheimdienstexperte, und wenn ein Geheimdienstoffizier einem Richter vortrage, dass eine Veröffentlichung eine Gefahr für die Sicherheit Israels sei, werde der Richter das angeblichen Risiko einer Veröffentlichung nicht tragen wollen und für die Zensurbehörde entscheiden.

Von der Vor- zur Selbstzensur

Nahaufnahme Gesicht eins Mannes mit blauem Klebeband auf Mund und Zeigefinger vor den Lippen.(Foto: Stefan Redel)
Im vorauseilenden gehorsam zensiert sich die Presse zum Teil selbstBild: Fotolia/Stefan Redel

Aluf Benn aber ist von einer Sache überzeugt: Niemals behindere die Zensur die Berichterstattung über mögliche Menschenrechtsverstöße oder Kriegsverbrechen. Das sei auch gar nicht ihr Interesse. Für ihn hat die Institution der Vorzensur sich aber ohnehin überlebt: Kein israelischer Journalist würde wirklich gefährliche Informationen veröffentlichen wollen, sagt er.

Tatsächlich hält etwa Ronen Bergman solche Informationen zurück: Namen von Agenten, Quellen oder genaue Einsatzpläne. Er selbst übt sich außerdem in einem schwierigen Spagat: Der Enthüllungsjournalist dient in der Armee als Geheimdienstoffizier der Reserve – und beteuert, er trenne die Welt des beruflichen Geheimnisverrats strikt von der des Berufsgeheimnisses.

Gern spricht Benn dann von einer Chinesischen Mauer, die er erfolgreich dazwischen in seinem Kopf errichtet habe. "Und ich bin überzeugt dass die Tatsache, dass ich gegen die Geheimdienst-Community gekämpft habe und für das Recht der Öffentlichkeit zu wissen, ein ausreichender Beweis dafür ist, dass ich hoffentlich in der Lage bin, eine solche Chinesische Mauer aufrecht zu erhalten", sagt der Enthüllungsjournalist.

Autor: Christian Siepmann
Redaktion: Marco Müller