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Der Mann, der den Libanon retten soll

26. Januar 2011

Der 55-jährige Unternehmer Nadschib Mikati aus dem nordlibanesischen Tripoli soll die nächste Regierung in Beirut leiten und das Land aus der Krise führen - gegen den Widerstand von Ex-Premier Saad Hariri.

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designierter Premier im Libanon - Najib Mikati, Foto AP
Ein Mann der Mitte - der designierte Premier im Libanon, Nadschib MikatiBild: AP

Mikati ist ein Mann, der leise Töne bevorzugt, aber er kann sich durchsetzen, wenn es sein muss. Der hoch gewachsene Milliardär mit randloser Brille und einer klaren, ruhigen Ausstrahlung, will eine Regierung möglichst mit der Beteiligung aller Parteien zusammenstellen. Er appellierte an alle politischen Führer, mit ihm zusammenzuarbeiten: "Ich wiederhole heute, was ich immer sagen werden: Ich reiche allen Gruppierungen die Hand und bitte sie, ihrer nationalen Verantwortung gerecht zu werden, durch gegenseitiges Vertrauen und einen ehrlichen und verantwortungsbewussten nationalen Dialog."

Soldaten auf Panzer im Libanon, 25.1.2010, Foto: AP
Die Wahl von Übergangspremier Mikati wurde in Beirut von Protesten begleitetBild: AP

Mikatis zweiter Feuerwehreinsatz

Der Telekommunikationstycoon, der sehr gute Beziehungen zu Syrien und zu Saudi-Arabien unterhält, war bereits einmal Ministerpräsident: 2005, nach dem Mord an Ex-Premier Rafik Hariri, wenn auch nur für drei Monate. Seine Hauptaufgabe damals bestand darin, Neuwahlen vorzubereiten und das gespaltene und hoch emotionalisierte Land zusammenzuhalten. Das gelang ihm. Bei den Wahlen 2009 zog er als Alliierter Saad Hariris ins Parlament. Er war schon damals kurz als Kandidat für das Amt des Premiers im Gespräch, bis Hariri sich entschied, die Führung selbst zu übernehmen.

Blauhelmsoldaten in Beirut, Foto, Birgit Kaspar
Brüchiger Frieden: UN-Blauhelmsoldaten sollen die Ruhe im Libanon überwachenBild: Birgit Kaspar

Suche nach nationalem Konsens

Mikati ist davon überzeugt, dass der Libanon nur durch Ausgleich und Dialog stabilisiert werden kann. "Der Libanon wird sich nicht ändern. Hier sollten immer alle Libanesen an der Regierung beteiligt sein. Keine Partei, keine religiöse Gruppe kann die andere ausstechen oder alleine regieren."

Weil Saad Hariris Zukunftsbewegung die stärkste Sunnitenpartei ist, würde Mikati sie gerne in die Regierung einbinden. Doch Hariri verweigerte zunächst jegliche Kooperation. Er nannte seine Vertreibung aus dem Amt einen – so wörtlich – politischen Mord. Solche polarisierenden Worte gefallen Mikati nicht. In einem Interview vor zwei Jahren kritisierte er, dass die Libanesen immer wieder die gleichen Fehler machten. Sie verwandelten jegliches Thema in ein Problem und dann in einen Krieg untereinander.

Demontrant mit Rafik-Harir-T-Shrit und Kerze Foto: AP
Der ungeklärte Mord an Ex-Premier Rafik Hariri wirft seine Schatten auch auf die neue RegierungBild: AP

Balanceakt im Mordfall Rafik Hariri

Mikati verweist auf die Geschichte des Landes. Am Ende, so der Hoffnungsträger, stehe immer ein Kompromiss. Also könne dieser Kompromiss doch von Anfang an geschlossen werden. Der 55-Jährige ist trotz aller Kritik aus den Reihen der Hariri-Anhänger zuversichtlich, dass er letztlich an seinen Taten gemessen werde. Vorwürfe, er sei eine Marionette der vom Iran und Syrien unterstützten Hisbollah, weist Mikati entschieden zurück: "Ich bin in keiner Weise mit der Hisbollah verbunden." Er fühle sich deshalb auch nicht an die politischen Positionen der Hisbollah gebunden, mit Ausnahme des Schutzes für den nationalen Widerstand.

Das bedeutet im gegenwärtigen Kontext auch den Schutz der Hisbollah gegen eine Anklage durch das Hariri-Sondertribunal. Das Gericht in Den Haag soll die Schuldigen für den Mord an Rafik Hariri, den Vater Saads, finden. Die erwartete Anklage aus Den Haag gegen einige Hisbollah-Mitglieder hatte die aktuelle Krise ausgelöst. Die "Partei Gottes" bestreitet jegliche Verbindung zu dem Attentat und fordert, dass die Regierung in Beirut die Zusammenarbeit mit dem Tribunal einstelle. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bezeichnet das Gericht als politisiert und als amerikanisch-israelisches Komplott zur Schwächung der Hisbollah.

Terrorverdächtige Hamasmitglieder im Gefangenenwagen Foto: dpa
Der Hamas werden etliche Terroranschläge vorgeworfen, zum Beispiel auf Touristenziele in Ägypten 2006Bild: picture alliance / dpa

Mikati als Glücksfall?

Wie Mikati mit dieser delikaten Frage umgehen will, ließ er bislang offen. Sie werde im Dialog gelöst, sagt er. Doch es erscheint klar, dass der selbstsichere Mikati nicht von der Hisbollah und ihren Verbündeten unterstützt würde, wenn er nicht zu einer deutlichen Distanzierung vom Hariri-Tribunal bereit wäre. Das mögen viele, vor allem im Westen, verurteilen. Zahlreiche politische Beobachter in Beirut sind der Meinung, Mikati könnte ein Glücksfall für das Land sein.

Der Kolumnist Rami Khouri meint, man benötige jetzt eine außergewöhnliche Person, die die verschiedenen ideologischen Standpunkte vereinen könne. Mikati habe die besten Chancen genügend Leute um sich zu scharen. Der designierte Premier will am Mittwoch (27.1.2010) mit der schwierigen Kabinettsbildung beginnen.

Autorin: Birgit Kaspar
Redaktion: Nicola Reyk