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Werkstatt für Weltverbesserer

25. Januar 2011

Sie wollen die Welt verbessern, wissen aber nicht wie? Dann besuchen Sie die "Akademie für Visionautik" in Berlin. Die rüstet Sie mit allen Fähigkeiten aus, die Sie für Ihre Vision brauchen.

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Teilnehmer der Akademie für Visionautik (Foto: Manja Goldammer)
Bild: Goldammer

In den alten Fahrstuhl passen gerade einmal vier Leute. Hannah Tomsic aus Slowenien drückt auf den runden Kopf für die dritte Etage und beginnt zu erzählen: "Hallo, ich heiße Hannah. In fünf Jahren werde ich ein Burnout-Zentrum in Slowenien gründen."

Zwei Frauen mit frisch frisierten Haaren hören Hannah etwas irritiert zu. Als sie aber derart bestimmt über ihre konkreten Pläne für ihr künftiges Zentrum spricht, wird den beiden Fahrstuhlgästen klar: Ihre Mitfahrerin ist keine plappernde Verrückte, sondern eine "Visionautin". Und die Präsentation der Werkstatt-Ergebnisse beginnt offensichtlich schon im Fahrstuhl - auf dem Weg zur eigentlichen Veranstaltung. "Elevator Pitch" heißt diese Übung, in der die Visionauten 20 Sekunden - also etwa eine Fahrstuhlfahrt - Zeit haben, den Gästen ihre Vision für eine bessere Welt vorzustellen.

Mit Problemen spielt man nicht!

Boris Goldammer - studierter Architekt - und seine Frau Jutta - Pädagogin - haben die Akademie für Visionautik vor zwei Jahren gegründet. Seitdem finden jeweils im Winter und Sommer Werkstätten statt. "Angetreten sind wir mit dem wahnwitzigen Gedanken, die schwerwiegenden Probleme unserer Zeit mit spielerischer Leichtigkeit anzugehen", erklärt Boris Goldammer. Und fügt hinzu, dass viele meinen würden, dass dies eine Frechheit sei. Mit Problemen wie Hungersnot könne man schließlich nicht einfach herumspielen.

In fröhlicher Stimmung lauschen die Gäste den Vorträgen und Darbietungen der Teilnehmer (Foto: Manja Goldammer)
Hier werden die Ergebnisse der Werkstatt präsentiertBild: Goldammer

Der 38-jährige Goldammer aber findet, dass das durchaus geht. Zwar bräuchte es immer auch Leute in der Gesellschaft, die wie eine "Feuerwehr das Schlimmste verhindern". Doch wenn es darum gehe, "langfristig zu denken, dann ist eine spielerische Herangehensweise sehr hilfreich."

22 Teilnehmer aus ganz Europa sind, gefördert von der Europäischen Union, für die zehntägige Werkstatt nach Berlin gereist. Darunter auch Hannah aus Slowenien, die während dieser Zeit den Entschluss gefasst hat, ein Burnout-Zentrum in ihrem Heimatland zu gründen. Oder Mark aus den Niederlanden, der nachhaltige Skier von arbeitslosen Bergbewohnern herstellen lassen möchte. Elena aus Italien wiederum will das Verkehrschaos in Rom mit einer neuen Form der Mitfahrzentrale beheben.

Wie das Projekt, so auch die Persönlichkeit

Um den Plan der Pläne zu finden, ist die Werkstatt in zwei Phasen eingeteilt: Visions-Entwicklung und Visions-Umsetzung. Dabei ist es dem Ehepaar Goldammer wichtig, dass nicht nur das Projekt an Form gewinnt, sondern auch die jeweilige Persönlichkeit. Deswegen ist das Coaching-Team bunt gemischt: Yogalehrer, Unternehmensberater, Strategen und eben auch Visionäre.

Jutta Goldammer, Gründerin der Akademie für Visionautik (Foto: Manja Goldammer)
Jutta GoldammerBild: Goldammer

Die Ergebnisse können an diesem letzten Abend der diesjährigen Winterwerkstatt an den sehr persönlichen Ständen in einem Fabriketagen-Großraumbüro besichtigt werden. Manche Teilnehmer haben ihre Vision auf Pappen gemalt, andere haben sie direkt erlebbar gemacht.

Beratung für Weltverbesserer

Veronika aus Jena beispielsweise hat einen kleinen Büroraum mit Kerzenlicht, Steinchen und feinem Sandstrand in eine Meditations-Höhle verwandelt. Zwei Besucher sitzen unter einem Moskito-Netz auf gelben und orangefarbenen Kissen. Veronika erklärt hier ihr "Barfuß-Projekt". Im "normalen" Leben ist sie Trainerin und Coach in einer Beratungsstelle. In Zukunft möchte sie aber mit Hilfe von Ritualen Menschen helfen, Zugang zu ihrem Innersten zu finden. Dafür will sie auch nach Brasilien reisen und dort bei Schamanen forschen. Der Name "Barfuß" ist für sie ein Sinnbild: Wie ein Fuß, der ohne Schuhe direkt mit dem Boden in Berührung kommt, sollen Menschen wieder in Berührung mit ihren Gefühlen und der Natur kommen.

Der Barfußraum von Veronika Oehler (Foto: Manja Goldammer)
Der Barfußraum von Veronika OehlerBild: Goldammer

Veronika erzählt selbstbewusst von ihren Plänen und kommt aus dem Schwärmen über die Visionauten-Werkstatt nicht heraus. "Mein Projektplan steht, ich kenne jetzt meine konkreten nächsten Schritte und mein Kalender ist voll. Das ist richtig genial!" Auch wenn es zwischendurch verwirrte Phasen gegeben habe und sie gar nicht mehr gewusst habe, warum sie überhaupt teilgenommen habe. "Wir haben so viele gute Berater gehabt, die sich alle mit mir und meiner Idee beschäftigt haben, das war wirklich super."

Ein großes Lob für die Akademie für Visionautik - schließlich ist Veronika ja selbst Trainerin. Nun liegt es an ihr und den anderen Visionauten, ihre Weltverbesserungs-Ideen in die Tat umzusetzen. Das Handwerk dazu haben sie in den vergangenen Tagen gelernt.

Autorin: Nadine Wojcik

Redaktion: Petra Lambeck