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Atempause für Portugal und Spanien

13. Januar 2011

Portugal und Spanien konnten sich frisches Geld am Kapitalmarkt besorgen. Doch die Gefahr eines Staatsbankrotts ist nicht gebannt, denn die Risikoprämien sind weiter auf Rekordniveau. Ist die Nervosität gerechtfertigt?

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Portugal und Spanien topografische Reliefkarte (Foto: AP)
Die Finanzmärkte haben die iberische Halbinsel fest im BlickBild: AP

An schlechten Nachrichten aus Lissabon mangelt es wahrlich nicht: Die privaten Haushalte sind hoch verschuldet, so auch der Bankensektor und der ganze Staat. Sparen ist daher das oberste Gebot. Das bedeutet aber auch noch weniger Investitionen und noch weniger Konsum. Kein Wunder, dass Portugal dieses Jahr wieder in eine Rezession hineinschlittern wird. Das hat die eigene Notenbank am Mittwoch (12.01.2011) prognostiziert. Diese Einschätzung teilt auch Andreas Rees, Chefvolkswirt von Unicredit.

Andreas Rees, Chefökonom von Unicredit (Foto: Unicredit)
Andreas Rees, Chefökonom von UnicreditBild: Unicredit

Dennoch sieht er Portugal im Vorteil im Vergleich zu Griechenland und Irland: "In Portugal gab und gibt es keine spekulativen Übertreibungen wie in Irland. Portugal hat in dem Sinne auch kein Bankenproblem wie Irland." Außerdem habe Portugal nicht über seine Verhältnisse gelebt wie Griechenland. Und die Zahlen aus Lissabon seien zuverlässig.

Mehr Anstrengungen notwendig

Rees sieht Portugal zudem auf einem guten Weg der Konsolidierung. Allein in diesem Jahr will das Land vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts einsparen. Für Clemens Fuest, Direktor des Centre for Business an der Universität Oxford, ist es nicht entscheidend, wie viel Portugal dieses Jahr spart, sondern, "ob man sich mittelfristig auf einen Konsolidierungskurs festlegen kann, und auf einen Kurs in der Wirtschaftspolitik, der das Wachstum stärkt." Das bedeute, Arbeitsmärkte deregulieren, Marktzugangsbeschränkungen abbauen, das Steuersystem wachstumsfreundlicher gestalten. "Das ist ein ganzer Strauß von Politiken, die man im Auge haben muss", sagt Fuest weiter.

Angst vor der Angst

Prof. Clemens Fuest, Direktor am Centre for Business an der Universität Oxford (Foto: Fuest)
Prof. Clemens Fuest, Direktor am Centre for Business an der Universität OxfordBild: Clemens Fuest

Die Regierung in Lissabon muss also mehr tun, um die Glaubwürdigkeit wieder zu erlangen. Ob die Finanzmärkte dem Land so viel Zeit für die notwendige Strukturreform geben, ist eine andere Frage. "Zu einem erheblichen Maß hängt das davon ab, was die Finanzmarktakteure eigentlich untereinander erwarten. Das heißt, wenn der eine Investor erwartet, dass der andere das Vertrauen verliert, ganz unabhängig davon, was Portugal macht, dann kann es schon zu einer Krise kommen", sagt Clemens Fuest.

Für ihn ist es daher nicht seriös vorhersagbar, ob und wann Portugal unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen muss. Der Bedarf an frischem Kapital beträgt dieses Jahr 20 Milliarden Euro. Einer Art Dauerstresstest muss sich das Land unterziehen.

Flächenbrand befürchtet

Comik Euro-Rettungsschirm
Rettungsschirm schützt vor PleitegeiernBild: Dominik Joswig

Wäre es da nicht stressfreier, sich einfach unter den Rettungsschirm zu stellen, zumal Portugal dann auch noch günstigere Zinsen bekommen würde? Auch die europäischen Rentenmärkte könnten wieder zur Ruhe kommen. Doch würde die Ruhe nach Meinung von Andreas Rees, Chefvolkswirt bei Unicredit, nur von kurzer Dauer sein, denn "auf der anderen Seite könnte es natürlich sein, dass dann die Spekulation sich auf andere europäische Länder richtet, zum Beispiel auf Spanien."

Auch wenn die Fundamentaldaten solche Spekulationen nicht rechtfertigen. Das ehemalige Boomland Spanien beispielsweise hat vor der Krise Etatüberschüsse erwirtschaftet und wird dieses Jahr trotz riesiger Haushaltslöcher eine Schuldenquote von nur knapp 70 Prozent des BIP aufweisen - niedriger als Deutschland. Auch hat Spanien den Haushalt besser saniert als andere Sorgenkinder der Eurozone. Die Exporte haben 2010 wieder angezogen und fast das Vorkriseniveau erreicht. Daher geht Wirtschaftswissenschaftler Clemens Fuest nicht davon aus, dass Spanien Hilfe von außen benötigt: "Sicherlich gibt es da Risiken, die aus dem Bankensektor kommen. Und es geht um die Frage: Gibt es faule Kredite, die aus dem Ende des Baubooms resultieren?" Aber Spanien stehe von den heute bekannten Daten her deutlich besser da als Griechenland und Irland.

Ungerechte Finanzmärkte?

Händler an der New Yorker Börse (Foto: AP)
Wohl kalkuliert oder nur ein Herdentrieb?Bild: AP

Wenn die Lage auf der iberischen Halbinsel gar nicht so entmutigend ist, warum verlangen Finanzmärkte horrende Risikoprämien? Andreas Rees warnt, die Verhältnismäßigkeit nicht außer acht zu lassen. "Die USA werden in diesem Jahr ein sehr hohes Haushaltsdefizit von rund zehn Prozent des BIP haben, und die Märkte scheinen sich nicht richtig Sorgen zu machen, obwohl die Amerikaner ihre Schuldenproblematik nicht angehen", sagt Rees. In der Eurozone werde die Verschuldung angegangen und trotzdem sei die Nervosität sehr hoch. "Da wird mit zwei unterschiedlichem Maß gemessen", so Rees weiter.

Das sieht Clemens Fuest von der Oxford-University etwas anders. Die Finanzmärkte gehen sehr rational vor: "Die USA haben zwar eine etwas höhere Schuldenquote als die Eurozone, aber ihr Wachstumspotential ist ein ganz anderes." Zudem hätten die USA anders als der Euroraum eine einheitliche Regierung und nicht viele Regierungen in einem gemeinsamen Währungsgebiet. "Die USA und der Euroraum sind insofern nicht ohne weiteres vergleichbar."

Autorin: Zhang Danhong

Redaktion: Rolf Wenkel