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Guatemala startet Offensive im Drogenkampf

20. Dezember 2010

Die guatemaltekische Regierung hat im Kampf gegen die Drogenmafia erstmals den Ausnahmezustand über einen Landesteil verhängt. Wird Guatemala nach Mexiko das nächste Schlachtfeld im Drogenkrieg?

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Gemeinsam patrouillieren Militär und Polizei im Hochland von Guatemala b(Foto: dpa)
Militär und Polizei patrouillieren gemeinsam im Hochland von GuatemalaBild: AP

Der Kampf gegen die zentral- und mittelamerikanischen Drogenkartelle steuert nun auch in Guatemala in Richtung Eskalation: Mit einem massiven Aufgebot rückten Einheiten des guatemaltekischen Militärs und der Nationalpolizei am Sonntag (19.12.2010) in die Provinz Alta Verpaz vor. In der Stadt Cobán durchsuchten Sicherheitskräfte zahlreiche Häuser und inspizierten jedes Auto, das in oder aus der Provinzhauptstadt gefahren ist. Zuvor hatte Guatemalas Präsident Álvaro Colom erstmals den Ausnahmezustand über die Region im Norden des Landes an der Grenze zu Mexiko erklärt. Damit greift die Regierung des zentralamerikanischen Landes im Kampf gegen die Drogenmafia, die sogenannten "Narcos", erstmals auf Notstandsgesetze zurück.

Ein Soldat und Passanten in der Provinzhauptstadt Cobán, Guatemala (Foto: AP)
Schwerpunkt der Aktionen ist die Provinzhauptstadt CobánBild: AP

Der nun verhängte Ausnahmezustand ermächtigt die Armee zur Festnahme von Verdächtigen ohne Gerichtsbeschluss, Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl und gibt ihr die Kontrolle über lokale Medien. Außerdem ist das Tragen von Waffen verboten. Präsident Colom bat die Bewohner von Alta Verapaz über lokale Rundfunksender um Ruhe und Verständnis. Zugleich versicherte Colom, die Bevölkerung blicke "positiv" auf die ergriffenen Maßnahmen und unterstütze die Sicherheitskräfte mit Informationen. Auch lokale Medien aus Cobán berichteten, die Bevölkerung stehe den Operationen zustimmend gegenüber.

Guatemala ein "Narco-Staat"?

Colom erklärte, der Ausnahmezustand werde "solange wie nötig" aufrechterhalten, um Drogenhandel und organisiertes Verbrechen aus der Region zu vertreiben und die öffentliche Ordnung wieder herzustellen. Ein Sprecher des Präsidenten räumte ein, dass sowohl in Cobán und im gesamten Departement Alta Verpaz die Aktionen der Drogenbanden in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen hätten. Das gelte insbesondere für die vor allem im Süden Mexikos agierende Gang "Los Zetas".

Guatemalas Präsident Álvaro Colom (Foto: dpa)
Kontrollverlust in weiten Landesteilen? Guatemalas Präsident Álvaro ColomBild: picture-alliance/ dpa

Guatemalas Regierung räumt damit offener als bislang ein, die Kontrolle über Teile des Landes verloren zu haben. Bald 15 Jahre nach Beendigung des blutigen jahrzehntelangen Bürgerkriegs droht Guatemala in Gewalt zu versinken. Nach Angaben des kirchlichen Menschrechtsbüros in Guatemala Stadt sind seit dem Friedensschluss im Dezember 1996 mindestens 63.000 Menschen gewaltsam ums Leben gekommen. Dabei sei ein kontinuierlicher Anstieg der Gewalt zu verzeichnen. Eine repräsentative Umfrage ergab jüngst, dass 52 Prozent der Einwohner Guatemalas die Armut als Grund für die Gewalt im Land sehen. Fast die Hälfte gab an, die Regierung tue zu wenig dagegen. Nur zwei Prozent aller Morde werden aufgeklärt.

Angeschlagener Staat

Ausgehöhlte Rechtsstaatlichkeit und von Korruption geschwächte staatliche Institutionen haben Guatemala in den vergangenen Jahren zu einer bevorzugten Heimstatt des organisierten Verbrechens werden lassen. Vor allem nutzen mexikanische Drogenkartelle das Land zum Transit von Kokain und zur Wäsche von Drogengeldern. Der in Mexiko grassierende Drogenkrieg ist damit längst ins südliche Nachbarland eingesickert.

Soldat im mexikanischen Cuernavaca: Mexiko setzt im Drogenkrieg auf das Militär (Foto: AP)
Soldat im mexikanischen Cuernavaca: Mexiko setzt im Drogenkrieg auf das MilitärBild: AP

In dem in Mexiko zunehmend militärisch geführten Kampf gegen Drogenbanden sind seit dem Amtsantritt von Präsident Felipe Calderón vor vier Jahren mehr als 30.000 Menschen getötet worden. Allein im Jahr 2010 seien bis Ende November mehr als 12.400 Menschen ums Leben gekommen, teilte Mexikos Generalstaatsanwalt Arturo Chávez unlängst mit. Seinen Angaben zufolge wurden in diesem Jahr mindestens zehn der 24 meistgesuchten Drogenbosse getötet oder gefangen genommen.

Wahlen 2011

Calderón hatte im Dezember 2006 einen massiven Militäreinsatz gegen die Drogenbanden gestartet. Seither hat die Gewalt zwischen rivalisierenden Gangs, die um Schmuggelrouten in die USA kämpfen, sowie zwischen Drogenhändlern und Sicherheitskräften stark zugenommen. Täglich kommt es in nordmexikanischen Städten zu Ermordungen und Entführungen. Nun zieht offenbar auch Guatemalas Mitte-Links-Regierung im Drogenkampf die militärische Karte. Im Herbst 2011 wählt das Land einen neuen Präsidenten. Derzeit gute Chancen ausrechnen kann sich der rechtspopulistische Kandidat Otto Pérez Molina. Er vertritt innenpolitisch einen Kurs der "harten Hand".

Autor: Sven Töniges (mit Material von DPA und KNA)

Redaktion: Oliver Pieper