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Chávez darf ohne Parlament Gesetze erlassen

21. Dezember 2010

Das venezolanische Parlament hat Präsident Hugo Chávez Sondervollmachten verliehen. Er will damit die Hilfe für die Opfer der jüngsten Überschwemmungen auf den Weg bringen. Die Opposition wittert Machterhalt.

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Venezuelas Präsident Hugo Chávez (Foto: AP)
Sichert sich mehr Macht: Hugo ChávezBild: ap

Freie Hand, um Gesetze zu ändern - dieses Recht hat nun Venezuelas Präsident Hugo Chávez vom Parlament bekommen. Freilich nicht für alle Änderungen, aber Chávez kann nun Gesetze, die die Telekommunikation, das Militär und die innere Sicherheit regeln, allein ändern. Und obendrein auch Steuern neu festsetzen. Diese Sondervollmachten hat ihm das Parlament am Freitag (17.12.2010) für die folgenden 18 Monate verliehen.

Debatte im venezolanischen Parlament (Foto: AP)
Ein Unterstützer Chávez' bei der Debatte im ParlamentBild: AP

Für die Opposition bedeutet die Entscheidung den Beginn eines Wandels zur Diktatur. Sie kritisierte die neuen Befugnisse heftig. Doch Chávez winkt ab: "Wir werden gewinnen. Mal sehen, wie sie (die neue Mehrheit im Parlament) jetzt Gesetze schaffen wollen." Bei der Parlamentswahl im September 2010 hatte die Opposition stark dazugewonnen. Chávez verliert im neuen Parlament, das sich am 04. Januar 2011 konstituiert, seine Zwei-Drittel-Mehrheit. So ließ er sich die Sonderrechte noch vom alten Parlament genehmigen mit der Begründung, den Opfern der Überschwemmungen und Erdrutsche schneller finanziell auf die Beine helfen zu können. Beispielsweise will er einen Fonds für Wohnungsbau einrichten lassen. Die Einnahmen sollen über eine neue Erhöhung der Mehrwertsteuer gesichert werden.

Hilfe für die Betroffenen

Menschen räumen Schlamm von den Straßen in Caracas (Foto: dpa)
Nach den Regenfällen sind Straßen kaum noch erkennbarBild: picture alliance/dpa

In der vergangenen Woche waren in Venezuela mindestens 38 Menschen bei sintflutartigen Regenfällen ums Leben gekommen. Etwa 130.000 verloren ihr Hab und Gut in den Fluten und mussten Häuser und Wohnungen verlassen. Auch die Infrastruktur wurde stark beschädigt: 250 Straßen müssen repariert werden, 36 Brücken können nicht oder nur teilweise passiert werden und landwirtschaftliche Felder von etwa 50.000 Hektar Größe sind zerstört. Chávez will nun den Marsch in "Richtung Sozialismus" beschleunigen. Niemals zuvor sei das so dringend gewesen.

Kritik an Chávez' Plänen

Für die Opposition kommen die Sondervollmachten nun einem "Weihnachtspaket" gleich - überreicht vom alten Parlament. Auch die USA kritisierten die Pläne: Chávez untergrabe den Willen der venezolanischen Bevölkerung, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip Crowley. Dies seien wieder neue, kreative Wege, mit denen sich der Staatschef seine autokratischen Machtstrukturen sichere.

Nicht zum ersten Mal regiert Venezuelas Präsident per Dekret und Sondervollmacht. Dreimal zuvor griff er bereits auf dieses Mittel zurück. 1999 hatte Chávez sechs Monate lang freie Hand für den Wirtschaftsbereich, dann 2000 für Veränderungen bei sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, der öffentlichen Sicherheit, der Organisation des Staates und der Infrastruktur. In seiner fast zwölfjährigen Amtszeit hat er per Dekret rund 100 Gesetze verabschiedet und so beispielsweise 2007 die Ölindustrie verstaatlicht. Zudem erhöhte er die Zahl der Richter am Obersten Gerichtshof. Erst am Freitag hatte das Parlament die Verstaatlichung von Banken erleichtert. Was bislang in den Händen der Bankaufsicht lag, darf nun ebenfalls Präsident Hugo Chávez anordnen.

Autor: Nicole Scherschun (rtr, epd, dapd, afp)
Redaktion: Annamaria Sigrist