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Wirksame Weltklima-Strategie rückt näher

13. Dezember 2010

Punktsieg für den Klimaschutz: Das Scheitern der Verhandlungen in Cancùn wurde verhindert - die Folgekonferenz 2011 in Südafrika wird zum Lackmustest, meint Dirk Messner vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik.

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Porträt Dirk Messner (Foto: DIE)
Gastautor Dirk MessnerBild: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Die Verhandlungen von Cancún sind nicht gescheitert. Diese Meldung ist nach der Schockstarre, die in der Klimapolitik nach der letzten Konferenz in Kopenhagen eingetreten war, bereits ein Hoffnungsschimmer. Wir sind bescheiden geworden. Wäre Cancùn in einem Streit zwischen den Staaten geendet, hätte dies das endgültige Aus für die UN-Klimaverhandlungen bedeutet. Mehr noch, die Zukunft multilateraler Kooperation stand auf dem Spiel.

Von Kopenhagen war geblieben, dass trotz weitgehend geteilter Einsicht in die Ursachen und Risiken globaler Erwärmung am Ende der Zwist zwischen den Nationalstaaten gemeinsames Handeln verhindert hatte. Alle hatten sich wechselseitig die Schuld zugeschoben, niemand hatte nachgeben wollen, nationale Interessenpolitik verhinderte, sich auf gemeinsame Regeln und Maßnahmen zum Schutz des Erdsystems zu verständigen.

Nach Kopenhagen wurde in vielen Hauptstädten und internationalen Folgekonferenzen diskutiert, ob es sein könnte, dass die Staatengemeinschaft vielleicht nicht dazu in der Lage sei, eine globale Herausforderung wie den Klimawandel zu meistern.

Sorge vor dem großen Scheitern

Diese Sorge vor dem großen Scheitern weltweiter Kooperation durch den Egoismus der Nationalstaaten prägte die Grundstimmung in Cancùn. Fast alle Akteure übten sich in Vertrauensbildung, konstruktiver Verhandlungsführung und dem Verzicht auf Schuldzuweisungen. Das ist mehr als Nichts, denn ohne diese Grundlagen ist jede internationale Verhandlung zum Scheitern verurteilt.

Für einen kurzen historischen Moment kam sogar so etwas wie ein globales Wir-Gefühl in der internationalen Staatengemeinschaft auf. Als die umsichtige mexikanische Außenministerin Patricia Espinosa dem Plenum der Nationalstaaten die Entwürfe für das "Abkommen von Cancún" präsentierte, war die Anspannung mit Händen zu greifen.

Wenn nun die Staaten, wie in Kopenhagen, aufgestanden wären, um ihre Partikularinteressen und wechselseitigen Schuldzuweisungen vorzutragen, wäre der Verhandlungsprozess auseinandergefallen. Doch es geschah etwas ganz anderes. Einzelne Delegierte begannen zu applaudieren, zum Schluss applaudierten sie (fast) alle, stehende Ovationen, vier Minuten lang. Ein beinahe magischer Augenblick.

Die Nationalstaaten, die in Kopenhagen vorgeführt hatten, wie sich engstirnige Interessenpolitik in der multipolaren Weltordnung in Handlungsunfähigkeit und Misstrauen übersetzen, konstituierten sich an diesem Freitagabend in Cancún als Staatengemeinschaft. Nur Bolivien widersetzte sich der Einigung, doch es fand keinerlei Unterstützung.

Durchbruch oder Aufbruch?

Die Verhandlungen sind also nicht gescheitert. Aber sind wir einer realen Lösung des Klimaproblems näher gekommen? War dies ein Durchbruch oder Aufbruch in der Klimadiplomatie? Ohne internationale Gesprächsbereitschaft gibt es kein gemeinsames Handeln. Insofern war Cancùn ein Erfolg.

Doch wie steht es um die Substanz des Abkommens? Einerseits liegen nach Cancún wichtige Beschlüsse und Instrumente vor, denen alle Staaten zugestimmt haben: Das Zwei-Grad–Ziel ist festgeschrieben; ein Klimafonds soll aufgefüllt werden, so dass ab 2020 100 Milliarden US-Dollar jährlich für klimaverträgliche Investitionen in Entwicklungsländern zur Verfügung stehen; das Gremium, das diesen Fonds steuert, soll aus Vertretern aus 15 Industrie- und 25 Entwicklungsländern bestehen; Entwicklungsländer sollen bis zur nächsten Klimakonferenz Strategien zum Schutz der Regenwälder vorlegen; die vorliegenden Ziele der Staaten zur Minderung der Emissionen, von denen die Experten sagen, dass sie bei weitem nicht ausreichen, um gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, sollen überprüft und gemeinsame Standards zu deren Messung erarbeitet werden.

Vieles bleibt im Ungefähren

Andererseits verbleibt der Konsens der Staaten an den Stellen im Ungefähren, an denen es ernst wird. Wie kommen die 100 Mrd. US-Dollar ab 2020 zusammen, wo doch die Industrieländer schon ihre in Kopenhagen für 2010 - 2012 zugesagten 30 Milliarden US-Dollar nicht zur Verfügung stellen? Welche Staaten müssen ihre Emissionen wie schnell reduzieren? Wie soll vorgegangen werden, wenn die Zusagen der Staaten, ihre Emissionen zur reduzieren, nicht ausreichen, um die globale Erwärmung zu stoppen? Was geschieht mit Ländern, die sich nicht an die Abmachungen halten?

Diese konkreten Fragen werden in Rahmen der Klimakonferenz Ende 2011 in Südafrika auf dem Tisch liegen. Dann wird sich zeigen müssen, ob die Klimaverhandlungen in einem WTO-Modus kleinster Fortschritte münden und damit der Preis für die Einigung zwischen den Staaten in einer Erwärmung deutlich über Zwei-Grad liegt, oder ob eine wirksame Weltklimastrategie gelingt.

Autor: Prof. Dr. Dirk Messner, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) und Stellv. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats globale Umweltveränderungen (WBGU)

Redaktion: Klaus Ulrich

Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) zählt weltweit zu den führenden Forschungsinstituten und Think Tanks zu Fragen globaler Entwicklung und internationaler Entwicklungspolitik. Das DIE berät auf der Grundlage unabhängiger Forschung öffentliche Institutionen in Deutschland und weltweit zu aktuellen Fragen der Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Das einzigartige wissenschaftliche Profil des DIE ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Forschung, Beratung und Ausbildung. Dadurch baut das DIE Brücken zwischen Theorie und Praxis der Entwicklungspolitik.