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Mehr Marktmacht für Milchbauern

9. Dezember 2010

Wenn Milch weniger kostet als Mineralwasser, liegt das auch am geringen Einfluss der Erzeuger auf die Preise - das hat die Milchmarktkrise 2009 deutlich gezeigt. Die EU-Kommission will nun die Rechte der Bauern stärken.

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Die Abfüllanlage einer Molkerei(Foto: DW-TV)
Frische Milch kostet oft weniger als sie wert istBild: DW-TV

Milchkartelle sollen den gebeutelten Milchbauern in der Europäischen Union zu einer größeren Marktmacht verhelfen. EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos präsentierte am Donnerstag (09.12.2010) einen Vorschlag, der den Landwirten künftig die Gründung europaweiter Erzeugergemeinschaften erlauben soll. Gemeinsam sollen sie so in den Verhandlungen mit Molkereien und dem Einzelhandel gestärkt werden und höhere Preise für ihr Produkt durchsetzen können. Ziel sei es, die Erzeuger auf die Zeit nach 2015 vorzubereiten, wenn die Milchquoten ausgelaufen sind, sagte Ciolos in Brüssel.

Allerdings erwarten Experten für Deutschland keine grundlegenden Änderungen, zumal Milchbauern, die schon jetzt genossenschaftlich organisiert sind, von den Neuregelungen ausdrücklich ausgenommen werden. Da hierzulande nahezu alle Milchlieferungen auf schriftlichen Verträgen beruhen, ergeben sich nach Ansicht des deutschen Raiffeisenverbandes wenige Änderungen.

Ein Landwirt versprüht aus Protest gegen die Milchpreise seine Milch auf einem Acker(Foto: dpa)
Im Herbst 2009 demonstrierten EU-Bauern für höhere MilchpreiseBild: picture-alliance/dpa

Einfluss ausweiten – und eingrenzen

In den Verhandlungen mit den Milchverarbeitern sollen die Bauern im Voraus feste Preise für ihr Produkt aushandeln können. Derzeit wissen die Erzeuger oft nicht, welcher Preis ihnen zum Zeitpunkt der Lieferung gezahlt werden wird. Die Kommission will die Macht der Bauern jedoch zugleich begrenzen: Den Erzeugergemeinschaften soll ein Marktanteil von bis zu 33 Prozent an der Milchproduktion einzelner EU-Staaten sowie von bis zu 3,5 Prozent an der gesamten Erzeugung in der EU zugestanden werden. Ciolos hatte eigentlich weitaus großzügigere Regelungen im Sinn, stieß damit aber auf den erbitterten Widerstand von EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia.

Grundsätzliche Zustimmung zu Ciolos Plänen kommt dagegen vom Deutschen Bauernverband. Die Vorschläge liefen darauf hinaus, dem bereits erfolgreichen deutschen Modell auch europaweit zum Durchbruch zu verhelfen, sagte Bauern-Vizepräsident Udo Folgart. Die vorgeschlagenen Markt-Obergrenzen für die Erzeugergemeinschaften müssten allerdings noch einmal "sehr genau geprüft" werden.

Die Milcherzeugerorganisation European Milk Board (EMB) kritisiert den nun beschlossenen Prozentsatz als "viel zu gering". Man müsse bedenken, dass es bei den Molkereien schon jetzt Unternehmen mit einem europäischen Marktanteil von fast neun Prozent gebe und dieser ungehindert wachse, erklärte EMB-Vizepräsident Sieta van Keimpema. Grundsätzlich sei es jedoch sinnvoll, den Milcherzeugern eine bessere Position am Markt zu ermöglichen. Die Grünen im Europaparlament bezeichneten die Vorschläge als "gut gemeint, aber noch nicht gut gemacht". Schon jetzt gebe es in Deutschland Erzeugergemeinschaften, die größer als jene seien, die künftig noch erlaubt sein sollten. Für die SPD gehen die Vorschläge "in die richtige Richtung" und die CDU spricht von einer "wichtigen Grundlage für fairen Wettbewerb". Die FDP mahnt, neue Branchenorganisationen dürften keine Preis- und Mengenregulierung durch die Hintertür einführen.

Handelsketten setzen Lieferanten unter Druck

Demonstranten halten eine überdimensionale Todesanzeige mit der Aufschrift 'Zum Gedenken an die bäuerlichen Existenzen, die Opfer des EU-Milchdumpings geworden sind' (Foto: AP)
Die Milchbauern sehen ihre Existenzen in GefahrBild: AP

Der Kommissionsvorschlag soll den Landwirten bei der bevorstehenden Liberalisierung des Milchmarkts helfen. "Ziel dieser Vorschläge ist es, unsere Lehren aus der Milchmarktkrise im vergangenen Jahr zu ziehen", sagte Agrarkommissar Ciolos. Die Regelung solle bis 2020 gültig sein und könne möglicherweise bereits 2012 in Kraft treten. Zuvor müssen noch die Agrarminister der Länder sowie das EU-Parlament zustimmen. 2014 und 2018 sollen die Maßnahmen dann auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

Ähnlich wie in anderen EU-Ländern hatten auch in Deutschland die Handelsketten in den vergangenen Jahren ihre Preise für Milch, Butter und Käse immer wieder gesenkt und die Preissenkungen an ihre Lieferanten weitergereicht. Während die Verbraucher davon profitierten, fühlten sich viele Milchbauern unter Druck gesetzt und in ihrer Existenz bedroht. Mit wochenlangen Demonstrationen und Lieferstreiks erreichten die Landwirte im Herbst 2009 einen zumindest vorübergehenden Preisanstieg.

Autor: Rolf Breuch (afp, dapd, dpa)
Redaktion: Ursula Kissel