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Istanbuler Gericht lässt Autor Akhanli frei

9. Dezember 2010

Nach vier Stunden Verhandlung hat ein türkisches Gericht den wegen Raubs und Totschlags angeklagten Kölner Autor Dogan Akhanli aus der Haft entlassen. Mehrere Zeugen haben den Schriftsteller entlastet.

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Dogan Akhanli (Wikimedia)
Dogan Akhanli lebt seit 1992 in KölnBild: CC/Raimond Spekking/Wikimedia Commons

Vier Monate saß er in türkischer Untersuchungshaft, nun kommt der Kölner Autor Dogan Akhanli wieder auf freien Fuß. Ein Istanbuler Gericht sah am ersten Prozesstag am Mittwoch (08.12.2010) nach vier Stunden Verhandlung keinen dringenden Tatverdacht und ordnete an, den 53-Jährigen aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Akhanli könne auch die Türkei verlassen, sagte der deutsche Schriftsteller Günter Wallraff, der als Prozessbeobachter nach Istanbul gereist war. Der Prozess werde im März weitergehen.

Die Staatsanwaltschaft wirft Akhanli vor, 1989 an einem tödlichen Raubüberfall auf eine Wechselstube in Istanbul beteiligt gewesen, bei dem ein Mann starb. Der Schriftsteller, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, war zum ersten Mal nach fast 20 Jahren in sein Heimatland gereist, um seinen todkranken Vater zu besuchen. Gleich nach seiner Ankunft wurde er jedoch verhaftet, sein Vater ist inzwischen verstorben.

Zeugen entlasten Akhanli

Orhan Pamuk (Foto: RIA Novosti)
Nobelpreisträger Orhan Pamuk unterstützt AkhanliBild: RIA Novosti

Akhanli wies die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft zurück. Vor Gericht verweigerte er aus Protest die Aussage. "Ich nehme mein Recht auf absolutes Schweigen wahr", sagte der Schriftsteller. Seine Anwälte gehen davon aus, dass der Prozess letztlich eingestellt wird. Denn Zeugen, darunter Angehörige des Opfers, haben Akhanli entlastet.

So sagte Ünay Tutum, ein Sohn des erschossenen Wechselstubenbetreibers, aus: "Ich kann mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass dieser Mann nicht unter den drei Tätern war." Sein Bruder Mustafa Tutum berichtete, dass er seinerzeit nicht Akhanli als Täter identifiziert habe. Und Hamza Topa, der ein Hauptbelastungszeuge ist, schilderte seine Vernehmung: Er sei damals von einer Anti-Terroreinheit eingeschüchtert und geschlagen worden. Daher habe er Akhanli belastet, "weil er in Deutschland war und ihm ja nichts passieren konnte".

Freunde vermuten politische Motive

Günter Wallraff (Foto: DW)
Günter Wallraff reiste zum Prozess nach IstanbulBild: DW/F.Craesmeyer

In Deutschland wurde die Entscheidung des Istanbuler Gerichts begrüßt. Nun müsse der Prozess rechtsstaatlich zu Ende gebracht werden, forderten die Vorsitzenden der Grünen, Claudia Roth und Cem Özdemir. Sie begrüßten die Freilassung als überfällig. "Unser Mitgefühl gehört Dogan Akhanli, der wegen der Inhaftierung seinen erkrankten Vater nicht mehr vor dessen Tod sehen konnte", erklärten beide.

Wallraff kritisierte, die türkischen Behörden hätten den Falschen verhaftet: "Ich verbürge mich dafür, dass er unschuldig ist." Akhanlis Unterstützer vermuten, dass die Verhaftung und die lange Untersuchungshaft politische Gründe hat. Der Schriftsteller hat in seinem Werk den Genozid an den Armeniern thematisiert und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei kritisiert.

Günter Wallraff war als Teil einer Delegation mit etwa 20 Mitgliedern aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden zum Prozessbeginn nach Istanbul gereist. Auch türkische Intellektuelle wie der Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk hatten sich für Akhanli eingesetzt.

Autor: Dirk Eckert (dapd, dpa)

Redaktion: Siegfried Scheithauer