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Placebo

7. Dezember 2010

Im Frühjahr mussten sich 91 europäische Banken einem Stresstest unterziehen. Sieben fielen durch - darunter keine einzige irische Bank. Kein Wunder, dass die Zweifel an der Qualität des Tests immer größer werden.

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Unter dem Schirm eines Besuchers der Aussichtsplattform auf der Helaba ist die Frankfurter Bankenskyline zu erkennen (Foto: dpa)
Banken unterm RettungsschirmBild: picture alliance/dpa

Jeden Tag kommt Fidel Helmer an die Börse. Er betreut Kunden der Bank Hauck & Aufhäuser. Der Börsenchef der Privatbank freut sich über die gute Kursentwicklung bei deutschen Aktien. Aber er weiß auch, dass dahinter nicht nur gute Unternehmensnachrichten stehen. Der Kauf von Aktien entspringe auch der Sorge um das Geld. Die treibe die Menschen in Sachwerte, nicht nur ins Gold, sondern eben auch in Aktien. Er weiß, dass die Finanzkrise nicht vorbei ist und noch nie vorbei war. "Damals haben die Ergebnisse des Stresstests sehr wohl die Märkte beruhigt", sagt Helmer, "aber inzwischen zweifelt man doch an der Qualität dieser Stresstests."

Im zurückliegenden Juli waren 91 Banken geprüft worden. Nur sieben fielen durch: die deutsche Hypo Real Estate, die griechische ATE Bank und fünf spanische Sparkassen. Dass irische oder portugiesische Banken in den nächsten vier Monaten ins Wanken geraten würden, davon war nicht die Rede. Dass irische Banken ohne Staatshilfe nicht überleben würden, ja, sogar den irischen Staat wegen der Bankenhilfe unter den europäischen Rettungsschirm treiben würden, das schien nicht absehbar.

Placebo für die Märkte

Unter der Anzeigetafel der Kurve des Deutschen Aktien-Index (DAX) leuchtet in der Börse in Frankfurt am Main das Logo der Börse (Foto: dpa)
Frankfurter Börse: Flucht in die SachwerteBild: picture-alliance/dpa

Einen dürfte das nicht überrascht haben: Gerhard Hofmann. Das Vorstandsmitglied im Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken war zuvor bei der Bundesbank mit der Regulierung im Bankensektor befasst. Er hat nicht viel von den Stresstests gehalten. Ihm sei kein Fall bekannt, dass solche Stresstests "tatsächlich eine hohe Erkennungskraft, eine hohe Prognosekraft im Hinblick auf künftige Problemfälle gehabt hätten." Hofmann hat gelernt: "Das, was man heute stresst, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht das Problem von morgen."

Ein Finanzvorstand einer Bank hat es vorige Woche im kleinen Kreis deutlicher gesagt: Die Stresstests seien "bullshit" gewesen, versuchte er seinen Zuhörern klarzumachen, "ein Schattenboxen", "ein Placebo für den Markt". Wissenschaftler drücken sich distanzierter aus. Kai Carstensen etwa vom Ifo Institut in München. "Wir hatten überall die großen Probleme mit den Banken, deren Bilanzprobleme wohl immer noch nicht ganz ausgestanden sind", sagt er beim Blick zurück auf das Jahr. Bei Banken konzentrierten sich die Schwierigkeiten einer Volkswirtschaft, weiß er. "Es kommt immer was Neues dazu." Jetzt seien es eben die Staatsanleihen.

Sippenhaft auch für die Erfolgreichen

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann (Foto: dpa)
Deutsche Bank-Chef Ackermann: In Sippenhaft genommenBild: picture alliance/ZB

Derweil geht unter den Banken die Angst um, ob Staatsanleihen der Problemländer wirklich zu 100 Prozent zurückgezahlt werden. Bislang galten sie als sicher, eine Zahlungsunfähigkeit wie 2001 in Argentinien schien in Europa bisher undenkbar. Ebenso ein Abschlag auf die verliehene Summe, ein "Haircut". Käme er doch, geriete manche Bank unter Druck. Auch deshalb leihen sich Banken sich untereinander kaum Geld. Guthaben deponieren sie vielmehr bei der Europäischen Zentralbank, Engpässe werden durch EZB-Kredite überbrückt. Die Ausgleichsfunktion von Geldangebot und -nachfrage läuft weiterhin vornehmlich über die EZB, nicht über den Markt.

Das Misstrauen trifft alle. "Ich glaube, dass zum Beispiel die Deutsche Bank hervorragend geführt wird und auch ein hervorragendes Ergebnis erzielen wird", sagt Fidel Helmer, der Börsenchef von Hauck & Aufhäuser. Aber auch der Deutsche Bank-Kurs hat dieses Jahr, anders als der der Gesamtmarkt, kräftig verloren. "Sie ist sozusagen in Sippenhaft genommen worden, weil eben diese Stresstests mit den vielen Banken doch inzwischen sehr fragwürdig geworden sind."

Autor: Michael Braun
Refaktion: Rolf Wenkel