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Studie Religionen

4. Dezember 2010

Deutsche haben vergleichsweise wenig Kontakt mit muslimischen Mitbewohnern, stehen dem Islam aber ablehnender gegenüber als andere Westeuropäer. Dies ist nur ein Ergebnis einer aktuellen Studie zur religiösen Vielfalt.

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Fahnen und Transparenten mit dem Bild einer durchgestrichenen, verbotenen Moschee (Foto: picture-alliance/dpa)
Wie tolerant sind die Deutschen gegenüber Religionen?Bild: picture-alliance/dpa

Die Deutschen sind intoleranter als ihre westeuropäischen Nachbarn, zumindest wenn es um den Islam und andere nicht-christliche Religionen geht. Das ist das zentrale Ergebnis einer der bislang größten repräsentativen Umfragen zur religiösen Vielfalt in Europa, die von der Universität Münster zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Emnid in Deutschland, Frankreich, Dänemark, den Niederlanden und Portugal durchgeführt wurde.

Für die Studie wurden in den fünf europäischen Ländern im Sommer 2010 jeweils 1000 Interviews geführt. Die Auswahl der Länder sei nach dem unterschiedlichen Grad an religiöser Vielfalt erfolgt, sagt Soziologe Niels Friedrichs. So lebe in Deutschland ein relativ hoher Anteil von Muslimen, gleichzeitig seien dort kulturelle und interreligiöse Konflikte, beispielsweise wenn es um Fragen wie Moscheebauten oder das Tragen des Kopftuchs gehe, zunehmend zu beobachten.

Deutsche weniger tolerant...

Junge Frau ohne und eine Frau mit Burka laufen eine Straße entlang (Foto: AP)
Frankreich geht gegen die Burka vorBild: AP

Auch die Tendenzen in anderen Länder sind laut Friedrichs aus verschiedenen Gründen interessant: beispielsweise in Frankreich wegen der Burka-Diskussion. Oder in den Niederlanden, deren Selbstbild von einer toleranten, offenen Gesellschaft durch die Ermordung des Islamkritikers Theo van Gogh verändert wurde. Portugal schließlich diente als Kontrastfall, weil dort die religiöse Vielfalt nicht so groß ist wie in den anderen Ländern.

"Wir haben herausgefunden, dass die Haltung der Deutschen zu nicht-christlichen Religionsgemeinschaften in einem stärkeren Maße durch Intoleranz geprägt ist als in den anderen untersuchten Ländern", sagt der Religionssoziologe Detlef Pollack von der Universität Münster. Das sei eines der wichtigsten Ergebnisse der Umfrage. Zugleich habe man festgestellt, dass die Deutschen im Vergleich zu den Befragten in anderen Ländern weniger bereit sind, den Bau von neuen Moscheen und auch Minaretten zu befürworten.

Weniger als fünf Prozent der Deutschen, aber mehr als 20 Prozent der Dänen, Franzosen und Niederländer halten der Studie zufolge den Islam für tolerant. Obwohl diese europäischen Nachbarn teils heftige Konflikte mit ihren muslimischen Minderheiten erlebten, hat dort eine klare Mehrheit ein positives Bild von Muslimen.

...aber auch um Fairness bemüht

Ein weiteres wichtiges Analyseergebnis besteht nach Aussage von Pollack darin, dass die Deutschen sich aber sehr wohl darum bemühen, Respekt gegenüber allen Religionsgemeinschaften aufzubringen und ihnen an bestimmten Stellen auch Glaubens- oder Religionsfreiheit einzuräumen. "Man könnte also sagen, das Ergebnis ist ambivalent", meint Pollack. Auf der einen Seite gebe es viele Vorbehalte gegenüber dem Islam, auf der anderen Seite bemühe man sich aber auch um Gerechtigkeit und Fairness.

Einen Grund für die unterschiedliche Wahrnehmung in Deutschland und in den anderen untersuchten Ländern sehen die Forscher in der Kontakthäufigkeit. Demnach gaben nur 40 Prozent der Westdeutschen und sogar nur 16 Prozent der Ostdeutschen an, zumindest einige Kontakte zu Muslimen zu haben. In Frankreich waren es 66 Prozent. Persönliche Kontakte zu Muslimen wurden in allen Ländern meist positiv bewertet.

Religiöse Vielfalt als Bedrohung

Prof. Dr. Detlef Pollack, Professor für Religionssoziologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Pollack: "In Deutschland ist die Debatte über Islam und Integration noch nicht intensiv genug"Bild: DW

Was die Frage nach dem Gefühl der Bedrohung durch fremde Kulturen angeht, so ist das Ergebnis laut Pollack eigentlich überraschend, denn es gebe wenige Länderdifferenzen. In Deutschland sind es ungefähr 40 Prozent der Befragten, die sich durch fremde Kulturen - das ist nicht immer unbedingt der Islam - bedroht fühlen. "Überall wird die zunehmende Vielfalt des Religiösen als eine Ursache für Konflikte wahrgenommen. Es sind über 70 Prozent, die das sagen, und zwar in allen Ländern", sagt Pollack.

Gegenüber Hindus, Buddhisten und Juden hat die Mehrheit der in Deutschland Befragten eine positivere Haltung als zu Muslimen. Fast 30 Prozent der Deutschen erklärten jedoch, Juden gegenüber negativ eingestellt zu sein. In den Niederlanden liegt der Vergleichswert bei 10,1 Prozent, in Dänemark bei 12,2 und in Frankreich bei 20,8 Prozent.

Debatte über Islam und Integration intensivieren

Einen Grund für die intolerante Haltung der Deutschen sehen die Forscher auch darin, dass hierzulande noch keine ehrliche und intensive Debatte über Islam und Integration stattgefunden habe. In den Nachbarländern hätten starke Konflikte wie der Karikaturenstreit in Dänemark oder die Ermordung des niederländischen Islamkritikers Theo van Gogh zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema geführt.

Während die europäischen Länder den Muslimen mehr Rechte, wie den Bau von Moscheen, zugestehen, verlangen sie von ihnen gleichzeitig einen hohen Grad an kultureller Anpassung. So stimmen nach den Worten Pollacks deutlich mehr als 80 Prozent in allen fünf Ländern der Aussage zu, dass sich die Muslime an die westliche Kultur anpassen müssten.

Wenn man sage, dass der Islam zur eigenen Kultur gehöre, dann stimme das wahrscheinlich mit der Haltung der Mehrheit nicht überein, betont Religionssoziologe Pollack. Bei der Frage, ob der Islam in die westliche Welt passe, hätten nur etwas mehr als 20 Prozent im Westen Deutschlands, noch weniger im Osten Deutschlands, aber auch in den anderen Ländern nur etwa 25 bis 30 Prozent, mit Ja geantwortet.

Konflikte gehören zum Zusammenleben

Drei junge Frauen, davon eine mit Kopftuch, unterhalten sich auf einer Straße (Foto: picture-alliance/dpa)
Muslime - Alltag in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

Man könne diesen Satz aber auch umformulieren, sagt Soziologe Pollack, und danach fragen, ob die Muslime zu Deutschland gehören. Das würden wahrscheinlich wieder sehr viele akzeptieren.

Pollack will keine Forderungen an die Politik formulieren. Das sei nicht seine Aufgabe als Sozialwissenschaftler. Er würde versuchen, erst einmal zu beschreiben, wie die Lage sei. "Wahrscheinlich ist jeder Politiker gut beraten, die Stimmung ernst zu nehmen. Aber man muss die eigene Politik natürlich nicht nach der Stimmung ausrichten", meint Pollack. "Wichtig ist, viel für eine bessere Integration von Zuwanderern zu tun."

Die Probleme seien bekannt und es komme darauf an, damit konstruktiv und kritisch umzugehen. Das sei ein Prozess der Auseinandersetzung und er gehe auch nicht davon aus, dass am Ende die gesellschaftliche Harmonie stehe. "Konflikte gehören zum Zusammenleben", sagt der Soziologe.

Autor: Sabine Rippberger
Redaktion: Nicole Scherschun