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Moderne Formen der Sklaverei

4. Dezember 2010

Die Opfer arbeiten in der Sex-Industrie, der Gastronomie oder in Privathaushalten. Ihre Rechte geltend zu machen, gelingt nur wenigen. Besonders schwer haben es Illegale. Doch für Sie gibt es einen Hoffnungsschimmer.

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Im Hintergrund sieht man einen Frauenkörperm spärlich bekleidet mit einem scharzen BH und Slip sowie Netzstrümpfen. Im Voedergrund zieht jemand Geldscheine aus einem Portemonnaie. (Foto: Fotolia/berc 23448305)
Bild: Fotolia/berc

Arbeitsausbeutung und Menschenhandel zu bekämpfen, das ist das gemeinsame Ziel des Deutschen Instituts für Menschenrechte und der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft", auch bekannt unter der Bezeichnung "Zwangsarbeiter-Stiftung". Im Sommer 2009 startete die Stiftung das Projekt "Zwangsarbeit heute". Seitdem können im Rahmen eines Rechtshilfefonds Betroffene Unterstützung in Anspruch nehmen.

Dass der Bedarf theoretisch groß ist, belegen schon die Zahlen des Bundeskriminalamtes. Das BKA erstellt regelmäßig ein so genanntes Lagebild Menschenhandel. Allein unter dem Stichwort "sexuelle Ausbeutung" wurden im vergangenen Jahr 710 überwiegend weibliche Opfer ermittelt.

Unter den bekannt gewordenen Fällen waren 95 Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung, also Illegale. Ihr Schicksal ist besonders gravierend, weil sie so gut wie keine Rechte haben und befürchten müssen, abgeschoben zu werden. Deshalb trauen sie sich auch nur in den seltensten Fällen aus der Deckung. Aktuell sind sieben Verfahren anhängig. Projekt-Koordinatorin Heike Rabe nennt als Beispiel den Fall einer jungen Frau, die knapp ein Jahr lang zur Prostitution gezwungen wurde. "Die Täter sind strafrechtlich wegen Menschenhandels verurteilt, und das Opfer fordert nun vor dem Landgericht rund 200.000 Euro Schadensersatz ein."

Konvention gegen Menschenhandel noch nicht ratifiziert

Portrait-Foto von Heike Rabe, Mitarbeiterin des Deutschen Instituts für Menschenrechte und Koordinatorin des Projektes "Zwangsarbeit heute - Betroffene von Menschenhandel stärken". (Foto: Deutsches Institut für Menschenrechte)
Projekt-Koordinatorin Heike RabeBild: Deutsches Institut für Menschenrechte

Was so klar und einfach klingt, ist in Wirklichkeit rechtlich kompliziert und für die Opfer gefährlich. Denn in Deutschland sind öffentliche Stellen dazu verpflichtet, sich illegal im Land aufhaltende Personen an die Ausländerbehörde zu melden. Dies müsse sich ändern, wenn der Kampf gegen Arbeitsausbeutung erfolgreicher geführt werden soll als bisher, fordert Heike Rabe. "Wenn sie in einem Strafverfahren gegen die Täter ausgesagt haben, müssen sie auch die Möglichkeit haben, in Deutschland zu bleiben, um ihre Rechte auf Lohn und Schadensersatz durchzusetzen", fordert die Projekt-Koordinatorin.

In der Praxis würde das bedeuten, betroffenen Illegalen zumindest eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Das Deutsche Institut für Menschrechte drängt deshalb auf eine großzügige Umsetzung der EU-Sanktionsrichtlinie und die Ratifizierung der bereits 2005 vom Europarat verabschiedeten Konvention gegen Menschenhandel, die von Deutschland noch nicht ratifiziert ist.

Abgesehen davon sieht Heike Rabe erste Anzeichen für einen veränderten Umgang mit Illegalen. So habe das Bundesland Nordrhein-Westfalen per Erlass festgelegt, dass Kinder von illegalen Immigranten an Schulen angemeldet werden könnten, ohne eine Melde-Anschrift nennen zu müssen.

Zukunft des Zwangsarbeit-Projektes ist unklar

Hilfreich im Sinne der Opfer von Ausbeutung und Menschenhandel könnten auch so genannte Beteiligungsrechte für Verbände sein, wenn die vor Arbeitsgerichten die Interessen der Illegalen vertreten dürften, meint Heike Rabe. Dann hätten die Betroffenen sogar dann noch Aussicht auf finanzielle Entschädigung, wenn sie sich nicht mehr in einem Land der Europäischen Union aufhielten.

Formen moderner Sklaverei seien zwar kein Tabu, meint Ralf Possekel, der bei der Zwangsarbeiter-Stiftung für den Bereich Ausbeutung und Menschenhandel zuständig ist. Es müsse aber endlich ein öffentliches Thema werden - für die Polizei ebenso wie für Gerichte und die Strafjustiz. Nur so werde ein gesellschaftliches Klima geschaffen, um Opfern helfen zu können, ihr Recht durchzusetzen. Den Tätern würde man so signalisieren, dass Straftaten nicht ungesühnt blieben, hofft Possekel auf eine abschreckende Wirkung.

Wie es mit dem 2009 gestarteten Projekt "Zwangsarbeit heute" weitergeht, ist noch unklar. Zunächst ist es auf drei Jahre befristet. Eine Verlängerung dürfte auch davon abhängen, wie viele Opfer von Ausbeutung und Menschenhandel den Mut haben, ihre illegale Existenz in Deutschland zu offenbaren.

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz