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Sicherheit als Exportschlager

1. Dezember 2010

Mit der Angst vor Terror und organisierter Kriminalität lassen sich glänzende Geschäfte machen. Deutschland exportiert immer mehr zivile Sicherheitstechnik. Die Bundesregierung hat jetzt eine Exportinitiative gestartet.

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Überwachungskameras vor einer Deutschland-Fahne (Foto: apn)
Deutsche Sicherheitstechnik - ein MilliardenmarktBild: AP

9000 Kilometer sind die Grenzen lang, die Saudi-Arabien von seinen Nachbarstaaten trennen. 9000 Kilometer, die das Königreich mit Radarsystemen, Grenzsensoren, Kameras und anderen Überwachungs- und Sicherheitstechnologien ausrüsten lassen will. Ein lukrativer Auftrag im Wert von geschätzten rund zwei Milliarden Euro. Den Zuschlag erhielt im vergangenen Jahr ein Konsortium, an dessen Spitze das deutsche Unternehmen Cassidian steht.

Es ist eine Tochterfirma des europäischen Rüstungskonzerns EADS, mit Sitz in Unterschleißheim bei München. Unternehmensstratege Holger Mey macht keinen Hehl daraus, dass man an solche Aufträge ohne politische Unterstützung kaum herankommen kann. "Es gibt viele politische Kunden, die auch politische Vorgaben machen. Die Vergabe erfolgt nicht immer nach reinen Marktkriterien." Häufig seien es Regierungsabkommen, die Rahmenbedingungen vorgäben, in denen dann günstige Geschäfte gemacht werden könnten.

Landkarte von Saudi Arabien (DW-Grafik: Per Sander )
9000 Kilometer Grenze: Saudi-Arabien

Terrorismus, schwere und organisierte Kriminalität, Piraterie, Naturkatastrophen - nie waren die Geschäftsaussichten für die Sicherheitswirtschaft besser als heute. Mit Satelliten, intelligenten Drohnen, Sicherheitskontrolltechnik für Gebäude und Verkehrswege oder abhörsichere Kommunikation macht die Branche geschätzte 100 Milliarden Euro Umsatz weltweit. Das Wachstumspotenzial liegt bei jährlich fünf Prozent. Allein in Deutschland soll sich der Umsatz bis 2015 auf jährlich 31 Milliarden Euro steigern.

Security Made In Germany

Angesichts des Potenzials bemüht sich die Bundesregierung nach Kräften, deutsche Anbieter zu unterstützen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat eine Exportinitiative ins Leben gerufen, um, wie er sagt, optimale Bedingungen für den Erfolg auf den internationalen Märkten zu schaffen. "Gute Marktchancen sind sozusagen die Kehrseite der wachsenden Bedrohung", sagt Brüderle. "Unter der Dachmarke 'Security Made In Germany' bringen wir unsere Exportinitiative auf den Weg."

Eine Initiative, die über die übliche Außenwirtschaftsförderung der Bundesregierung hinaus geht, weil sie viel stärker politisch flankiert wird. Als Grundlage für die Geschäftsbeziehungen sollen sogenannte 'Government-to-Government-Agreements', also politische Vereinbarungen zwischen den Regierungen dienen. In Kürze stehen zwei Delegationsreisen in Begleitung von Staatssekretären nach Indien und in die Vereinigten Arabischen Emirate auf dem Programm. In Brasilien, China und Japan durften Unternehmer bereits in Begleitung des Bundeswirtschaftsministers ihre Geschäfte anbahnen.

Durchleuchtetes Handgepäck (Foto: Smiths Detection )
Exportschlager: Durchleuchtungstechnik für FlughäfenBild: Smiths Detection

Bei Flughafenkontrollanlagen und Grenzsicherungssystemen sind deutsche Unternehmen bereits weltweit führend. 70 Prozent aller weltweiten Produktionsanlagen für Pässe und Ausweise kommen aus Deutschland. Vor allem kleine und mittelständische High-Tech-Unternehmen glänzen mit innovativen Ideen und Produkten. So hat das deutsche Unternehmen Microfluidic ChipShop gerade gemeinsam mit einem amerikanischen Partner ein System entwickelt, mit dem man innerhalb von zwei Stunden ein weitgehend komplettes DNA-Profil eines Menschen zur Personen-Identifizierung erzeugen kann.

Chancen durch internationale Normen

Allerdings schläft die Konkurrenz nicht. Der internationale Wettbewerb wird schärfer. Um den Markt offen zu halten, drängt die Bundesregierung darauf, weitere Standards und Normen in der Sicherheitsindustrie einzuführen, um auch international einheitliche Anforderungen an die Qualität der Produkte und Dienstleistungen festzulegen. Beim Deutschen Institut für Normung (DIN) wurde eine "Koordinierungsstelle Sicherheitswirtschaft" eingerichtet.

Dort hat man bereits Erfahrung, wie Torsten Bahke, Direktor des DIN deutlich macht. "Wir haben schon erhebliche Normungs- und Standardisierungsarbeiten durchgeführt im Bereich der biometrischen Daten. Unsere Arbeiten sind auch international mit geprägt worden, insbesondere beim elektronischen Reisepass." Man müsse aber auch Strategien entwickeln, um die deutschen Interessen nicht nur in Europa zu vertreten, sondern international. "Darum ist Normung so wichtig", sagt Bahke.

Deutsches Institut für Normung in Berlin (Foto: dpa)
Will die Exportinitiative unterstützen: Deutsches Institut für NormungBild: picture-alliance/ ZB

Das Ziel lautet, mit deutschem Know-how die internationalen Standards zu setzen. Denn wer die Normen setzt, der macht die besten Geschäfte. Geschäfte, die aber auch eine Kehrseite haben. Wird Überwachungs- und Sicherheitstechnologie in Staaten geliefert, in denen die Menschenrechtslage Grund zur Besorgnis gibt, dann kann die Technik 'Made in Germany' auch zur Unterdrückung beispielsweise der politischen Opposition genutzt werden. Daher unterliegen nicht nur in der militärischen, sondern auch in der zivilen Sicherheitstechnik viele Produkte der Exportkontrolle.

Zuständig dafür ist im Bundeswirtschaftsministerium der Abteilungsleiter Außenwirtschaftspolitik, Karl-Ernst Brauner. "Wenn wir Exportgenehmigungen zu erteilen haben für die Ausstattung von Sicherheitskräften im Ausland, fragen wir immer: was wird damit gemacht? Wird damit eine Polizeitruppe ausgestattet, die marodierend übers Land zieht und Menschenrechtsverletzungen begeht?" Im Zuge der Terrorbekämpfung scheint die objektive Klärung solcher Fragen allerdings zunehmend in den Hintergrund zu geraten. Wenn westliche Staaten bedroht sind -das muss auch Außenwirtschaftsexperte Brauner einräumen - dann sind moralische Fragen zweitrangig. "Wir müssen die Herkunftsstaaten der Terroristen wahrscheinlich stärker befähigen, eigene Überwachungsleistungen zu erbringen. Also sehe ich aus der aktuellen Situation heraus eine Nuancenverschiebung."

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Rolf Wenkel