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Hexen-Steuer

27. November 2010

Wahrsager und Hexen müssen in Rumänien bald Steuern zahlen. Der hochverschuldete Staat erhofft sich davon Mehreinnahmen. Obwohl die Kirche es verbietet, ist Hexerei weit verbreitet in dem christlich-orthodoxen Land.

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Kristallkugel (Foto: AP)
Wahrsager müssen bald Mehrwertsteuer zahlenBild: ap

"So süß wie Honig ist, so süß wirst du in meinen Augen sein,
für den Rest deines Lebens.
So süß wie Zucker wird deine Liebe für immer sein,
so wie Menschen nicht ohne Zucker, nicht ohne Salz leben können,
so wird diese Person nicht länger ohne dich und deine Liebe leben können."

Mit diesem Zauberspruch will Anita dafür sorgen, dass ein Kunde das Herz seiner Liebsten gewinnt. Anita ist eine Hexe und arbeitet am Stadtrand von Bukarest. Um den Zauberspruch zu vollenden, braucht sie Nadeln, Honig, Salz, Zucker, Blumen und Kerzen. Für viele Zaubersprüche sind auch heute noch Hexenkessel und Lagerfeuer nötig.

Für jeden das Richtige

Tarotkarten (Foto: AP)
Karten legen und die Zukunft vorhersagen- das Geschäft boomtBild: AP

Ihre Kundschaft sei bunt gemischt, erzählt Anita. "Die Leute kommen mit jeder Art von Problemen zu mir: Frauen, die verflucht wurden, so dass sie nicht heiraten können; Männer und Frauen, die sich getrennt haben; Menschen, die Glück haben wollen und Menschen mit Krankheiten wie Epilepsie oder sogar Alkoholismus." Oft würden Hexen das Unheil rückgängig machen, das durch Schwarze Magie angerichtet wurde - vor allem durch Flüche.

Die 25-jährige Irina hat so etwas erlebt. Vor ihrer Haustür fand sie eines Tages Päckchen mit Hühnerknochen und Schnüren. "Ich hatte große Angst, weil ich gehört habe, dass man so jemanden verflucht", sagt sie.

Werbung für Wahrsagerei

Christlich-orthodoxe Kirche (Foto: picture-alliance/dpa)
Trotz christlichem Glauben vertrauen einige auf MagieBild: picture-alliance / dpa

Viele Wahrsager und Hexen schalten in Zeitungen Anzeigen, um neue Kunden zu werben. "Irina, die Königin der Weißen Magie" bietet beispielsweise an, in die Zukunft der Kunden zu schauen und alle Probleme zu lösen, inklusive Impotenz. Einen Mangel an Hexen scheint es in Rumänien nicht zu geben: Die Anzeigen laufen über eine halbe Seite in der Tageszeitung.

Hexerei sei paradoxerweise sehr beliebt in dem Land, in dem 85 Prozent der Menschen christlich-orthodox seien, sagt Anca Pascu. Sie arbeitet am nationalen Bauern-Museum und hat alte rumänische Traditionen studiert. "Wir sind zwar Christen und die Kirchen verbieten Magie, aber viele Menschen nutzen sie trotzdem, besonders in schwierigen Lebensabschnitten", sagt Pascu.

Gefängnisstrafen für falsche Weissagungen

Wahrsagerin (Foto: dpa)
Hexe, Wahrsager, Medium: Bislang agierten sie ohne Kontrolle

Die rumänische Regierung will nun aus den Wahrsagern und Hexen Kapital schlagen - vielleicht ein Zeichen dafür, wie verzweifelt sie ist. Das Land leidet noch unter der Wirtschaftskrise. Es hat bereits 15,1 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union bekommen, um einen Staatsbankrott abzuwenden. Ein neues Gesetz sagt, dass Hexen in Zukunft 25 Prozent Mehrwertsteuer auf ihre Einnahmen zahlen müssen. Wie viel Geld das in die Staatskasse spülen würde, ist nicht klar: Es gibt keine offiziellen Zahlen, wie viele Hexen in Rumänien arbeiten.

Nicht alle Hexen sind damit einverstanden. Claudia, eine der bekanntesten Hexen in Rumänien, sagt, sie biete eine soziale Dienstleistung an und das sollte nicht besteuert werden. Es koste etwa sieben Euro, die Karten zu legen und elf Euro, Beziehungen wieder zu kitten. "Sollen wir auf dieses Geld noch Steuern zahlen? Es ist eine dumme Idee. Sie wissen nicht mehr, wo sie Geld hernehmen sollen, darum wollen sie das Geld von uns."

Der Senat plant außerdem, Menschen, die als Hexen arbeiten oder als Medium Kontakt zum Jenseits herstellen bis zu drei Jahre ins Gefängnis zu schicken, wenn sie jemanden in die Irre führen oder ihnen Geld aus der Tasche ziehen.

Autor: Tom Wilson
Redaktion: Julia Kuckelkorn / Fabian Schmidt