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Neue Perspektiven für arabische Jugend

18. Januar 2011

Veraltete, praxisferne Bildungssysteme und Jugendarbeitslosigkeit gehören zu den großen Problemen in der arabischen Welt. Das Duale Bildungssystem aus Deutschland soll Jugendlichen eine Perspektive geben.

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Foto: gtz – freigegeben für DW
Höhere Jobchancen durch eine Duale Ausbildung - das erhoffen sich arabische JugendlicheBild: GTZ

Seit einigen Jahren gewinnt ein deutsches Ausbildungskonzept in Ländern wie Marokko, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten oder dem Libanon immer mehr Anhänger. Dort werden mit deutscher Unterstützung praxisbezogene Berufsausbildungen durchgeführt - zum Beispiel zum Mechaniker.

Aiman El Kak hat die duale Ausbildung absolviert - ein Job ist ihm damit fast sicher (Foto: dw / Mona Naggar)
Ayman El Kak hat die duale Ausbildung absolviert - ein Job ist ihm damit fast sicherBild: DW

So hat Ayman El Kak seine Leidenschaft für Autos und Technik zum Beruf gemacht. Nach der mittleren Reife absolvierte der heute 20-Jährige die dreijährige Ausbildung zum Automechaniker. Nun, mit dem Gesellenbrief in der Tasche, eröffnet er demnächst mit einem Partner eine Autowerkstatt in seinem Heimatort Mashghara, einer Kleinstadt in der Bekaa-Ebene. "Wir haben in der Berufsschule alles von Grund auf gelernt", erinnert sich der ehemalige Berufsschüler. Den praktischen Teil seiner Ausbildung hat El Kak in den Werkstätten von Volvo und Audi in Beirut gemacht.

Schule der Praxis

Ayman El Kak hat an der Schneller-Schule das duale Ausbildungssystem durchlaufen, das es im Libanon seit 1995 gibt. Nach deutschem Vorbild haben libanesische Schüler die Möglichkeit, in drei Jahren eine Lehre zum Automechaniker, Elektriker oder Werkzeugmacher zu machen. Insgesamt acht Berufe stehen ihnen offen. Einen Teil der Ausbildung absolvieren sie an der Schule, einen anderen Teil in einem Betrieb.

Das herkömmliche System, das immer noch den größten Teil der Berufsschüler aufnimmt, bietet einen Schulabschluss mit technischem Schwerpunkt an. Dieser hat allerdings mit der praktischen Arbeit in Betrieben wenig zu tun - und die Absolventen haben nachher nur wenige Chancen auf dem libanesischen Arbeitsmarkt.

Die Probleme in anderen arabischen Ländern sind ähnlich. Berufsausbildungen sind zu theoretisch aufgebaut und die Privatwirtschaft klagt über schlecht ausgebildeten Nachwuchs. Seit einigen Jahren gibt es immer mehr Versuche, so wie im Libanon neue Wege in der Berufsbildung zu gehen.

Erfolgsrezept für Berufsbildung

Mitte der 90er Jahre startete Ägypten mit der sogenannten Mubarak-Kohl-Initiative, einer bis dahin seltenen Partnerschaft zwischen staatlichen Bildungsinstitutionen und der Privatwirtschaft. Nach der mittleren Reife können sich junge Ägypter in drei Jahren zum Koch, Spediteur oder Schreiner ausbilden lassen. Sie werden ebenso wie im Libanon an Schulen und in Betrieben ausgebildet. Mittlerweile stehen den Berufsschülern 32 Berufe offen.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten haben Schulabgänger erst seit zwei Jahren die Möglichkeit, an neu eingerichteten Instituten eine stark praxisorientierte Ausbildung zu absolvieren. Nach dem Abitur können sie zwischen Design, medizinischen Pflegeberufen oder Informationstechnologie wählen. Der erste Jahrgang wird 2011 die Ausbildung beenden - die Berufsschulen werden von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) im Auftrag des Emirats von Abu Dhabi betrieben.

GTZ - Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit

Auch im Libanon arbeitet die GTZ bei der Einführung des Dualen Systems mit. In dem riesigen alten Bau der Direktion für Berufliche Bildung im Osten Beiruts, befindet sich "das Büro der Deutschen", wie die GTZ an der Pforte genannt wird. "In der Direktion arbeiten wir auf der Ebene der Politik, aber wir arbeiten auch auf anderen Ebenen", sagt Sonia Fontaine, Leiterin des Programms "Förderung der Beruflichen Bildung und Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen im Libanon".

Die GTZ führt im Libanon Fortbildungen für Lehrer und für das Ausbildungspersonal in den Betrieben durch, bietet Beratungen an, wenn es um die Einführung neuer gesetzlicher Verordnungen geht, oder entwickelt Curricula, die dann von libanesischer Seite an die lokalen Bedürfnisse angepasst werden.

Noch Nachholbedarf

Fadi Tebcharani, Ausbilder, und Joseph Bou Semaan, Leiter der Abteilung berufliche Ausbildung an der Schneller-Schule (Foto: dw / Mona Naggar)
Fadi Tebcharani, Ausbilder, und Joseph Bou Semaan, Leiter der Abteilung berufliche Ausbildung an der Schneller-SchuleBild: DW

Die Schneller-Schule ist eine von 22 Einrichtungen im Libanon, die das Duale System nach deutschem Vorbild anbietet. In der Halle für Werkzeugmacher ist es an diesem Tag still, alle Schüler sitzen in ihren Klassenzimmern. Fadi Tebcharani, Ausbilder an der Schule, schaltet eine Maschine an und erklärt wie ein Stück Metall zu einem Ersatzteil gefertigt wird. Tebcharani hat bereits Fortbildungen in Solingen und Esslingen absolviert. Es gebe noch einige Unterschiede zum Dualen System in Deutschland, stellt er fest. "Ich vermisse eine gute Beratung der Lehrlinge im Vorfeld. Viele wissen nicht, was sich etwa hinter der Bezeichnung Industriemechaniker verbirgt", sagt Tebcharani. Die Schulen und Betriebe sollten auch mehr auf Neigungen und Talente der einzelnen Schüler achten, wünscht sich der erfahrene Ausbilder.

George Haddad, Direktor der Schneller-Schule, vermisst vor allem das Engagement der Arbeitgeber. "Sie müssen langfristig denken und mehr in die Ausbildung des Nachwuchses investieren", sagt er. Da das duale System für alle noch relativ neu sei, wüssten viele nicht genug darüber, ergänzt der Direktor. Trotzdem ist er überzeugt, dass die Zukunft des Libanon in dieser beruflichen Ausbildung liegt: "Sie kommt den Bedürfnissen des hiesigen Arbeitsmarktes nach und wird helfen, die Auswanderung der Jugend einzudämmen. Immer mehr werden hier Arbeit finden und müssen nicht ihrer Heimat den Rücken kehren."

Job fast sicher

Die überwiegende Mehrheit der Berufsabsolventen findet nach der Ausbildung einen Arbeitsplatz - eine Seltenheit in einem Land mit hoher Jugendarbeitslosigkeit. Sonia Fontaine von der GTZ kann inzwischen eine Liste von 600 Betrieben vorweisen, die bereit sind, Lehrlinge in der dualen Ausbildung aufzunehmen.

In Ägypten sind die Erfahrungen ebenfalls positiv. In den meisten Provinzen können sich Jugendliche mit einer mittleren Reife heute für eine Ausbildung nach dem dualen System entscheiden. Ungefähr 85 Prozent der Absolventen bekommen nach der Ausbildung sofort ein Jobangebot.

Autorin: Mona Naggar

Redaktion: Helle Jeppesen