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Ausbeutung "Made in Bangladesch"

11. November 2010

Ein Hemd bei einem Discounter kostet oft weniger als fünf Euro. Denn hergestellt wird es häufig in Bangladesch. Dort arbeiten 3,5 Millionen Menschen in Textilfabriken – oft unter unmenschlichen Umständen.

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Näherin in einer Textilfabrik in Bangladesch (Foto: AP)
Die meisten Arbeiter in den Textilfabriken sind FrauenBild: AP
Dicht gedrängt sitzen die Frauen an ihren Nähmaschinen und stellen Hosen und Hemden her. Der Raum ist schmutzig, die Luft ist schlecht, und Pausen gibt es nicht - so beschreibt Jessmin Begum die Arbeit in den Textilfabriken von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Bis vor einigen Wochen arbeitete die 26-Jährige dort als Näherin, zuletzt für einen Produzenten des Discounters 'Lidl'. "Es war sehr eng in der Halle, weil zwischen den einzelnen Maschinen viel zu wenig Platz war", erinnert sich Begum, "und das Trinkwasser dort war unsauber und stank". Außerdem habe es gar nicht auf jedem Stockwerk Wasser gegeben. Um zu trinken, hätten sie und ihre Kolleginnen deshalb aufs Dach gehen müssen. "Aber das hat so lange gedauert, dass wir es uns nicht leisten konnten."

Jessmin Begum (Foto: DW)
Jessmin Begum war acht Jahre lang Näherin in DhakaBild: DW
Bis zu vierzehn Stunden am Tag müssten die Näherinnen unter diesen Bedingungen arbeiten, erzählt Begum. Und das oft an sieben Tagen in der Woche. Denn Überstunden, so sagt sie, sind die Regel. "Manchmal kam ich erst kurz vor Mitternacht nach Hause." Dann sei kaum Zeit geblieben, um zu kochen, genügend zu essen und zu schlafen. Das habe Auswirkungen auf die Gesundheit der Frauen. "Deswegen fühle ich mich oft müde und bin unterernährt. Ich konnte mich einfach nie richtig ausruhen und fühle mich sehr schwach." Für diese harte Arbeit würden die Näherinnen zudem noch schlecht bezahlt.

Für einen höheren Mindestlohn

Proteste von Textilarbeitern in Dhaka (Foto: dpa)
Textilarbeiter protestierten im Juli in Dhaka für mehr LohnBild: picture-alliance/dpa
Im Sommer kam es in der Hauptstadt Dhaka deshalb zu gewaltsamen Protesten: Mehr als zehntausend Textilarbeiter gingen auf die Straße, um bessere Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne zu fordern. Inzwischen hat die Regierung den Mindestlohn erhöht: Die Näherinnen bekommen jetzt mindestens 3000 Taka im Monat, umgerechnet sind das etwa 30 Euro. Für Khorshed Alam von der Nichtregierungsorganisation "Alternative Movement for Resources and Freedom Society" reicht das jedoch bei weitem nicht aus: "Das deckt noch nicht einmal ansatzweise die Lebenshaltungskosten in Dhaka. Ein Alleinstehender braucht dort mindestens 50 Euro im Monat", rechnet er vor. Genau soviel fordert Alam deshalb als Mindestlohn für die Näherinnen. Außerdem solle die Regierung Bangladeschs die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken schärfer kontrollieren. Denn es gebe durchaus Gesetze für den Umgang mit Industriearbeitern in Bangladesch. Nur: Die würden in der Textilbranche nicht beachtet. "Es mögen nicht die besten Gesetze sein", schränkt Khorshed Alam ein, "aber sie müssen befolgt werden". Es sei deshalb die Aufgabe der Regierung, die Marken zu kontrollieren, die ihre Kleidung in Bangladesch produzierten.

Discounter sollen Verantwortung übernehmen

Textilfabrik in Dhaka (Foto: dpa)
In Bangladesch gibt es rund 4500 TextilfabrikenBild: picture-alliance/dpa
Gleichzeitig müsse der Druck auf die deutschen Billiganbieter erhöht werden, mehr Verantwortung für die Näherinnen in Bangladesch zu übernehmen. Deshalb reist Alam gemeinsam mit Jessmin Begum durch Deutschland. Eingeladen hat sie das Netzwerk "Kampagne für Saubere Kleidung", das schärfere Gesetze für die Billiganbieter fordert. Denn Lidl und Co. haben sich zwar ausdrücklich dazu verpflichtet, die internationalen Sozialstandards einzuhalten - doch solche Versprechen allein sind für die Verantwortlichen der Kampagne nicht genug. "Das steht meist nur auf dem Papier", kritisiert Gisela Burckhardt, "in der Umsetzung erleben wir genau das Gegenteil". Deshalb fordert sie von der Bundesregierung, die Unternehmen per Gesetz für die Verletzung von Sozialstandards in den Produktionsländern haftbar zu machen. "Die Discounter müssen eine Art Sorgfaltspflicht haben und offenlegen, welches die Auswirkungen ihrer eigenen Tätigkeit auf Umwelt und Menschen in den Produktionsländern sind."

"Discounter stärker in Frage stellen"

Khorshed Alam will auf seiner Reise durch Deutschland dagegen vor allem die Kunden der Billiganbieter aufklären. Denn auch die, so hofft er, könnten Einfluss auf die Politik von Aldi, Lidl und Kik ausüben. "Sie werben sogar damit, ihre Arbeiter fair zu bezahlen – und das ist einfach nicht wahr", empört sich Alam. "Wir bitten die Konsumenten deshalb, die Discounter stärker in Frage zu stellen." Das wünscht sich auch die ehemalige Näherin Jessmin Begum. "Ich bin hierher gekommen, um über meine Situation zu berichten", sagt sie, "weil die Leute, die die Produkte kaufen, keine Ahnung haben, unter welchen Bedingungen wir arbeiten und wie sehr wir darunter leiden". Wenn sie die Hosen oder T-Shirts sehe, die in den Läden der Discounter verkauft werden, dann sei sie zwar einerseits stolz darauf, sie hergestellt zu haben. "Andererseits bin ich aber auch sehr traurig, weil wir so wenig daran verdienen", sagt Begum. "Das muss sich ändern."

Autorin: Theresa Tropper
Redaktion: Esther Broders