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Kluge Popmusik

7. Februar 2012

Eine Band, die sich nach dem DDR Wort für "Sarg" benennt, muss einfach merkwürdig sein. Die Kölner machen Popmusik mit den seltsamsten Texten Deutschlands und haben sich damit in die Herzen der Fans gesungen.

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Erdmöbel-Musiker liegen relaxed am Boden (Foto: Ekimas)
Bild: Ekimas

Schon der Name der Band klingt ein bisschen sperrig: Erdmöbel. Und erst der Albumtitel: Krokus. Nicht Rosen, Tulpen oder Nelken. Doch so wie Krokusse im Frühling ein bisschen Farbe ins Schwarz-Weiß-Grau bringen, machen es auch die Lieder dieser Band. Das erste Erdmöbel-Album ist mittlerweile schon 14 Jahre alt, doch ein Teil der Band kennt sich schon viel länger und machte zuvor schon unter anderen Namen zusammen Musik. Aber erst mit ihrer aktuellen CD ist ihnen gelungen, wovon viele Musiker nur träumen können. Erdmöbel ist die Konsens-Band der Musikkritiker, "Krokus" wird vom Feuilleton als "das beste deutschsprachige Album seit langem" gefeiert. "Erdmöbel rettet den deutschen Pop" heißt es sogar. Wer so gefeiert wird, der hat eigentlich nur eine Wahl - auf dem Boden zu bleiben.

Reif für den großen Wurf

Ekki Maas, Bassist, der schon seit Gründung der Band die Musik produziert und arrangiert, war zuerst selbst überrascht von der einhellig begeisterten Presse. "Aber wir müssen jetzt langsam einsehen, dass diese Platte etwas ganz Besonderes ist. Am Anfang war sie das für uns nicht. Wir hatten zwar schon das Gefühl, dass es leicht geht, dass wir nicht viel ändern müssen, aber das ist vielleicht auch so ein Reifeding, dass wir loslassen können."

Die Band Erdmöbel (Foto: Matthias Sandmann)
Erdmöbel und das "beste deutschsprachige Album"Bild: Matthias Sandmann

Beim mittlerweile achten Erdmöbel-Album und Bandmitgliedern, die sich so gut kennen, reichen kleine Andeutungen aus, wenn auf dem Weg zur fertigen Platte nach der bestmöglichen Version eines Songs gesucht wird. Markus Berges, Sänger und Songwriter der Erdmöbel, ist sich sicher, dass das nicht immer über verbale Kommunikation funktioniert. "Da ist zum Beispiel auf irgendeinem Song ein Piano und ich sage: Das Piano ist mir zu bluesig. Das Piano ist vielleicht gar nicht bluesig, aber die anderen verstehen das schon. Und ein paar Wochen später ist dann eben ein anderes Piano auf dem Track, das passt."

Die Melancholie der Petersilienseife

Die Erdmöbel können sich beim Produzieren Zeit lassen und so lange tüfteln, bis alle vier Bandmitglieder mit dem Sound restlos zufrieden sind. Schließlich haben sie ihr eigenes Studio und nebenher noch einen anderen Job als Lehrer, sind also nicht auf die Einnahmen durch die Band angewiesen. Markus Berges, Ekki Maas, Wolfgang Proppe und Christian Wübben sind ein eingespieltes Team. Bei ihren Konzerten werden sie vom Posaunisten Henning Beckmann unterstützt, denn die Bläserarrangements sind so etwas wie ein Markenzeichen der Erdmöbel. Die ganze Deutschlandtour zum neuen Album scheint ein einziger großer Spaß zu sein. Sie besuchen das Hygienemuseum in Dresden, das in ihrem Lied "Ausstellung über das Glück" eine tragende Rolle im Refrain spielt. Sie lassen ihr Publikum die Erdmöbel-Streichholzschachteln im Takt schütteln und freuen sich, dass dank ihrer Texte auch Nordrhein-Westfalen mal in einem Song vorkommt. Und dabei ist es jedem Hörer selbst überlassen, wie viel Humor oder Traurigkeit er in den Erdmöbel-Textfetzen wahrnimmt. Petersilienseife und Silageplane sind ja an sich neutrale Wortschöpfungen.

CD-Cover der neuen Erdmöbel-CD "Krokus" (Foto:Content Re (Edel))
Krokus im RetrolookBild: Content Re (Edel)

Schöne Gefühlsrätsel statt Worthülsen

Trotz sanfter Bossa Nova-angehauchter Sounds, gefühlvoller Lieder und reichlich Melancholie: Ganz wichtig ist es der Band, dass sie nicht auf den Pfad des Kitsches gelangt. Deutsche Texte und sanfte Melodien bewegen sich seit Schlagergedenken in Deutschland gerne am Abgrund zum Pathetischen. Und Erdmöbel zeigen, dass das auch ganz anders und trotzdem schön klingen kann. Die Songtexte, die Markus Berges schreibt, klingen wie Gedichte – oder Rätsel des Lebens. Und dabei ist es nicht wichtig, was als Lösung herauskommt. So sieht es auch Berges selbst: Seine Musik ist nichts für Fans von Worthülsen, aber wer das Unverständnis beim ersten Hören als positiven Impuls wahrnimmt und nicht gleich die Scheuklappen herunterlässt, der hat eine gute Chance, Spaß an dieser Musik mit den ganz anderen Texten zu haben.

Die Erdmöbel-Musiker posieren im Anzug (Foto: Peter Boettcher)
Erdmöbel ganz seriösBild: Peter Boettcher

Ekki Maas, der früher auf Englisch sang, findet jedenfalls: "Bei englischsprachigen Liedern hört man einzelne Worte und nicht den ganzen Text und fühlt eben dabei Sachen, die da gefühlt werden können. Bei uns funktioniert das genauso." Auf dem Album "Krokus" wird übrigens bewusst mit einer 60er Jahre Ästhetik gespielt – und das nicht nur musikalisch. Auch das Artwork des Albums zeigt zeitlose Schwarzweiß-Fotografie, ohne Schnickschnack, im Fokus einer Spiegelreflexkamera aus längst vergangenen Zeiten. Und hält in seinen Titeln und Zitaten doch alles fest, was noch immer aktuell ist: Die 77ste Liebe, Arbeit, Krise, Glück, Krokusse und "Das Leben ist schön".

Autorin: Renate Heilmeier

Redaktion: Matthias Klaus