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1600 Tage in Gefangenschaft - Gilad Shalit

11. November 2010

"Gilad Shalit freilassen" - das fordern zwei Anträge, die heute im Bundestag debattiert werden. Abgeordnete verlangen von der Hamas, den vor viereinhalb Jahren gefangen genommenen israelischen Soldaten freizugeben.

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Ein Bild Shalits in den Händen seiner Familie (Foto: AP)
Shalits Eltern warten Tag für Tag auf seine FreilassungBild: AP

Seit Monaten kampieren sie vor dem Haus von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Noam und Aviva Shalit, die Eltern des israelischen Soldaten Gilad Shalit. Sie werfen dem Regierungschef vor, nicht genug zu tun, um ihren Sohn aus der Gewalt der Hamas zu befreien und sie wollen erst gehen, wenn Gilad wieder in Freiheit ist.

Rund 1600 Tage ist der junge Mann schon in palästinensischer Gefangenschaft. In den frühen Morgenstunden des 25. Juni 2006 wurde die israelische Grenzstreife, der er angehörte, an der Grenze zum Gazastreifen von einer Gruppe bewaffneter Palästinenser angegriffen. Zwei Soldaten wurden getötet, Shalit wurde in den Gazastreifen verschleppt. Seither gibt es nur ein einziges Lebenszeichen von ihm: einen kurzen Videofilm, der der Familie vor einem Jahr zugespielt wurde. Er zeigt den jungen Mann blass und mager, aber wohlbehalten.

Die Eltern des entführten Soldaten (Mitte) (Foto: dpa)
Die Eltern des entführten Soldaten (Mitte)Bild: picture-alliance/ dpa

Geplatzter Deal

Damals sah es so aus, als ob er bald in einem umfassenden Gefangenenaustausch freikommen würde. Doch der Deal, der durch Vermittlung eines deutschen Unterhändlers zustande gekommen war, platzte in letzter Minute. Israel und die Hamas konnten sich nicht einigen, welche palästinensischen Gefangenen im Gegenzug freigelassen werden sollten.

Wo und unter welchen Umständen Shalit festgehalten wird, weiß man nicht, erklärt Shlomi Eldar, israelischer Journalist und Autor eines Buches über den Gazastreifen bei einem Besuch in Deutschland. "Soweit ich weiß, ist er an einem Ort, an dem er niemanden sieht. Er bekommt keinen Besuch und auch sonst bekommt er nichts. Er befindet sich in einer sehr schweren Lage."

Ein israelischer Journalist mit Kontakten in Gaza

Shlomi Eldar, israelischer Fernsehjournalist (Foto: DW/Marx)
Shlomi Eldar, israelischer Fernsehjournalist, hat damals mit der Hamas gesprochenBild: DW/B.Marx

Jahrelang hat Eldar für das zehnte Programm des israelischen Fernsehens aus dem Gazastreifen berichtet. Er kennt den schmalen Landstrich wie kein anderer israelischer Journalist und unterhielt gute Kontakte zur Führung der Hamas, so lange er selbst noch in den Gazastreifen fahren konnte. Seit Herbst 2006 verbietet die Regierung in Jerusalem den israelischen Journalisten, in den Gazastreifen zu reisen. Aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Als Shalit gefangen genommen wurde, war Eldar aber noch vor Ort, interviewte als erster israelischer Journalist den Hamas-Ministerpräsidenten Ismail Haniyeh und berichtete über die Versuche seiner Regierung, sich Anerkennung zu verschaffen. Unmittelbar nach der Gefangennahme Shalits seien die Chancen groß gewesen, ihn schnell wieder freizubekommen, erinnert er sich heute. Aber der damalige Ministerpräsident Ehud Olmert wollte sich auf den Deal mit der Hamas nicht einlassen. Inzwischen fordert die Organisation die Freilassung von an die 1000 palästinensischen Gefangenen aus israelischen Gefängnissen. Ein hoher Preis, so Eldar. "Ich weiß nicht, ob man das in Deutschland weiß, aber es geht dabei um Leute, deren Hände mit Blut beschmiert sind, die verantwortlich sind für den Tod von Hunderten und Tausenden." Er sei froh, dass er nicht zu denen gehöre, die im Fall Shalit Entscheidungen fällen müssten.

Gerüchte um Wiederaufnahme der Verhandlungen

Vor wenigen Wochen wurde in Israel die Nachricht verbreitet, die Verhandlungen seien wieder in Gang gekommen. Der deutsche Vermittler sei in Gaza gewesen, um mit der Führung der Hamas zu sprechen. Der anonyme BND-Mann genießt auf beiden Seiten einen guten Ruf, weiß Eldar. Er habe sich den Respekt und das Vertrauen der Hamas-Führung erworben.

Videobotschaft mit Aufnahmen Gilad Shalits (Foto: AP)
Lebenszeichen - bisher wurde den Eltern nur ein Video mit Aufnahmen ihres Sohnes zugespieltBild: AP

Doch ob der deutsche Unterhändler wirklich in Gaza war, wird inzwischen bezweifelt. "Das sind alles nur Gerüchte", sagt der israelische Fernsehjournalist Yoav Limor. Er ist Sicherheitsexperte beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das sich regelmäßig mit dem Fall Shalit befasst. Kürzlich zeigte es wieder einmal einen Beitrag über den verzweifelten Kampf der Familie und Freunde Shalits, die sich mit zunehmender Gleichgültigkeit konfrontiert sehen.

"Man will zeigen, dass man etwas tut und darum setzt man Gerüchte in die Welt", sagt Limor. Sein Urteil über das Verhandlungsgeschick der israelischen Regierung fällt vernichtend aus. Nach viereinhalb Jahren könne man sagen, dass sowohl die Regierung Netanjahu als auch ihre Vorgängerin unter Ministerpräsident Olmert total versagt habe. Sie müsse endlich entscheiden.

Auch Reuven Pedatzur von der Tageszeitung Haaretz ist überzeugt: es sind die Politiker, die verhindern, dass eine Lösung gefunden wird. "Das Tragische an all dem ist doch, dass der Preis bekannt ist und am Ende auch bezahlt werden wird", sagt er. All die Verzögerungen seien unnötig und überflüssig. Am Ende werde Israel die von der Hamas verlangten palästinensischen Gefangenen freilassen müssen, um Shalit nach Hause zu holen.

Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Diana Hodali