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Paul ist tot

26. Oktober 2010

Der Krake tippte bei der Fußball-WM in Südafrika erfolgreich wie kein Zweiter und wurde zum Weltstar. Jetzt starb Orakel-Paul mit etwa drei Jahren "friedlich und eines natürlichen Todes", wie es hieß. Ein Nachruf.

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Paul tippt Weltmeister Spanien (Foto: AP)
Paul tippt Weltmeister SpanienBild: AP
Paul schwimmt in seinem Becken in Oberhausen (Foto: dpa)
Achtarmiger TippkönigBild: picture-alliance/dpa

Lieber Paul, du warst der König der Tippkönige. Wer redet heute noch über Diego Forlán? Den Goldenen Ball für den besten Spieler der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika hat man dem Topstürmer aus Uruguay überreicht. Doch eigentlich hättest du ihn verdient. Denn du warst unbestritten der Superstar der WM: ein Krake aus einem Aquarium in Oberhausen.

Du hast uns Tipp-Dilettanten, die wir Woche für Woche mit unseren Prognosen daneben liegen, gezeigt, wie es geht. Zielsicher hast du dich auf dem Futternapf mit der Siegerfahne niedergelassen, mit Kennerblick den richtigen Muschelfraß ausgesucht. Fernseh-Teams aus aller Welt haben dich deshalb besucht und deine Orakel live in alle Welt getragen.

Weltmeisterlich

Die sieben Spiele der deutschen Mannschaft hast du allesamt korrekt vorhergesagt und auch beim Endspiel lagst du richtig. Der Schütze des einzigen Final-Tors, Andres Iniesta, hat bei der Siegesfeier in Madrid einen Plüsch-Tintenfisch hochgehalten, mit den Worten: "Ihm haben wir den Erfolg zu verdanken." Recht hatte er.

Krake Paul tippt das Spiel um Platz drei zwischen Uruguay und Deutschland (Foto: AP)
Auch beim Spiel um Platz drei zwischen Uruguay und Deutschland lag Paul richtigBild: AP

Morddrohungen und Lockangebote

Auf dich konnte man sich verlassen. Du warst frei von Starallüren. Und du hast dich auch nicht von enttäuschten Fans beeindrucken lassen, die drohten, dich zu Tintenfischringen zu verarbeiten. Spaniens Regierungschef Jose Luis Zapatero wollte dir sogar Leibwächter zur Seite stellen.

Du warst unbestechlich. Auch nach der WM hast du allen Versuchungen widerstanden. Ein italienischer Amateurclub wollte dich aus deinem Vertrag kaufen. Ein russischer Wettanbieter bot den Oberhausenern eine Ablösesumme von 100.000 Euro und stellte dir ein Monatsgehalt von 5000 Euro in Aussicht. Doch du hast mit allen acht Armen abgewunken.

WM-Botschafter

In deinem alten Aquarium hast du weiter Muscheln gemampft – und so nebenher geweissagt, dass England die WM 2018 ausrichten wird. Zum offiziellen Botschafter der Bewerbung haben sie dich daraufhin gemacht – nicht nur wegen des Orakels, sondern auch, weil du auf der Insel geboren wurdest. Schade, dass du die nächste WM nur noch aus dem Krakenhimmel verfolgen kannst. Friede deiner Asche – auch wenn sie demnächst in einer Ausstellung präsentiert wird. An der großen Zahl der Fingerabdrücke auf deiner Urne wirst du dann sehen, wie viele Tipp-Dilettanten dich verehrt haben.

Autor: Stefan Nestler
Redaktion: Wolfgang van Kann