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Pentagon verurteilt WikiLeaks-Enthüllungen

24. Oktober 2010

Mit scharfer Kritik haben die USA und der Irak auf die Veröffentlichung von Geheimdokumenten zum Irak-Krieg reagiert. Die Internetplattform WikiLeaks rechtfertigte hingegen die beispiellose Bloßstellung des US-Militärs.

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Pentagon (Foto: AP)
Wo ist die undichte Stelle im US-Verteidigungsministerium?Bild: AP

Das US-Verteidigungsministerium zeigte sich empört: "Unsere Feinde können in den Dokumenten nach Schwachstellen suchen, nach bestimmten Verhaltensweisen - nach Informationen also, die ihnen bei künftigen Anschlägen zugutekommen." Deshalb sei die Veröffentlichung der Geheimakten "schamlos". In den Papieren würden auch 300 Iraker genannt, die nun "besonders anfällig für Vergeltungsangriffe" seien. US-Außenministerin Hillary Clinton meinte sogar, die nationale Sicherheit der USA und ihrer Verbündeten sei bedroht.

"Politisch motiviert"

Nuri al-Maliki (Foto: AP)
Will an der Macht bleiben: Iraks Premier Nuri al-MalikiBild: AP

Iraks Ministerpräsident Nuri al-Maliki mutmaßte, die Enthüllungsaktion sei politisch motiviert. Zumindest lege der Zeitpunkt der Veröffentlichung diesen Verdacht nahe, erklärte sein Büro in Bagdad. Politische Beobachter vermuten, dass die Veröffentlichung der Geheimdokumente dem amtierenden Regierungschef schaden könnte. Denn sie zeigen auf, dass auch die ihm unterstellten Einheiten an Misshandlungen beteiligt waren und dass die Opfer vor allem Sunniten waren. Für den Schiiten Al-Maliki, der in diesen Tagen nach Unterstützung für eine zweite Amtszeit sucht - in Bagdad, Washington, Teheran, Damaskus und Ankara - kommt der WikiLeaks-Wirbel deshalb zur Unzeit.

Insgesamt hat WikiLeaks nach eigenen Angaben an diesem Wochenende exakt 391.832 geheime Berichte der US-Streitkräfte ins Internet gestellt, wo sie online eingesehen und nach Stichwörtern durchsucht werden können. WikiLeaks-Gründer Julian Assange, der sich in London der Presse stellte, sprach von klaren Beweisen für zahlreiche Kriegsverbrechen im Irak. Mit Blick auf empörte Reaktionen sagte er, die Dokumente seien redaktionell so bearbeitet worden, dass niemand gefährdet werde. WikiLeaks hatte bereits im Juli Zehntausende geheime Dokumente zum Afghanistan-Krieg öffentlich gemacht. "Wir haben keine Berichte darüber, dass irgendjemand aufgrund der Veröffentlichungen verletzt wurde", betonte Assange.

Julian Assange (Foto: AP)
WikiLeaks-Gründer Julian Assange erklärte in London den Umgang mit den "WarLogs"Bild: AP

Der Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation "Iraq Body Count", John Sloboda, der in London gemeinsam mit Assange auftrat, sagte, ein großer Teil der Daten stamme aus Berichten von US-Soldaten: "Es ist gut, dass es die Daten gibt, aber es ist schlecht, dass sie geheim gehalten wurden."

Die von WikiLeaks veröffentlichten Dokumente enthüllen, dass mehr als 60 Prozent der zwischen 2004 und 2009 im Irak-Krieg getöteten Menschen Zivilisten waren. Insgesamt kamen laut WikiLeaks in dieser Zeit etwa 66.000 Zivilisten ums Leben. Das sind rund 15.000 mehr als bisher bekannt - viele von ihnen starben durch Folter.

"Institutionelles Schulterzucken"

Gefangene im Irak (Foto: AP)
Gefangene im Irak: Viele von ihnen wurden gefoltertBild: AP

WikiLeaks zitierte Augenzeugen mit den Worten: "Die einzigen Grenzen, die es gab, waren die Grenzen der Vorstellungskraft." In der Mehrzahl der Fälle gehe es um Taten von Irakern an Irakern. US-Soldaten wird vor allem vorgeworfen, dass sie - obwohl sie von vielen Fällen wussten - nicht dagegen einschritten. Dass Häftlinge geschlagen, versengt und ausgepeitscht wurden, sei nicht die Ausnahme gewesen, heißt es. Einige der Folterungen seien zwar von den Amerikanern untersucht, die meisten aber ignoriert worden - "mit einem institutionellen Schulterzucken: Soldaten erstatteten Bericht und baten die Iraker, eine Untersuchung einzuleiten". Genau dies taten die örtlichen Behörden in den meisten Fällen aber wohl nicht.

Ein Pentagon-Sprecher wies die Vorwürfe zurück. Die US-Armee habe stets im Einklang mit dem Gesetz gehandelt: Begingen Iraker die Tat, seien die irakischen Behörden für die Ermittlungen zuständig gewesen. Dies sei internationale Praxis.

Autor: Christian Walz (dapd, afp, dpa, rtr)
Redaktion: Marko Langer

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