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Gleiches Recht für alle?

21. Oktober 2010

Israel plant ein neues Gesetz für Nichtregierungsorganisationen. De facto betrifft es aber vor allem regierungskritische Gruppen aus dem linken Spektrum. Kritiker vermuten dahinter Methode.

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Mauer zwischen Israel und Palästina mit Flagge, Foto: ap
Israel: Gleiches Recht für alle?Bild: AP

Ein israelischer Checkpoint bei Bethlehem, acht Uhr morgens: Rund zweihundert Palästinenser, Frauen, Männer und Kinder, warten vor der Mauer. Auf der anderen Seite in Jerusalem erwartet sie der Arbeitsplatz, die Schule oder der Arzt. Es geht nicht voran, die Nerven liegen blank. Alltag im Leben vieler Palästinenser. Die meisten Israelis dagegen befürworten die Mauer, weil sie sich Schutz vor Selbstmordattentätern erhoffen.

Mauer, 'israelische' Seite in Ost-Jerusalem, Foto: ap
Die Mauer teilt Dörfer und Lebenswelt der PalästinenserBild: Katrin Matthaei

Hier veranstaltet die Nicht-Regierungsorganisation "Ir Amim" Führungen, mit denen sie darauf aufmerksam machen will, wie die Mauer den Friedensprozess behindert: Aus ihrer politischen Haltung machen sie dabei kein Geheimnis: Sie kritisieren offen die Jerusalem-Politik der Regierung. "Ir Amim" finanziert sich überwiegend aus Fördergeldern der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten – wie die meisten der eher links orientierten Nicht-Regierungsorganisationen in Israel.

Gezielte Kampagne?

Durch einen Gesetzesentwurf, den die Regierungspartei von Premierminister Benjamin Netanjahu in die Knesset eingebracht hat, fühlen sich Organisationen wie "Ir Amim" jetzt bedroht. Aus Sicht der Regierung soll er mehr Transparenz in die Finanzierung israelischer NGOs durch das Ausland bringen, NGOs wären dann gezwungen, ihre Einnahmequellen offen zu legen. So müssten die Mitarbeiter von "Ir Amim" zum Beispiel ihren Besuchern vor jeder Stadtführung detailliert auflisten, von welchen Ländern sie wie viel Geld erhalten.

Ausgenommen von dem geplanten Gesetz sind NGOs, die Geld von privaten Stiftungen erhalten, zum Beispiel aus den USA. Davon profitieren viele Organisationen, die sich eher im rechten Spektrum befinden, etwa die Siedlerbewegung. "Der Fokus liegt auf öffentlichen Geldern aus dem Ausland, weil diese Art der Förderung transparent sein muss, um zu verhindern, dass sich ausländische Regierungen in die internen Angelegenheiten eines anderen demokratischen Staates einmischen", erklärt der Sprecher der offiziellen Delegation Israels bei der EU, Gerrit Meester, das geplante Gesetz.

Screenshot der Seite der NGO 'Ir Amim'
Die NGO "Ir Amim" fühlt sich den Gesetzentwurf bedrohtBild: Screenshot ir-amim.org

Bei NGOs wie "Ir Amim" aber nährt es den Verdacht, es handele sich um eine gezielte Kampagne gegen regierungskritische Organisationen. "Noch bevor das Gesetz überhaupt da ist, spüren wir es schon", sagt Orly Noy, die Sprecherin der Organisation. "Die Menschen begegnen uns immer misstrauischer und man spürt, dass sie uns verdächtig finden, weil wir die Regierung kritisieren." Manche Gruppierungen versuchten, sie als Vaterlandsverräter darzustellen, erzählt Noy, "und ich fürchte, falls das Gesetz durchkommt, wird das noch schlimmer."

Schwere Vorwürfe

Ein solches Misstrauen werde auch durch Organisationen wie "NGO Monitor" gefördert, so Noy. Auf ihrer Internetseite führt diese alle europäisch finanzierten Menschrechtsgruppen auf und nimmt politische Einordnungen vor: Zu "Ir Amim" etwa heißt es: "Ir Amim vertritt die palästinensische Sichtweise auf den Jerusalem-Konflikt."

Geleitet wird "NGO Monitor" von dem Politologen und ehemaligen Regierungsberater Gerald Steinberg. Er spricht im Zusammenhang mit europäisch geförderten NGOs von einem "neuem Antisemitismus" und wirft ihnen undifferenzierte Parteinahme für die Palästinenser vor. In seinem Text "European NGOs against Israel" aus dem Jahr 2005 begründete er seine Kritik folgendermaßen: "Diesen NGOs fehlt eine Sensibilität dafür, wohin die Tradition des christlichen Antisemitismus geführt hat. Sie haben einen neuen Weg gefunden, um die Juden für das Böse verantwortlich zu machen."

Worte, die man in offiziellen Stellungnahmen Israels nicht findet. Die diplomatische Vertretung Israels bei der EU in Brüssel allerdings empfiehlt Steinberg als Gesprächspartner zum Thema NGOs. Steinbergs eigene Organisation wäre übrigens von dem neuen Gesetz ausgenommen: Sie finanziert sich vor allem über US-amerikanische Privatstiftungen.

EU-Kommission ist besorgt

Tatsächlich hat der öffentliche Protest inzwischen zu einer Entschärfung der Gesetzvorlage geführt. Das begrüßt auch die EU-Kommission in Brüssel, sie zeigt sich aber weiterhin besorgt: "Das wird uns nicht daran hindern, die Zivilgesellschaft in Israel weiterhin zu unterstützen", sagt Kommissionssprecherin Angela Filote. Dabei hat die Kommission ein wichtiges Argument in der Hand: Schon lange will Israel einen besseren Zugang zum europäischen Markt. Die Verhandlungen liegen aber auf Eis, seit mehrere EU-Staaten gegen die Bombardierung des Gazastreifens vor zwei Jahren protestierten. Sollte das geplante NGO-Gesetz in der jetzigen Form verabschiedet werden, könnte das die Wiederaufnahme der Verhandlungen erneut verzögern.

Autorin: Katrin Matthaei
Redaktion: Ina Rottscheidt