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Mobbing unter Schülern

18. Oktober 2010

In Deutschland wird eine Debatte über Integration geführt. Dabei geht es auch um Probleme von und mit Migrantenkindern. Ein Ortsbesuch mit Eindrücken aus dem Alltag deutscher und nicht-deutscher Jugendlicher.

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Tannenbusch - Hochhaus-Ansicht (Foto: DW)
Hochhäuser in Bonn-TannenbuschBild: DW

Nina stammt aus Kasachstan, die Eltern von Nicolas kamen aus Portugal, Yann hat einen französischen Vater. Jan ist Deutscher. Auf einem Sportplatz in Bonn in Nordrhein-Westfalen spielen sie zusammen Fußball. Sie bilden dabei ungewollt einen Mikrokosmos an Kulturen ab. Ein Viertel der Einwohner in diesem Bonner Stadtteil Tannenbusch sind Deutsche.

Alle Jugendlichen hier würden Deutsch sprechen, die gemeinsame Sprache sei die Grundlage für den Umgang miteinander, sagt einer. "Von Kindszeiten an wächst man mit anderen Kulturen auf, und dann gewöhnt man sich halt daran", meint Nicolas.

Vor gut 40 Jahren wurden die Hochhäuser in diesem vom Stadtzentrum abgelegenen Stadtteil gebaut, für die ausländischen Mitarbeiter der diplomatischen Vertretungen. Die sind, als nicht mehr Bonn, sondern Berlin deutsche Hauptstadt wurde, umgezogen. 1999 ging die Bundesregierung nach Berlin. Heute leben hier überwiegend Spätaussiedler aus Russland, Asylbewerber aus Syrien, dem Irak, Afghanistan. "Baracken" nennt der Deutsche Jan die tristen Wohnblocks. Inklusive seien Arbeitslosigkeit, Gewalt und Kriminalität. Am Gymnasium sei es nicht so schlimm, weil dort nicht so viele Ausländer anzutreffen seien, sagt Yann. Trotzdem habe er dort Aggression und Gewalt erlebt. Buchstäblich mit einem blauen Auge sei er davon gekommen. "Wenn ich abends rausgehe, dann in ziemlich großen Gruppen. Und wenn etwas passieren sollte, dann sind wir halt ziemlich viele. Ich will nicht rassistisch sein, aber es ist schon schlimm."

Familie und Polizei heraushalten

Ein Schüler steht an der Tafel. Andere sitzen im Klassenzimmer. (Foto: DW)
Interkulturelle SchuleBild: Ludolf Dahmen

Das Tannenbusch-Center ist ein Einkaufszentrum - in einem hässlichen Beton-Komplex untergebracht, mit U-Bahnanschluss und neben grauen Wohnblocks gebaut. Tagsüber ist es hier laut. Kinder stehen herum. Einer der Wortführer ist Zacharia. Der pummelige Junge spuckt sein Gummibärchen auf die Straße. Drei Jahre alt sei er gewesen, als seine Eltern aus Marokko nach Bonn-Tannenbusch kamen. Und auch Hilal hat marokkanische Wurzeln. Beide Jungen wissen, wie man mit derben Sprüchen provoziert, und geben einige zum Besten.

Die Jungen lachen. Andere zu provozieren finden sie okay. Selbst angegriffen zu werden nicht. Die Deutschen seien eigentlich ganz nett. Schlimm sei aber ein Junge aus Afghanistan. Dem müsse man aus dem Weg gehen, sagen sie. Ihn ignorieren. Einmal sei das nicht gelungen. Da wäre Hilal durch ein Stück Kreide am Kopf getroffen worden. "Ich bin ausgerastet und habe meine Tasche gegen seinen Kopf geworfen. Ärger haben beide bekommen." Einen Tadel habe es vom Lehrer gegeben. Und die Eltern hätten Hausarrest verhängt. Manchmal gebe es Prügel. Aber am besten sei es, die Familie und die Polizei ganz herauszuhalten, sagen die Jungen unisono. Kinder von Marokkanern, Syrern, Albanern, Kurden. Manchmal sind sie Freunde, manchmal Feinde.

Tristesse hinter roten Backsteinmauern

Dmitri und Wladimir sind Freunde. Sie wohnen im Bonner Stadtteil Brüser Berg. Er entstand 1974, hier gibt es viele rote Backsteinbauten und wenig Grünflächen. Als die Bundesbediensteten nach Berlin zogen, wurden Wohnungen frei für Spätaussiedler aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und anderen Ländern. Meist halten sich die Jugendlichen in der Fußgängerzone auf. Viele seien aggressiv, hat Wladimir beobachtet. Meist seien es Muslime, die etwas gegen Deutsche hätten, behauptet er.

Auch Felix sieht das so. Nicht auf offener Straße, in einem geschützten Hauseingang will er sich seinen Frust von der Seele reden. "Viele sind in Bombengebieten aufgewachsen und haben kein gutes Sozialverhalten", glaubt er die Ursache für die Gewaltbereitschaft zu kennen. Am Vortag erst habe er wieder ein bedrückendes Erlebnis gehabt, erzählt der zwölfjährige Realschüler. Beim Jugendzentrum sei er von einem Schwarzhäutigen angesprochen und beleidigt worden. Zwar habe eine Erzieherin mit dem Anstifter geredet, doch der habe Felix danach verfolgt. Seine beiden Freunde hätten ihn schließlich beschützt, "deswegen ging das ein bisschen glimpflich aus".

Felix sagt, er habe Angst. Das effektivste Mittel sei, den Aggressiven aus dem Weg zu gehen. Die Lehrer in der Schule seien überfordert. "Die machen eigentlich gar nichts. Die sprechen einen Tadel aus oder lassen Nachsitzen, aber bei denen bringt das nichts. Wenn man die verpetzt, und die dann wegen einem nachsitzen müssen, dann wird das nur noch schlimmer."

Autorin: Karin Jäger
Redaktion: Klaudia Prevezanos