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Arbeiten im Rentenalter

13. Oktober 2010

Arbeitnehmer in Deutschland sollen immer länger für ihre Rente arbeiten, obwohl die meisten schon heute vor Erreichen des Rentenalters aufhören. Es gibt aber auch welche, die länger im Berufsleben bleiben wollen.

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Foto: Patrick Pleul dpa/lbn
Die Initiative 50 fördert ältere ArbeitnehmerBild: dpa

Wenn die Entwicklung anhält und sich die Vorausberechnungen bewahrheiten, dann droht ein Horrorszenario. Heute versorgen in Deutschland bei einem durchschnittlichen Renteneintritt mit 60 Jahren fünf Erwerbstätige zwei Personen im Ruhestand. Bis zum Jahr 2060 werden vier beruflich aktive Menschen für fünf Rentner aufkommen müssen. Die Zahlen sind dem sogenannten Grünbuch der EU-Sozialkommission zu entnehmen.

In Brüssel verfolgt man sehr genau die Pensionspolitik der Mitgliedsländer, die sich alle mit einem Abschied vom bisherigen Wohlstandssystem schwertun. Das belegen auch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes und anerkannter Altersforscher. Um 1900 lebte man nach Eintritt in die Rente nur noch acht Jahre, heute sind es zehn mehr - und 2050 sollen es stolze 25 Jahre sein. Während die Lebenserwartung weiter zunimmt, sinkt die Geburtenrate und damit die Anzahl potenzieller Rentenbeitragszahler. Allen Beteiligten, Politikern und Bürgern ist damit klar, dass länger gearbeitet werden muss.

Foto: Patrick Pleul/lbn
Rudolf Siebke arbeitet noch mit 67 bei GoodyearBild: picture-alliance/dpa

Trend zum längeren Arbeiten

Die jüngsten Belege dafür, dass sich die Situation ändert, lieferte unlängst die Bundesanstalt für Arbeit. Nach ihren Erkenntnissen verlagerten sich die frühesten Renteneintritte im Durchschnitt bereits um zwei Jahre von 61 auf 63 Jahre. Auf den Arbeitsämtern signalisierten immer mehr Arbeitssuchende eine höhere Bereitschaft zum Arbeiten nach der oft kritischen Schwelle von 50 Jahren über die derzeit noch geltende offizielle Rentengrenze von 65 Jahren hinaus. Allerdings beschäftigen nur vierzig Prozent der Betriebe in Deutschland überhaupt noch Mitarbeiter über 50 Jahren. Im Durchschnitt arbeiten dann im Alter von 55 bis 60 nicht einmal mehr die Hälfte aller Arbeitnehmer. Im Alter zwischen 60 und 65 ist es nicht einmal mehr jeder Fünfte.

Aber auch dies ändert sich mit zunehmendem Fachkräftemangel in Deutschland. Um Experten mit einzigartigem Wissen zu halten oder zu gewinnen, versucht die Jobinitiative "50plus", bei den mittelständischen Unternehmen Zeichen zu setzen. So arbeitet Helmut Breuer trotz seiner 75 Jahre noch immer in der Kunststoffproduktentwicklung. Seine langjährigen Erfahrungen sind für das Unternehmen unentbehrlich. Von montags bis freitags ist er ab sieben Uhr morgens im Büro und in der Werkshalle. Wenn dann ein Tag voller Konzentration auf Milimeterarbeit für ihn zuende geht, betont er, dass es auch noch Spaß gemacht habe. "Ein bisschen muss ich zu tun haben, sonst fällt mir zuhause die Decke auf den Kopf", meint Breuer.

Foto: dpa
Künftig heißt es DurchhaltenBild: picture alliance / dpa

Keine gesundheitliche Zumutung

Mit dieser Einstellung sind die älteren Arbeitnehmer jenseits der 65 ganz nach dem Geschmack der Bundesregierung. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP bezweifelt allerdings jetzt schon, dass der geplante spätere Einstieg in die Rente mit 67 überhaupt ausreicht, um das Rentensystem aufrechtzuerhalten. Die Europäische Kommission hatte sogar schon Überlegungen für eine Rente ab 70 angestellt. Der zuständige Sozialkommissar musste die Pläne offiziell dementieren, so heftig fiel der Protest aus, der in Deutschland von Grünen und Sozialdemokraten geteilt wird.

Entscheidend für eine Rente, die später als mit 65 ausgezahlt wird, ist nicht nur die Gelegenheit zur Arbeit, also letztlich das Jobangebot, sondern der Gesundheitszustand. Orientiert man sich dabei wieder nur an der Statistik, dann erhöht sich im Alter zwischen 60 und 68 die Anzahl lebensbedrohlicher Krankheiten deutlich. Konkret leiden rund 30 Prozent an Krebs. Zwei Drittel aller Diabetes-Patienten und die Mehrheit aller drei Millionen in Behandlung befindlicher Herz-Patienten sind über 65.

Ergebnisse der Altersforschung überraschen

Christian Rossnagel von der Bremer Jacobs-Universität ist der Frage im Studienprojekt "Altern in Deutschland" auf den Grund gegangen: "Wir haben herausgefunden, dass ältere Menschen durchaus körperlich in der Lage sind, noch täglich zu arbeiten. Das einzige, was abnimmt, ist das Zutrauen in die eigene Lernfähigkeit. Da können Unternehmen aber mit gezielten Trainingsangeboten gegensteuern." Die deutsche Rentenversicherung ergänzt die Ergebnisse ihrer Untersuchungen. Danach konnte nachgewiesen werden, dass Menschen bis 67 absolut leistungsfähig bleiben.

Johannes Fuchs von der Bundesagentur für Arbeit weist ebenfalls auf eine interessante Studie hin. "Wir haben Teams mit ausschließlich älteren Arbeitnehmern über Wochen beobachtet. Es hat sich dabei gezeigt, dass mit längerer Erfahrung und mit steigender Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter die Fehler der täglichen Arbeit eindeutig abnahmen." Leitende Ärzte der deutschen Rentenversicherung haben nachgewiesen, dass Menschen, die ihren Arbeitsplatz vorzeitig verloren oder aufgegeben haben, eine schlechtere Lebenserwartung hätten und mit Einbußen von mehreren Jahren rechnen müssten. Das gelte insbesondere für Männer. Den eigenen Arbeitsplatz so lange wie möglich zu erhalten sei die beste Prophylaxe gegen das Altern und sichere weiterhin die volle Rentenhöhe.

Autor: Wolfgang Dick
Redaktion: Dеnnis Stutе