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"Ich sage jeden Satz mit großer Überzeugung"

8. Oktober 2010

Im Oktober kommen gleich zwei Filme mit Bruno Ganz ins Kino: "Das Ende ist mein Anfang" und "Der große Kater". Grund für uns mit dem Grandseigneur des deutschen Kinos über seine Arbeit zu sprechen.

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Bruno Ganz in Das Ende ist der Anfang (Foto: Universum)
Er wünscht sich, dass er früh genug aufhören kannBild: Universum Film

DW- WORLD.DE: Herr Ganz, man sieht Sie seit einiger Zeit viel im Kino. Im Theater dagegen haben Sie sich rar gemacht. Hat das etwas mit dem neumodischen Regiestil der "Klassikzertrümmerer" zu tun?

Bruno Ganz: Sie sagen es. Ich bin aus diesem Grund total zerworfen mit dem Theater. Zum Glück brauche ich es auch nicht, weil ich mich ja im Kino ausleben kann. Dort gilt noch das Prinzip Identifikation. Am Theater ist das Gift, da scheuen Regisseure Identifikation wie der Teufel das Weihwasser, also habe ich da nichts zu suchen. Ich neige dazu, so weit es geht, mich mit meinen Figuren zu identifizieren und sage auch Sätze mit großer Überzeugung, an die ich nie im Leben glaube. Das ist bei Hitler im "Untergang" natürlich sehr schwierig gewesen.

Für Ihren Hitler sind Sie in Deutschland von einigen Journalisten kritisiert worden, ihn zu "menschlich" angelegt zu haben. Im Ausland dagegen hatten Sie und der Film großen Erfolg. Wie beurteilen Sie sich in dieser Rolle selbst rückblickend?

Ich glaub, ich hab’ das alles richtig gemacht. Ich bin stolz da drauf.

Bruno Ganz in 'Der Untergang' (Foto: dpa)
Seine Hitler-Rolle hat ihm nicht nur Lob eingebrachtBild: dpa

In dem Film "Der große Kater" spielen Sie einen Schweizer Bundespräsidenten in der Krise. Im wirklichen Leben sind Sie seit Februar diesen Jahres Präsident der Deutschen Filmakademie. Was hat Sie bewogen, dieses Amt anzunehmen?

Ich habe anfänglich sehr gezögert und bin sehr gerne ein einfaches Mitglied der Akademie gewesen, habe auch an den Mitgliederversammlungen und Wahlen regelmäßig teilgenommen und mit den andern darüber geredet, was man zum Beispiel zum Fall Polanski zu sagen hätte. Mein Vorgänger hatte aber sehr gute Argumente, warum ich das doch machen soll. Nun bin ich’s halt.

In Jo Baiers subtilem Kammerspiel "Das Ende ist mein Anfang" verkörpern Sie den Journalisten und Autoren Tiziano Terzani. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

Zunächst ging es um ganz banale Dinge: den Text lernen und einen Bart wachsen lassen. Das Textlernen hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Die Phase zog sich über zwei, drei Monate, in denen ich mich sechs, sieben Stunden täglich allein damit beschäftigte! Ich habe auch nicht geahnt, dass man das schafft. Das hat mir durchaus Disziplin abverlangt, obwohl ich eigentlich mein Leben lang nichts Anderes gemacht habe, aber natürlich beschäftige ich mich, während ich den Text lerne, auch mit der Person. Trotz des Bartes und der weißen Jacke wusste ich, das wird kein vergleichbares Porträt wie das von Hitler, sondern eher eine Mischung aus Terzani und mir.

Einige Schauspieler Ihres Alters können sich ihren Text nicht mehr merken und arbeiten mit Knopf im Ohr. Wann ist Ihrer Meinung nach der Zeitpunkt gekommen, dass ein Schauspieler sich von seinem Beruf verabschieden sollte?

Das muss jeder für sich beantworten. Wenn ich mit dem Knopf im Ohr umgehen kann, ist es eine andere Situation als wenn es mich quält. Jeder muss die Grenze sehen, wie lange er so arbeiten kann, ohne sich doof vorzukommen. Ich finde es bedenklich, wenn man sich nur noch als ein Krüppel durch einen zehnstündigen Drehtag schleppt, bloß damit man noch am Milieu schnuppert und wünsche mir, dass ich früh genug aufhöre.

Interview: Kirsten Liese

Redaktion: Manfred Götzke