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Schießen für Somalia

4. Oktober 2010

Die EU will den staatlichen Wiederaufbau in Somalia fördern. Zu diesem Zweck bilden 14 EU-Nationen im ugandischen Bihanga 2000 somalische Rekruten aus. Sie sollen den Kern einer künftigen nationalen Armee bilden.

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Somalische Rekruten trainieren den Häuserkampf (Foto: Daniel Scheschkewitz)
Somalische Rekruten trainieren den HäuserkampfBild: Daniel Scheschkewitz

20 Jahre Bürgerkrieg haben Somalia zerrüttet. Das einst so stolze Land am Horn von Afrika ist zur Operationsbasis für Piraten und - wie manche meinen - auch zur neuen Rekrutierungsbasis für El Kaida Terroristen geworden. Jedenfalls kontrollieren die islamistischen Schabab-Milizen große Teile Somalias. Sogar im Zentrum der Hauptstadt Mogadischu kann sich eine gemäßigte und vom Westen unterstütze Übergangsregierung lediglich mit Hilfe einiger tausend AMISOM-Soldaten der afrikanischen Union nur mühsam an der Macht halten. Sämtliche Hilfsmaßnahmen der EU für das Land am Horn von Afrika, in dem mehr als 40 Prozent der Bevölkerung als akut hilfsbedürftig gelten, werden vom kenianischen Nairobi aus koordiniert.

Doch zum Wiederaufbau eines zerrütteten Staates gehört mehr als nur humanitäre Krisenhilfe. Deswegen bilden insgesamt 14 EU-Staaten mit Unterstützung Ugandas im Westen des ostafrikanischen Staates 2000 somalische Rekruten Infanteriesoldaten und Offiziere einer künftigen somalischen Armee aus. Schon im kommenden November sollen die ersten 1000 von ihnen den Einheiten der Übergangsregierung TGF (Transitional Governmental Force) in Mogadischu zur Verfügung stehen. Nach einem sechsmonatigen Lehrgang werden sie die rund 7000 AMISOM-Soldaten verstärken.

In Gummistiefeln zum Häuserkampf

Somalische Rekruten im EU Trainingslager in Bihanga, Uganda (Foto: Daniel Scheschkewitz)
Somalische Rekruten im EU Trainingslager in BihangaBild: Daniel Scheschkewitz

Im ugandischen Hochland werden neben einer infanteristischen Grundausbildung unter anderem die Feinderkennung, das Verhalten im verminten Gelände, Funkverkehr und erste Hilfe im Kampfeinsatz trainiert. Für das wichtige Trainingsmodul "Häuserkampf" hat die portugiesische Armee die Ausbilder zur Verfügung gestellt. Unter ihrer Anleitung schleichen sich die hochgewachsenen Somalier im Camp an einer zu Übungszwecken eigens errichteten Häuserwand entlang. Grüne Gummistiefel an den Füßen und das AK-47-Kalaschnikow Gewehr im Anschlag arbeiten sich die Rekruten im kleinen Trupp bis zu einer eingebauten Türfront vor. Unter den kritischen Augen der ausbildenden Offiziere wird die Tür eingetreten, der Raum bei gegenseitiger Sicherung erstürmt und "von feindlichen Elementen gesäubert."

"Der Kampf in bebautem Gelände spielt natürlich gerade in Mogadischu eine große Rolle, wo es gilt, in Straßenzügen oder in Häusern zu kämpfen. Dass heißt, es muss den Soldaten vermittelt werden, wie sie in ein Haus eindringen, wie sie sich von Raum zu Raum kämpfen oder ein Gebäude freikämpfen", erläutert Bundeswehrmajor Ralph K., der das neun Mann starke deutsche Team unter den rund 100 Ausbildern im ugandischen Hochlandcamp von Bihanga anführt. Die Bundeswehr hat die Fernmeldeausbildung der Zugführer und Offiziersanwärter im modulartig aufgebauten Training übernommen, nachdem die ugandische Armee eine militärische Grundausbildung der Rekruten im gleichen Lager ausgeführt hat.

"Iron Horse this is Blue, Zulu, Uniform…. over", spricht Mohammed Abukar leise im Schutz eines Akazienbaumes in sein Funkgerät. Wofür somalische Milizionäre im alltäglichen Kampf ein Handy benutzen würden, wird hier über eine abhörsichere Funkverbindung gemacht, die die Soldaten zuvor unter fachkundiger Anleitung aufgebaut haben.

Deutsche Disziplin im Funkverkehr

Somalische Rekruten lernen geordneten Funkverkehr (Foto: Daniel Scheschkewitz)
Somalische Rekruten lernen geordneten FunkverkehrBild: Daniel Scheschkewitz

Das Benutzen von englischen Codewörtern und Abkürzungen lernen die Somalis mit bewundernswerter Geduld und der Disziplin ihrer deutschen Ausbilder, die allerdings regelmäßig auf die Hilfe kenianischer Dolmetscher zurückgreifen müssen, um sich ihren des Englischen kaum mächtigen Schützlingen verständlich machen zu können. "Im internationalen Einsatz in Somalia müssen sie in Verbindung mit den Nichtregierungsorganisationen (NGO) oder auch den Vereinten Nationen (UN) die englische Sprache im Funkverkehr beherrschen. Zumindest beim Etablieren einer Funkverbindung und dem Beenden einer solchen. Und das trainieren wir hier", sagt Oberleutnant Stefan Wizisk, der das Trainingsmodul leitet.

Schützenhilfe für Mogadischu

Das Lager der EU Trainingsmission im ugandischen Hochland (Foto: Daniel Scheschkewitz)
Das Lager der EU Trainingsmission im ugandischen HochlandBild: Daniel Scheschkewitz

Der 26-jährige Mohammed Abukar hat zuhause bereits ein Jahr lang in den Reihen der TGF gekämpft. Die EU-Ausbildung in Bihanga wird aus ihm einen besseren Soldaten machen, glaubt er und wenn der Krieg gewonnen ist, wird er sich mit dem erlernten Englisch bei den Hilfsorganisationen verdingen. Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg, das ahnt auch er.

Genauso wie die Franzosen, die ein paar hundert Meter weiter den Rekruten das Schießen aus der Distanz mit dem Maschinengewehr beibringen. Nach jeder Runde wird das Ergebnis an der Zielwand in 50 Meter Entfernung besprochen und mit dem rüden Charme eines französischen Fremdenlegionärs warnt einer der Ausbilder die Somalis, die wieder nicht ins Ziel getroffen haben, dass man sich in Mogadischu so schnell sein eigenes Grab schaufeln werde. Es wäre ein Tod durch Unvermögen, dem die EU-Trainingsmission noch bis Mitte 2011 tapfer vorzubeugen versucht. Danach sollen die Soldaten nach Somalia zurück transferiert werden und in multiethnischen Bataillonen Dienst tun - anständig besoldet und in ordentlichen Camps untergebracht, als Nukleus einer künftigen somalischen Staatsarmee.

Eine Armee für das geschundene Land

Kommandozentrale der EU-Trainingsmission in der ugandischen Hauptstadt Kampala (Foto: Daniel Scheschkewitz)
Kommandozentrale der EU-Trainingsmission in der ugandischen Hauptstadt KampalaBild: Daniel Scheschkewitz

Für den Sondergesandten der EU für Somalia, Georges-Marc Andre, ist die Trainingsmission in Uganda Teil einer umfassenden Gesamtstrategie der internationalen Staatengemeinschaft zum Wiederaufbau des zerfallenen Staates am Horn von Afrika.

"Somalische Rekruten lernen hier geordneten Funkverkehr. Die EU-Trainingsmission ist von vitaler Bedeutung für die Zukunft Somalias, denn kein Staat kann ohne eine funktionierende Armee auskommen", erklärt Andre. "Wir wollen die Keimzelle einer solchen Armee in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von UN, AMISOM, der EU und einzelner EU-Staaten in den kommenden Jahren schaffen."

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Nicole Scherschun