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Internationaler Übersetzertag

30. September 2010

Übersetzer fristen ein Schattendasein. Und das obwohl sie am Ruhm großer Schriftsteller mitschreiben. Ein Besuch bei Ingo Herzke, der mit seinen Übersetzungen englischsprachige Autoren berühmt gemacht hat.

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Ingo Herzke an seinem Schreibtisch Foto: Janine Albrecht
Übersetzer Ingo HerzkeBild: DW

Überall Bücher. Im Arbeitszimmer von Ingo Herzke ist nichts mehr vom Weiß der Wände zu sehen. Jeder Zentimeter ist Buchregal oder Buchstapel. Ein Leben ohne Bücher? Unvorstellbar für den Übersetzer. Jede Minute wird literarisch verwertet. "Ich habe mir beim Abwaschen mal ein Buch daneben gestellt", lacht Herzke.

Angefangen hat die Leidenschaft mit der schottischen Schriftstellerin Alison L. Kennedy, die Herzke während seines Studiums in Glasgow persönlich kennen lernte. Mit ihren Kurzgeschichten und Romanen fing seine Übersetzer-Karriere an.

"Gleißendes Glück" hieß die erste Romanübersetzung ins Deutsche. Schlagartig wurde Kennedy damit hierzulande berühmt.

Ein Wink des Schicksals

Ingo Herzke an seinem Schreibtisch Foto: Janine Albrecht
Liebe zur SpracheBild: DW

Ein glücklicher Zufall führte dazu, dass er ihr Übersetzer wurde. "Ein Freund von mir war als Volontär beim Wagenbach-Verlag in Berlin. Er sah ein Buch von A.L. Kennedy auf dem Tisch eines Lektors liegen und ihm fiel ein, dass es meine Lieblingsautorin ist", sagt Herzke. Der Freund habe ihn angerufen und vorgeschlagen, sich bei dem Lektor zu melden. Das tat Herzke – und bekam seinen ersten großen Übersetzer-Auftrag. Damit war Herzke ein gemachter Mann, wie er selber sagt. "Denn dieses Buch ist in allen deutschsprachigen Feuilletons begeistert rezensiert worden und im Radio, im Fernsehen und überall aufgetaucht und sehr häufig auch mit freundlicher Erwähnung der Übersetzung." Das war im Jahr 2000, seitdem ist Ingo Herzke gefragt.

Auf den Regalbrettern neben seinem Schreibtisch stehen Nachschlagewerke und verschiedene Romane, auch die, die er übersetzt hat. Und: ein kleiner hellbrauner Teddybär aus Kindertagen. "Ich komme nicht unbedingt aus einem literarischen Haushalt, es gab ein Bücherregal, aber das war sehr zufällig und willkürlich bestückt", sagt er. Herzke wuchs in einem kleinen Dorf im südlichen Niedersachsen auf. Er studierte Englisch und Geschichte in Göttingen. Während des Studiums dolmetschte er auf literarischen Veranstaltungen. Für die Schriftsteller, die meist aus Afrika oder Asien kamen, übersetze er auch Texte, die sie auf Deutsch vortragen wollten. "Da habe ich festgestellt, das kann ich einigermaßen gut und das geht mir leicht von der Hand", erinnert sich Herzke.

Reiche Welt der Kurzgeschichten

Aufgeschlagenes Buch Foto: Janine Albrecht
Traurige Liebesgeschichte: "Super Sad Love Story von Gary ShteyngartBild: DW

Nach dem Studium zieht er nach Hamburg. Hier verspricht er sich mehr Aufträge. Seit er erfolgreich Romane übersetzt, lese er viel mehr deutsche Literatur, nicht zuletzt aus beruflichen Gründen. "Mich interessiert, was deutsche Autoren mit Sprache anstellen", sagt Herzke. Es sei vor allem die Sprache, die ihn an einem Buch fasziniert. Die Handlung sei ihm nicht so wichtig, sagt er. Zudem sei er ein sehr langsamer Leser. "Deswegen lese ich auch sehr, sehr gerne Kurzgeschichten. Ich finde, dass 30, 40 Seiten genügen, um eine Welt zu erschaffen", so der Übersetzer.

Auf dem Computerbildschirm vor ihm, entsteht gerade die Seite 38 seiner aktuellen Übersetzung. Gary Shteyngarts dritter Roman "Super Sad True Love Story". Ein recht junger Schriftsteller aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Ein sprachlich sehr risikobereiter und fantasievoller Autor, wie Herzke findet. "Das Buch spielt ein Stückchen in der Zukunft und deshalb hat er sich sehr viele Vokabeln, Phänomene, gesellschaftliche Entwicklungen ausgedacht, die man sich auch so vorstellen könnte, die aber satirisch überspitzt sind und da sind natürlich allerlei Begriffe zusammengesetzt, zusammengebaut, die er neu ersonnen hat", beschreibt er. Das mache ihm als Übersetzer Spaß. Und wenn er an einer Stelle mal nicht weiterkommt, holt er seinen Gitarrenkoffer. "Ich klimpere dann eine Viertelstunde und danach geht es vielleicht ein bisschen besser oder auch nicht“, sagt er und lacht dabei.

Autorin: Janine Albrecht

Redaktion: Sabine Oelze