1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bescheidene Geburtstagsfeier in Mali

22. September 2010

Vor 50 Jahren wurde Mali unabhängig, und das Land feiert - aber was genau? Noch immer hängt die ehemalige französische Kolonie am Tropf der Grande Nation und viele Menschen leiden unter Armut.

https://p.dw.com/p/PJKz
Reich an Kultur: MaliBild: Nuzzcom

Mali ist in Festtagslaune - und wenn in der Hauptstadt Bamako die grün-gelb-rot-gestreiften Fahnen gehisst werden und die Nationalhymne ertönt, dann verdrückt Ousmane Diarra auf jeden Fall mehr als nur ein Tränchen.

Der Schriftsteller ist selbst Jahrgang 1960 - und feiert runden Geburtstag, so wie seine Heimat: "Für mich ist die Unabhängigkeit das größte Geschenk überhaupt. Wer nichts über die jahrhundertelange Unterdrückung und Skaverei weiß, der kann gar nicht nachvollziehen, was es heißt, wenn ein Land unabhängig wird."

Schwierige Geburt einer Nation

Hauptstrasse in Bamako, Mali
Städtisches Leben in Bamako, doch nur jeder Vierte kann lesenBild: AP

Doch mit der Euphorie ist es schon bald wieder vorbei. Denn 1968 putscht sich General Moussa Traoré an die Macht und stürzt sein junges Land in den Abgrund.

Mali muss noch einmal für seine politische Freiheit kämpfen, und es sind die Studenten, die 1991 gegen die Junta auf die Straße gehen. Ismael Yoro Dicko, damals einer der Studentenführer, spricht heute stolz von Revolution: "In diesem Kampf wurden viele meiner besten Freunde ermordet, und auch mein Leben war oft in Gefahr. Aber wir hatten ein Ziel - und glücklicherweise wurde das Regime ja im März 1991 gestürzt.

An vorderster Front ist damals Generaloberst Amadou Toumani Touré, kurz: ATT - ein Glücksfall für Mali. Denn der Offizier gibt die Macht umgehend an den frei gewählten Präsidenten Alpha Oumar Konaré ab, und kehrt dann zehn Jahre später selbst als Zivilist an die Spitze des Landes zurück.

Stabilität sorgt für guten Ruf

Politik mit Wahlurnen statt Kalaschnikows – das hat Mali einen guten Ruf beschert. Philippe Hugon, Politikwissenschaftler am Forschungsinstitut IRIS: "Mali hat es geschafft, die Demokratie fest in der Gesellschaft zu verankern - da ist natürlich nichts perfekt und es gibt viele Probleme, aber trotzdem ist Malis Entwicklung mustergültig, vor allem im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten." Tatsächlich sind Länder wie Niger, Elfenbeinküste oder Guinea weit von der politischen Stabilität entfernt, die Mali zum einem Lieblingsland der Internationalen Geber gemacht hat.

Der Lebensstandard der Menschen hat sich dadurch allerdings kaum verbessert. Nach wie vor ist Mali einer der ärmsten Flecken der Erde. Das Land, mehr als drei Mal so groß wie Deutschland, besteht zu fast zwei Dritteln aus Wüste. Wenn eine Dürre hereinbricht, droht Hunderttausenden der Hungertod. Auf dem Index der Vereinten Nationen für menschliche Entwicklung ist Mali Dauergast auf einem der letzten der mehr als 180 Plätze.

Bittere Armut und verbreitete Korruption

Mali: Timbuktu Pyramide, Bild 3
Devisenquelle Tourismus, wie hier in TimbuktuBild: DW

Nur jeder Vierte kann lesen, zwei Drittel der Bevölkerung leben von weniger als einem Dollar pro Tag, ein Fünftel der Kinder stirbt noch vor dem sechsten Geburtstag, die Lebenserwartung liegt bei weniger als 50 Jahren, Genitalverstümmelung ist weiter an der Tagesordnung - das Geld für die Bekämpfung all dieser Probleme verschlingt oft die Korruption. Präsident Touré hofft, dass die rasant gestiegenen Weltmarktpreise nicht nur Malis Baumwolle zu einem Boom verhelfen - sondern auch den Goldminen des Landes einen Goldrausch bescheren - wie im Nachbarland Burkina Faso.

Doch dafür braucht Mali Investoren - und die haben Angst. Nicht nur vor Tuareg-Rebellen, sondern vor Terroristen der Wüstenfiliale von Al Kaida, die immer wieder Ausländer entführen und ermorden.

Gefahr durch islamistischen Terror

In Malis Wüste tummeln sich jedoch nicht nur Terroristen, sondern auch viele junge Menschen, die mit der Hilfe von Schlepperbanden versuchen, durch die Sahara bis nach Europa zu fliehen. Menschen wie Babouye Tabouré - der trotz bester Noten keine Arbeit findet. Er will raus aus Mali, an sein Land glaubt der 25-Jährige nicht mehr. Es glaubt auch nicht an ihn: "Hier in Mali gibt es nichts für uns. Die meisten jungen Leute sind arbeitslos. Es gibt keine Alternative, deswegen sind wir gezwungen, uns nach Europa durchzuschlagen und zu hoffen, dass wir dort mehr Glück haben. Wir setzen unser Leben aufs Spiel - wir haben Angst - aber was sollen wir denn machen?"

Babouyé wird fehlen bei Malis Unabhängigkeitsfeiern. Wie Tausende andere. Der Schriftsteller Ousmane Diarra weiß, dass sein Land ausblutet. Auch deshalb wird er nicht nur Freudentränen verdrücken, wenn er im Anblick der Nationalfahne Malis Hymne singt.

Autor: Alexander Göbel
Redaktion: Dirk Bathe