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Schiff für Gaza

16. September 2010

Jede Menge Lernmaterialien und Musikinstrumente für Kinder wollen jüdische Friedensaktivisten aus Deutschland in den Gaza-Streifen bringen. Die Hilfsgüter sollen mit dem Schiff in den Küstenstreifen gebracht werden.

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Edith Lutz mit der Aktivistin Hedy Epstein tragen T-Shirts mit dem Schriftzug 'Gaza on my Mind' (Foto: Edith Lutz)
Edith Lutz (l.) und Aktivistin Hedy Epstein tragen T-Shirts mit dem Schriftzug "Gaza on my Mind"Bild: Edith Lutz

Auf einem alten Hof im deutschen Mittelgebirge Eifel stapeln sich derzeit jede Menge Schulranzen, Turnbeutel, Lernmaterialien, Jugendbücher und einige Musikinstrumente – aber nicht mehr lange. Denn die gespendeten Hilfsgüter sind für die Menschen im Gaza-Streifen gedacht. Stündlich warten zwölf jüdische Passagiere, ein britischer Kapitän und ein israelischer Skipper darauf, endlich in See zu stechen - mit einem kleinen Boot irgendwo am Mittelmeer. Ihr Ziel: die israelische Seeblockade vor dem abgeriegelten Gaza-Streifen zu durchbrechen und den Palästinensern in Gaza Hilfsgüter zu überbringen. Ein Jahr lang haben Edith Lutz und Kate Katzenstein-Leiterer die Schiffsreise vorbereitet.

Die beiden Frauen von der "Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost" (EJJP-Deutschland) stellen sich bewusst gegen die Mehrheit der in Deutschland lebenden Juden und wollen mit ihrer gefährlichen Mission nicht nur humanitäre Hilfe leisten, wie die Biologin und Hirnforscherin Kate Katzenstein-Leiterer aus Berlin erklärt. Das Schiff habe hauptsächlich symbolische Wirkung. "Es gibt Juden die sich für die Lage der Palästinenser interessieren und sich gegen die Menschenrechtsverletzungen, die Israel gegenüber den Palästinensern begeht, einsetzen", sagt Katzenstein-Leiterer.

Nur jüdische Passagiere an Bord

Küste von Gaza (Foto: AP)
Am Hafen von Gaza wollen die Schiffe einlaufenBild: AP

In welchem Hafen der rund 14 Meter lange Motorsegler vor Anker liegt, will Kate Katzenstein-Leiterer nicht verraten. Auch über den Zeitpunkt der Abreise gibt es nur vage Angaben, da die Aktivisten einen Sabotageakt seitens des israelischen Geheimdienstes befürchten.

Sicher ist, dass das kleine Boot ausschließlich jüdische Passagiere und Crew-Mitglieder an Bord haben wird. Juden aus den USA, aus Israel, Australien, Kanada, Großbritannien und Deutschland – darunter auch die Hauptorganisatorin und promovierte Judaistin Edith Lutz. Die ehemalige Lehrerin aus der Eifel engagiert sich schon lange für die Menschen im Gaza-Streifen.

In Zusammenarbeit mit anderen Organisationen

Finanziell konnte das Vorhaben mit der englischen Partnerorganisation "Jews for Justice for Palestinians" (JfJfP) zuletzt doch noch abgesichert werden. Denn nach der Erstürmung der "Mavi Marmara" Ende Mai dieses Jahres hatte eine deutsche Bank die Kreditbewilligung für den Kauf des Bootes zurückgezogen - das rein deutsche Projekt drohte zu scheitern. Aus dem "Jüdischen Boot" wurde nun ein "European Jews for Justice" - Boot.

Neben Geldspenden für den Erwerb des Schiffes sammelten Edith Lutz und Kate Katzenstein-Leiterer zahlreiche Hilfsgüter für die Menschen in Gaza; auch Schulen in Nordrhein-Westfalen beteiligten sich daran. "Wir werden Schulmappen für die Kinder gefüllt mit Schulmaterial und auch Spielzeug und Kinderkleidung mitnehmen, weil diese Sachen durch die Israelis bis heute nicht in den Gaza-Streifen gelassen werden", sagt Kate Katzenstein-Leiterer. Außerdem wolle man Musikinstrumente und für die Fischer entsprechend Netze und vielleicht einige Außenbordmotoren mitnehmen. "Wir haben eine große Schulaktion gestartet, wo sehr viele materielle Spenden zusammen gekommen sind."

Auch Schüler helfen mit

Rund ein Dutzend Schulen in Nordrhein-Westfalen und Berlin haben sich an der Spendensammlung beteiligt, darunter auch das Nicolaus-August-Otto-Berufskolleg in Köln. Armin Ahlheim ist dort Deutsch- und Religionslehrer und sieht seine Schule einer Tradition verpflichtet, sich für bedürftige Menschen auf der ganzen Welt einzusetzen. Besonders weil es eine jüdische Aktion sei, habe man die Aktion unterstützen wollen, sagt Ahlheim. "Dass es Juden sind, hat uns da den Rücken gestärkt. Ich habe Frau Dr. Lutz besucht, als ich die Spenden in der Eifel überbracht habe, und habe lange mit ihr gesprochen. Sie sagte, es sei ja auch eine jüdische Tradition zu helfen."

Die Sachspenden in Form von Fachbüchern, Spielzeug und Jugendliteratur waren auch Anlass, im Unterricht über den Nahost-Konflikt und die Rolle Deutschlands kontrovers zu diskutieren. Sowohl Schüler als auch Lehrer am Kölner Berufskolleg sprachen sich allerdings auch gegen eine Unterstützung des Bootes aus, da ein politisches Engagement nicht Auftrag einer Schule sei. Man komme sehr schnell in den Verdacht, bei einer solchen Aktion anti-israelisch politisch aktiv zu sein, sagt Ahlheim.

Warnung von der israelischen Botschaft Berlin

Kinder in Gaza auf einem Karussel (Foto: Claudia Tomassini)
Das jüdische Schiff will den Kindern in Gaza Schulmaterialien bringenBild: Claudia Tomassini

Für das Nicolaus-August-Otto-Berufskolleg steht daher auch die humanitäre Hilfe der bedürftigen Menschen in Gaza im Vordergrund. Seitens der "Jüdischen Stimme" aber will man ein klares politisches Signal setzen und Unrecht nicht totschweigen - egal von welcher politischen Führung es ausgeht. Aus Sicht der deutschen Aktivisten ist die Seeblockade Israels illegal und steht im Widerspruch zu den internationalen Konventionen.

Die Unterdrückung eines anderen Volkes sei mit der Lehre des Judentums nicht zu vereinbaren, sagt Kate Katzenstein-Leiterer. Sie könnten sich vollständig auf die Thora berufen, sagt sie. Denn die besage, dass das Judentum eine humanitäre Religion sei und dass man auf keinen Fall jemand anderem etwas antun dürfe, was man selber nicht erleben möchte. "Wir haben die Israelische Botschaft in Berlin über unser Vorhaben informiert, haben dann erst mal keine Rückmeldung bekommen, sind aber jetzt – kurz bevor das Boot starten wird – auch persönlich hingegangen", sagt Kate Katzenstein-Leiterer. "Wir wurden zwar gewarnt, aber es ist uns nicht verboten worden."

Dass ihr hochpolitisches Vorhaben gefährlich ist, wissen die jüdischen Aktivisten spätestens nach dem blutigen Zwischenfall Ende Mai, als die israelische Marine Schiffe der Free-Gaza-Bewegung abfing. Eine gewisse Angst haben die Friedensaktivisten schon, auch wenn sie sich eher als Brückenbauer, denn als Provokateure verstehen. Sollte es zu einer Behinderung durch die Israelis kommen, werden Crew und Passagiere in jedem Fall friedlich agieren – denn Gewalt und Konfrontation ist nicht in ihrem Interesse. Gut möglich, dass da die Anwesenheit eines privaten israelischen Senders an Bord ein gewisses Maß an Schutz vor Übergriffen bieten mag.

Autorin: Ulrike Hummel
Redaktion: Diana Hodali